Archiv der Kategorie: Blick auf Würenlos

Die Würenloser Brunnen (1)

Machen Sie einen ihrer nächsten Spaziergänge als Brunnentour. In zwei Folgen stellt Hans Arnold Brunnen in unserem Dorf vor. In der ersten Folge gibt es Einiges darüber zu erfahren, woher das Wasser in den Brunnen stammt, wie die Brunnen funktionieren und wie Brunnentröge aus Naturstein entstehen. Zudem werden die ersten sechs Brunnen in Wort und Bild vorgestellt. Über ein Dutzend weiterer Brunnen werden in Folge 2 porträtiert werden. 

Gehe ich an einem Würenloser Brunnen vorbei, kommt mir oft das Lied «Am Brunnen vor dem Tore» in den Sinn. Es  ist der erste Vers eines deutschen Volksliedes von Wilhelm Müller. Der ursprüngliche Titel lautete «Der Lindenbaum» und gehört zu einem Gedichtzyklus, den Müller mit «Die Winterreise» überschrieb. Franz Schubert vertonte den gesamten Gedichtzyklus unter dem Titel «Winterreise», in dessen Rahmen auch der Lindenbaum (am Brunnen vor dem Tore) als Lied erscheint.
Auf meinen Dorfwanderungen komme ich oft an schönen Brunnen vorbei, die ich mir bald einmal genauer ansah. Es sind mehr als 20, einige davon aus dem 18. die meisten aber aus dem 19. Jahrhundert. Viele sind aus Muschelkalk aus dem Würenloser Steinbruch. Einige könnten aber auch aus Mägenwiler Muschelkalk bestehen.

A. spaltenDie meisten dieser Brunnentröge sind aus einem ganzen Felsstück gehauen. Wie dies gemacht wurde, wollte ich wissen und erkundigte mich bei einem Fachmann. In Würenlos findet man einen solchen, es ist Luigi Albertini, ein Steinhauer, der sich in Sachen Brunnenbau gut auskennt und schweizweit gefragt ist, wenn es um die Renovation von Brunnen geht. Von Ihm habe ich dann einiges über die Steinhauerarbeiten an Brunnen erfahren.

B. Trog aushöhlenC. Transport


In Würenlos kennt man die Funktion des Brunnenmeisters. Viele Jahre war Felix Brunner Inhaber dieser Funktion. Also war es für mich klar, das ist der richtige Mann, um mehr über die Brunnen von Würenlos zu erfahren. Der Brunnenmeister war zuständig für das Funktionieren der öffentlichen Brunnen mit ihren Quellen sowie für die angemessene Nutzung des Wassers. Heute ist der Brunnenmeister für die gesamte Wasserversorgung zuständig.

Bis die ersten Brunnen aufgestellt wurden, bezog man das Wasser aus dem Furtbach. Im 18. Jahrhundert kamen die ersten Brunnen auf. Sie wurden teils von der Gemeinde und teils von Privaten aufgestellt. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war das die öffentliche Wasserversorgung. Diese Brunnen wurden ausschliesslich durch eigene Quellen gespiesen, was auch heute noch bei den meisten der Fall ist. Eine der ergiebigsten Quellen war die im Bifig. Sie diente in erster Linie dem Restaurant Steinhof mit seiner Brauerei, wurde aber auch von anderen Bezügern genutzt, so vom Brunnen beim Bahnhof und von der Bäckerei (heute Beck Schwab). Der Steinhof war in Würenlos das erste Gebäude, das eine eigene Wasserversorgung besass, fünfzig Jahre, bevor die Würenloser Häuser der Gemeindewasserversorgung angeschlossen wurden.

D. WasserverteilungÄhnliche Wasserverteilsysteme wie in Ufhusen/LU (links gezeichnet), gab es auch in Würenlos, und gemäss Felix Brunner ist auch heute noch ein solches in Betrieb.

Standardmässig hatten die Brunnen zwei Tröge. Das Wasser aus dem Wasserhahn war für die Menschen, das Wasser im ersten Trog für die Kühe und das Wasser im zweiten für die Wäsche bestimmt. Um 1905 wurde mit dem Bau der kommunalen Wasserversorgung begonnen und sukzessive alle Häuser mit Wasser versorgt. Die Brunnen dienten danach noch der Viehtränke oder als Notwasser, wenn einmal die Grundwasserpumpe streikte oder infolge Strommangel nicht funktionierte.

Oft wurde das Wasser aus einem Brunnen in einen darunterliegenden zweiten weitergeleitet, dies war z.B. bei den folgenden zwei Brunnen der Fall. Das Wasser des Schulhausbrunnens wurde in den Brunnen im Garten des katholischen Pfarrers weiter geleitet. Wenn die Schüler gelegentlich ihre Tintenfässer im Schulhausbrunnen auswuschen, war das Wasser im Brunnen des Pfarrhauses blau verfärbt. Ob der Pfarrer die Ursache der Wasserverfärbung kannte, oder ob er überzeugt war, dieses Blau komme von oben, ist nicht bekannt.

Brunnen beim alten Schulhaus aus dem Jahre 1925.
Brunnen beim alten Schulhaus aus dem Jahre 1925.

Der heutige Brunnentrog vor dem alten Schulhaus ist wahrscheinlich ein Ersatz für einen älteren Trog. Schüler verstopften im Winter wenn es kalt war, gerne den Brunnenablauf, damit das Wasser überlief und der Pausenplatz zum Eisfeld wurde (so Toni Ernst), gut um Schlittschuh zu laufen.

Brunnen im Garten des katholischen Pfarrhauses, Jahrgang 18..
Brunnen im Garten des katholischen Pfarrhauses, 19. Jahrh.

 

 

 

 

 

 

 

Der Brunnen beim Gasthaus Rössli.

Der Brunnenstock des Rössli-Brunnens.
Der Brunnenstock des Rössli-Brunnens.

Wer kennt diesen Brunnen (oben) nicht, wer ist nicht schon an ihm vorbei gegangen oder gefahren? Es ist der Rössli-Brunnen. Wer hat sich ihn aber schon einmal genauer angesehen? Auf dem Brunnenstock ist der Schlüssel des Würenloser Wappens zu finden.Auf der Rückseite des Brunnens ist der Würenloser Schlüssel wieder zu sehen, diesmal in die Jahreszahl 1746 integriert. Was die Inschrift DCWL bedeutet, konnte ich nicht herausfinden, vieleicht ist es der Name des Steinhauers.

Der Brunnen ist aus einem Stück Muschelkalk gehauen. Möglicherweise musste der Brunnen repariert werden und mit den Metallklammern wurde er vor dem Auseinanderfallen geschützt. Es ist ein sehr grosser Brunnentrog, 4.25 m lang und 1.25 m breit. Das Gewicht beträgt rund 6 Tonnen und der Transport vom Steinbruch zum jeztigen Standort wird nicht ganz einfach gewesen sein.

Die Rückseite des Rössli-Brunnens.
Die Rückseite des Rössli-Brunnens.

 

 

 

 

 

 

 

Der Brunnen vor dem Café am Bach.

Inschrift des Brunnens beim Café am Bach.
Inschrift des Brunnens beim Café am Bach.

Ganz in der Nähe, vor dem Café Am Bach, steht ein weiterer markanter Brunnen (oben). Mit  Jahrgang 1744 ist er zwei Jahre älter als der Rössli-Brunnen und  mit seiner Länge von 4.60 m ist er sicher einer der längsten Brunnentröge in Würenlos. Der Brunnen stand früher beim  Metzgerhaus an der Schulstrasse. Er musste dem Parkplatz für die katholische Kirche weichen und fand seinen neuen Standort auf diesem schönen Platz.

8 Friedhof 1794Ein weiterer Brunnen aus dem 18. Jahrhundert mit der Jahreszahl 1794 steht im Katholischen Friedhof. Es ist einer der wenigen Brunnen, die nicht frei aufgestellt wurden.

 

 

 

 

9 Molkerei 1Dieser Brunnen (links) steht an der Dorfstrasse. Im Gebäude nebenan war im letzten Jahrhundert die Molkerei untergebracht. Brunnenstock und Trog gehören nicht zusammen. Auf dem Stock ist die Jahreszahl 1867 eingemeisselt und um das Brunnenrohr ist eine schöne Rosette herausgehauen. Der Brunnentrog dürfte aus dem 20. Jahrhundert stammen.

Das Bild (unten) mit dem verschneiten Brunnen (und weitere Bilder in diesem Brunnenbeitrag ) hat Architekt Alois Wiedemeier an einem kalten Wintertag aufgenommen. Es scheint fast so, als ob der Brunnen uns daran erinnern will, dass hier nebenan früher Rahm zu Butter verarbeitet wurde.

10 Molkerei 2

 

 

 

(Fortsetzung folgt)

Altes weicht Neuem

Baustelle an der Ecke Buech-/Buechzelglistrasse.
Baustelle an der Ecke Buech-/Buechzelglistrasse.
Unlängst dem Erdboden gleich gemacht: Der Scheunenteil und die Anbauten am Bauernhaus Ecke Land-/Dorfstrasse.
Unlängst dem Erdboden gleich gemacht: Der Scheunenteil und die Anbauten am Bauernhaus Ecke Land-/Dorfstrasse.

Und stetig knabbert der Baggerzahn. Wer in den letzten Wochen und Monaten durchs Dorf ging, dem konnte es nicht entgehen. Alt-Vertrautes macht Neuem Platz. Das Bauernhaus an der Ecke Dorf-/Haselstrasse wich einem Mehrfamilienhaus der Überbauung Gatterächer, ein Kleinbauernhaus am Brunnenweg zwei Einfamilienhäusern, der Scheunenteil mit der schönen Riegelfassade an der Ecke Land-/Dorfstrasse einem neuen Hausteil.

Und es verschwanden nicht nur solche Gebäude, die noch vom alten, bäuerlichen Würenlos zeugten. Jetzt weichen auch jüngere Häuser, die noch vor einigen Jahrzehnten den Übergang zum  Agglomerationsdorf markierten. Einfamilienhäuser, die ab den 1940er Jahren zum vorherrschenden Gebäudetypus wurden. So knabberte der Baggerzahn anfangs Sommer am Einfamilienhaus mit früherem Kühlhäuschen an der Bachstrasse und jetzt gleichzeitig am Einfamilienhaus an der Ecke Buech-/Buechzelglistrasse und am Eingang zum Buechzelgliring, wo ein stattliches Einfamilienhaus mit grossem Garten zwei Mehrfamilienhäusern mit Tiefgarage wich.

Die letzten Stunden des Kühlhäuschens (vorne)  und des Einfamilienhauses (hinten) an der Bachstrasse.
Die letzten Stunden des Kühlhäuschens (vorne) und des Einfamilienhauses (hinten) an der Bachstrasse.

Alle Ersatzbauten, die entstehen, haben eines gemeinsam: Die Wohnfläche wird grösser, der Umschwung kleiner. Die bauliche Verdichtung schreitet voran. Taktgeber ist der Baulandpreis. In den letzten Jahrzehnten kräftig gestiegen, lässt er Landkäufer zweimal überlegen, ob sie sich  einen grösseren Spielrasen vor dem Haus leisten wollen und können. Und der Salat wird etwas gar teuer, wenn man sich einen Pflanzplätz leistet in der Grösse, wie ihn die Grossmutter einst bearbeitete.

Das Einfamilienhaus Buechzelgliring 1 in Trümmern.
Das Einfamilienhaus Buechzelgliring 1 in Trümmern.

Der Verdichtungsprozess wird andauern, solange es noch Häuser gibt, die kleiner sind als  die gesetzlichen Ausnützungsregeln es zuliessen. Vorausgesetzt, die Landpreise rasseln nicht in den Keller – womit kaum jemand rechnet. Die Verdichtung ist sinnvoll, wenn damit der Zersiedelung des Landes Einhalt geboten werden kann.

Weichen einzelne alte Häuser neuen, vollzieht sich der Wandel weniger augenfällig, als wenn auf grünen Wiesen ganze Einfamilienhausquartiere oder Grossüberbauungen mit Mehrfamilienhäusern entstehen. Was jetzt zunehmend abgeht, kann auch als organisches, inneres Wachstum bezeichnet werden.

Doch auch ein schleichender Wandel ist ein Wandel. Wie gross er ist, wird  erst nach Jahren erkennbar sein, wenn ganze Quartiere ihren Charakter und ihr Aussehen verändert haben werden. Neue Häuser bringen auch andere Bewohner. Oft solche mit anderen Lebensvorstellungen und anderem Lebensstil.

Eine Gemeindeversammlung kommt mir in den Sinn, die ich vor rund 30 Jahren als neu Zugezogener hier erlebte. Es ging um die Einführung eines zweiten Kindergartenjahres. Im Brustston der Überzeugung,  mit sonorer Stimme verkündete  ein nicht ganz unbekannter Mitbürger, ein zusätzliches Kindergartenjahr sei überflüssig, Würenlos sei ja ein ländliches Dorf, in dem die Kleinkinder rings um die Häuser noch genügend Platz zum Spielen hätten. Natürlich war es  realitätsferner «Hafenkäse», was der Mann da «verzapfte». Er hatte schlechthin nicht wahrgenommen und vielleicht  auch nicht wahrhaben wollen, welch grosser Wandel schon stattgefunden hatte. Und wie sich die Bedürfnisse der Bevölkerung verändert hatten.

Nach dem raschen Wachstum unseres Dorfes in den letzten Jahren mag sich der eine oder die andere wünschen, es möge jetzt Ruhe einkehren und das Dorf eine Zeitlang so bleiben, wie wir es kennen und schätzen. Auch wenn wir vielleicht nicht Tag für Tag neue Baukräne in den Himmel wachsen sehen  oder wenigstens nur kleine – der Wunsch wird sich nicht erfüllen. Stellen wir uns also dem Wandel. Werfen wir überholte Vorstellungen über Bord. Tragen wir aktiv an die Weiterentwicklung unseres Dorfes bei, als wache, kritische Stimmbürger, gute Nachbarn,  engagierte Vereins- oder Behördenmitglieder.  Damit wir unser Würenlos  übermorgen noch immer schätzen können – auch wenn es ein anderes Dorf sein wird als heute.

(Der vorherige Artikel «Minimallösung für Rasensportler» ist, was die Verschuldung der Gemeinde anbelangt, nachträglich korrrigiert/präzisiert worden.) 

Rübenmaus und Powergras

Um einen Blick in die Landwirtschaft zu tun, betätige ich mich für einmal nicht als Dorfwanderer, sondern als «Landstreicher».

Drei der Lockpfosten mit landwirtschaftlichen Informationen.

Die so genannten Lockpfosten auf dem Bauernland der Familie Felix und Brigitte Markwalder erweckten meine Neugierde. Auf diesen Pfosten fand ich viele und interessante Informationen über Landwirtschaft und über unsere täglichen Nahrungsmittel.

Der Bauernhof der Familie Felix und Brigitte Markwalder im Kempfhof.
Der Bauernhof der Familie Felix und Brigitte Markwalder im Kempfhof.


 

 

 

 

1 Biestmilch2 Dufttest

 

 

 

 

3 Höhenschwindel

 

 

 

 

 

 

 

Rechne: Würden die Schweizer Landwirtschaft die EU-Richtlinien erreichen, hätte nur etwa noch jeder siebte Landwirt eine Überlebenschance, Das wäre doch schade, wenn wir nicht gelegentlich, dank einem Dufttest, Bauern beim Schoppen im Alpenrösli erkennen und antreffen würden.

4 Knollentöchter

 

 

 

 

Die Kartoffel, unser Hauptnahrungsmittel. Stellen Sie sich vor, wenn es eine der beliebtesten Speisen, Pommes Frites, nicht mehr gäbe oder wir abends vor dem Fernseher keine Chips mehr vor uns hätten.

5 Erdfühler

 

 

 

 

6 Segelfang

 

 

 

 

7 Gaswerk

 

 

 

Soll ich nun in Zukunft durch den Zuckerrübenacker joggen, um genug Sauerstoff zu tanken?. Ja, und was ist dann mit dem vielen Zucker, nützt da das Bewegungstraining noch etwas? Vielleicht gehe ich doch besser in den Wald und lasse die Zuckerrüben Zucker produzieren.

8 Rübenmaus

 

 

 

 

9 Powergras

 

 

 

10 Nagelprobe

 

 

 

«Gut, gibt’s die Schweizer Bauern» ist auf jedem Lockpfosten zu lesen. Wer mehr darüber erfahren möchte, findet hier weitere Themen.

Das Wöschhüsli

Wer hat sich nicht schon gefragt, zu welchem Zweck dieses hübsche Häuschen neben der Furtbachbrücke im Kempfhof gebaut wurde?

Das schmucke Wöschhüsli nahe der Brücke an der Bachstrasse.
Das schmucke Wöschhüsli nahe der Brücke an der Bachstrasse.


Wie mir die heutige Eigentümerin, Frau Michèle Meier, erzählte, wird sie immer wieder von Leuten befragt, wenn diese dort vorbeigehen. Auch Kinder meinten schon: «Gäll das isch doch es Häxehüsli?». Ob sie denn wie eine Hexe aussehe, habe sie gegengefragt.

Weshalb ich mich der Geschichte des kleinen Hauses annehme, hat einen besonderen Grund: Anfang der Siebzigerjahre erwarb die Bauunternehmung Schildknecht und Haderer in Wettingen die Liegenschaft Bachstrasse 53 und nutzte sie als Werkhof. Weil dieses kleine Haus auch dazugehörte und man dessen Platz gut als Deponieplatz hätte nutzen können, wollte man es abbrechen. Ich wehrte mich dagegen und konnte die Unternehmer davon überzeugen, dass es als historischer Bau erhaltenswert sei. Anerkennenswert sei erwähnt, dass die Bauunternehmung das Häuschen danach in Stand stellte.

Immer wenn ich heute daran vorbeikomme frage ich mich, welche Geschichten mir dieses Häuschen erzählen könnte, wenn ich die Tür öffnen würde, ähnlich einer Musikdose, bei der Musik ertönt, wenn man den Deckel öffnet.  Mit Erlaubnis von Michèle Meier öffne ich nun die Türe und lasse das Häuschen uns seine Geschichte erzählen.

Die Treppe zum Furtbach.
Die Treppe zum Furtbach.

Tatsache ist, dass ich schon viele Jahre auf dem Buckel habe, sicher an die zweihundert. Weil ich unbedeutend bin, wurde das Geburtsjahr nicht in den Türsturz eingemeisselt.  Sicher ist, dass ich als Wöschhüsli gedient habe. Hier im hinteren Teil des einzigen Raumes stand früher ein Holzofen mit einem kupfernen Kessi darüber. Gegenüber dem Eingang ist ebenfalls eine Türe und dahinter eine Treppe, die zum Furtbach hinunter führt.

In der rückwärtigen Wand kannst du noch zwei Löcher sehen. Sie dienten als Auflager für zwei Balken. Genau kann ich mich nicht mehr erinnern, aber die Konstruktion dürfte etwa so wie die Zeichnung unten ausgesehen haben.

Jede Woche trafen sich bei mir Frauen aus dem Kempfhof, um ihre Wäsche zu waschen. Zuerst feuerten sie tüchtig an und mengten dem Wasser geraffelte Kernseife bei, denn es gab damals noch
kein Waschpulver. War das Wasser heiss genug,

Die Löcher in der Wand für die Balkenkonstruktion.
Die Löcher in der Wand für die Balkenkonstruktion.

taten sie die Kochwäsche ins Kessi. Während dann
der Sud so vor sich hin köchelte, rührten und

stampften sie mit einer grossen Holzkelle öfters darin, damit die Seifenlauge die ganze Wäsche durchdringen konnte. Das war eine schwere Arbeit und der ganze Raum war so voller Dampf, dass sich die Frauen oft kaum sehen konnten. Das hinderte sie aber nicht daran, sich ihre Sorgen und Freuden zu erzählen und darüber zu berichten, was sich im Dorf so alles ereignet hatte.

Überm offenen Feuer wurde das Wasser im Kessel zum Kochen gebracht.
Überm offenen Feuer wurde das Wasser im Kessel zum Kochen gebracht.

War die Wäsche gekocht, wurde
sie mit einer grossen gelochten Kelle aus dem heissen Wasser gefischt und mit einem Korb zum Furtbach hinunter getragen. Dort wurde sie gespült und falls notwendig auf dem Waschbrett nochmals tüchtig geschrubbt.

Die Hausierer wussten, wann Waschtag war und dass sie dann fast alle Frauen dort antreffen würden. Zu dieser Zeit gab es noch kein Shoppingcenter und auch keinen Coop. Alles, was man zum täglichen Bedarf nötig hatte und nicht im eigenen Garten wuchs, kaufte man beim Hausierer. Nebst Nadeln, Faden, Wolle, Stoffen etc. hielt er auch Pülverchen und Salben gegen Hexenschuss oder Rheumaschmerzen, aber auch schöne Ringlein oder Ketten feil.

Ja, das war eine schöne Zeit. Dann aber wurden im Kempfhof Wasserleitungen verlegt und die meisten Familien hatten danach fliessendes Wasser im Haus. Das bedeutete auch das Ende meiner Funktion als Wöschhüsli.

Damit ich nicht nur unnütz herumstand, war ich bereit, einige Zeit als Unterkunft für Kälber zu dienen. Daran kann sich Isidor Moser, der seit seiner Geburt im Kempfhof lebt, noch gut erinnern. Als Bub kam er immer zu mir, um im Furtbach zu fischen. Hier fand er auch die nötigen Köder, nämlich Würmer, das hatte mit dem Kälbermist zu tun.

Das vom Verfall bedrohte Wäschhüsli vor der Aussenrenovation.
Das vom Verfall bedrohte Wöschhüsli vor der Aussenrenovation.

Bald ging auch diese Zeit vorbei. Die Tiere mussten sich an eine andere Bleibe gewöhnen, denn der Bauer, dem die Scheune mit Wohnhaus Bachstrasse 53 und meine Wenigkeit gehörten, verkaufte die Liegenschaft an einen Bauunternehmer. Ich fürchtete das Schlimmste.  Warum sollte ein Baumeister mich armes Hüsli, das am Verfallen war, noch erhalten? Meinen Platz konnte er als Deponieplatz besser nutzen. Ich versuchte mich unter dem Efeu zu verstecken. Das half aber nichts. Eines Tages warfen Bauarbeiter meine Ziegel vom Dach in eine Mulde und ich war überzeugt, meine letzte Stunde habe geschlagen.

Aber nein, statt mit dem Abbruch zu beginnen, ersetzten die Männer einige der morschen Balken und deckten mich mit schönen, handgefertigten Ziegeln wieder ein. Auch an meine Schönheit dachten sie und machten ein gründliches Facelifting. Die runzelige Steinfassade wurde sauber ausgefugt; Fenster und Türe wurden ersetz oder repariert. Ich sah schön aus und freute mich sehr darüber, und war dann auch gerne bereit als Magazin der Firma gute Dienste zu leisten.

Einige Jahre vergingen, das Baugeschäft wurde grösser. Die Liegenschaft genügte den Bedürfnissen nicht mehr. Mein Wohltäter verkaufte mich an Peter Frey, Cheminéebau Wettingen und der verkaufte mich dann später an Stefan Meier, Gipsergeschäft Wettingen. Damit begann für mich wieder ein anderes Leben.

Michèle Meier.
Michèle Meier.

Für die Tochter dieses Unternehmers, Michèle Meier, war ich ein beliebter Ort zu verweilen . Weil mein Inneres nicht mehr sehr gesund war und gelegentlich Steine aus den Wänden brachen, sagte Vater Meier zu seiner Tochter, er werde meine Innenseite auch einmal in Ordnung bringen, habe aber jetzt keine Zeit dazu. Sie solle alle Steine und den Ort wo sie heraus gefallen sind mit einer Nummer versehen. Als es dann aber viele Steine waren verlor Michèle die Übersicht, und so nahm sich der Gipsermeister Zeit, die Innenseite zu renovieren. Ihm muss ich ein grosses Kompliment machen. Er nahm nicht einfach einen Fertigmörtel, sondern mischte einen nach altem Rezept, der genau auf meine Bedürfnisse abgestimmt war. Ganz besonders freute ich mich darüber, dass die Mutter von Michèle für mich schöne Vorhänge nähte und mich so auch im Innern gut aussehen liess.

Es gab aber auch viele Momente des Schreckens, wenn Lastwagen mir zu nahe kam und mein Dach beschädigte. Der Dachdecker Wagner aus Wettingen pflegt mich dann und brachte den Schaden wieder in Ordnung.

Für die Nachbarskinder von Michèle war ich ein beliebter Aufenthaltsort. Gelegentlich übernachteten sie bei mir in Hängematten, die an meinen Balken befestigt waren. Inzwischen ist es bei mir wieder ruhiger geworden. Ich diene Michèle jetzt als Gartenhüsli und das ist mir auch recht so.  Nun aber genug der Geschichten. Schliesse mir die Türe, ich möchte nun meine Ruhe haben!