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Nessie im Limmattal

So wie kein Sommer ohne Meldung aus Schottland vergeht, im Loch Ness sei wieder einmal Nessie gesichtet worden, so glimmt in unserer Region immer wieder das Thema der Limmattalstadt auf. Keine sechs Jahre sind es her, seit der damalige Badener Stadtammann und heutige Regierungsrat Stephan Attiger mit kecken Heiratsavancen die Regionsgemeinden verschreckt hat. Man erinnert sich noch gut an die im Tonfall ziemlich verunglückte, da zu aufgeregte Stellungnahme aus unserem Gemeindehaus.

Nun geistert die Grosstadt im aargauischen Limmattal erneut durch den Wanner’schen Blätterwald und Gelassenheit ist sicher auch diesmal angezeigt. Die in der AZ zitierte Stellungnahme von Gemeindeammann Hans Ueli Reber fällt auch jetzt dezidiert, aber massvoller aus: «Wir können und wollen unseren Weg alleine gehen.».

Die Badener haben sich ihre Grosstadtträume mit ihrem Nein zu der von Neuenhof ersehnten Fusion fürs Erste selbst vermasselt. Nun aber haben die Ennetbadener knapp eingewilligt in Fusionsgespräche mit Baden, und Neuenhof signalisiert, dass es immer noch zu haben wäre. Spreitenbach und Killwangen prüfen ihrerseits ein Zusammengehen. Doch eine Grossstadt inklusive dem Hagestolz Wettingen? Da scheint  ja selbst die Realisierungschance unseres Alterszentrums noch grösser zu sein. Weil aber zumindest mittelfristig kleinere Fusionen nicht auszuschliessen sind, tut unser Gemeinderat sicher gut daran, wenn die Entwicklung aufmerksam beobachten will.

Dem Treiben der anderen aus sicherer Distanz zusehen und am Eigenen festhalten, solange es geht, das machen die Würenloser gerne. Wird ein Zusammengehen schliesslich doch unumgänglich, so schickt man sich widerwillig drein… um nach einiger Zeit festzustellen, dass die Welt trotzdem nicht untergegangen ist. Das war bei der Regionalpolizei so, der man sich in letzter Minute anschliessen musste. Und das war bei der Verlegung des Schiessbetriebs nach Spreitenbach ebenso.

Auch anderswo bleibt man am liebsten sein eigener Herr und Meister. Dem Trend zu regionalisierten Spitexdiensten verweigert man sich und knüpft das Schicksal der Spitex Würenlos stattdessen an das des Alterszentrums – wenn das nur gut geht! Weil die Technischen Betriebe TBW ihre Leistungen zu aller Zufriedenheit erbringen und gut geführt sind, wird auch ihr Alleingang nicht als Problem wahrgenommen. Scharfer Wettbewerb und rasante Entwicklung im Strom- und Kommunikationsmarkt hin oder her. Und wer – wie die Ex-FDP-Grossrätin Maja Wanner an einer der letzten Gemeindeversammlungen – aus Kostengründen die Eigenständigkeit der Feuerwehr in Frage stellt, begeht schon fast einen Tabubruch.

Dieser Hang zum Alleingang ist unter einem Aspekt verständlich. Je dichter eine Gemeinde in ein Netz von Zweckverbänden und anderen regionalen Trägerschaften verstrickt ist, desto weniger hat der einzelne Bürger zu sagen. Zu immer mehr Themen kann er an der Gemeindeversammlung – ohne wirkliche Mitsprache – höchstens noch Ja oder Nein stimmen. Jeder neue Zweckverband stärkt die Macht des Gemeinderates. Er entsendet seine Vertreter in die Verbandsgremien, in denen die wahre Musik spielt.

Darum, so paradox es klingt: Angesichts immer mehr Kompetenzabtretungen an überkommunale Einrichtungen müssten gerade die glühendsten Anhänger der direkten (Gemeindeversammlungs-)Demokratie auch die grössten Verfechter von Gemeindefusionen sein. Denn träte ein Gemeinwesen anstelle all der Kooperationen, so würde das Mitspracherecht der Bürger wieder gestärkt.