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Mein persönlicher Messetag

Was war in mich gefahren, dass ich Messemuffel, der um sämtliche Auto-Salons, Wein-Expos, Bau- oder Gartenschauen  einen Riesenbogen macht, fast vier Stunden an der Würenloser Messe und am Früeligsmärt zugebracht habe?

Sicher nicht die Neugier, welches Geheimnis hinter der Physikalischen Gefässtherapie von Bemer stecken mag. Und auch nicht die Hoffnung, dass an ihrem Stand die«selbständige Verkaufsdirektorin» Edina Mohr meiner verwitterten Visage dank ihres «legendären 2-Minuten-Make ups» von Mary Kay zu neuer Frische verhelfen würde.

Gewiss auch nicht das Wetter. Seepferdchen gleich schaukelten ja die Karussellgäule mit klitschnassen Rittern obendrauf durch die Fluten. Und für meinen Schirm, der, kaum aufgespannt, schon schlapp machte, war an den Früeligsmärt-Ständen ringsum kein Ersatz erhältlich. Petras Häkelmützen, die sich beim ersten Regenguss vollgesogen hätten so schwer wie Betonklötze, weckten darum ebenso wenig meine Kauflust wie Vrenis afrikanische Körbe, die ich als Regenschutz auf dem Kopf zu tragen mich nicht traute.

Und ganz sicher nicht die Nahrungsaufnahme im Gastrozelt (Bündnerspiess). Dieses Ambiente (des Zeltes, nicht des Spiesses)–  ein Mahnmal der Schlichtheit, das zur Zeitreise einlud:  Selbstbedienungs- und Kassiersystem wie bei den Pfahlbauern, Dekoration und  Beleuchtung wie in einem Lazarett der Ardennenschlacht.

Nicht, dass Sie meinen, ich hätte vier Stunden lang nur gelitten. Ganz im Gegenteil.  Obwohl es mich schon genervt hat, dass ich – unbeschirmt wie ich war –  eine gefühlte Stunde lang meine Frau gesucht und sie schliesslich in einer Ecke auf einer Matratze liegend endlich fand. Der Herr an ihrer Seite erwies sich glücklicherweise als Bico-Vertreter.

Nein, ich habe natürlich Freude gehabt, vielen Bekannten über den Weg zu laufen. Ich bewunderte den Einfallsreichtum gewisser Aussteller, vor allem aber die gute Laune und die Wetterfestigkeit der Aussteller im Freien. Ich schätzte, dass  die  Organisatoren auf die Wahl einer Miss Würenlos ebenso verzichteten  wie auf die Herrichtung der weltlängsten Crèmeschnitte und ähnlichen Firlefanz, ohne den viele solcher Messen nicht auszukommen glauben. Ich finde es sympathisch, wenn sich engagierte Gewerbetreibende zusammentun, um der Bevölkerung persönlich zu begegnen und um ihr etwas zu bieten. Obwohl sie natürlich wissen, dass solche Events viele anziehen, die zu jedem Gratis-Gläsli greifen, da ein Bhaltis einstecken und dort ein Glücksrad drehen – und dann die neue Küche doch lieber im «Tüütsche usse» kaufen.

Einkaufstourimsus, Online-Handel. Sind Gewerbeschauen ein Auslaufmodell? Dieser Frage ist die «Neue Zürcher Zeitung» vor einigen Jahren nachgegangen. Und sie kam zum Schluss, dass auch kleinere Gewerbeschauen durchaus Zukunft hätten – vorausgesetzt, sie seien keine Verkaufsmessen, sondern würden ein «geselliges Beisammensein mit Dorffestcharakter» ermöglichen. Das hat die Würenloser Messe durchaus getan. Auch wenn sie sich diesmal nicht mehr rein lokal geben mochte. Doch das mit der «überregionalen Gewerbemesse Würenlos und Furttal» wurde nicht so heiss gegessen.

Nur gut ein Dutzend Gewerbler aus dem Zürcher Furtttal mischten sich unter die total 80 Aussteller. Bei über 300 Aktivmitgliedern der dortigen zwei Gewerbeverbände  haben da künftige  Würenloser Messen noch Entwicklungspotential. Auch die Besucher von ennet der Grenze störten mich am  Würenloser «Dorffest» nicht. Ja, es war ein befreundetes Paar aus Dänikon, das uns vorgeschlagen hat, gemeinsam hinzugehen. Und die Zwei waren echt begeistert. Genauso wie Stunden zuvor  meine einstige Kollegin aus  «Badener Tagblatt»-Tagen, das Mayeli (nass wie ein Pudel flüchtete die Reporterin  unters schützende Dach der Theatergemeinschaft, wo ich gerade eine Crèpe verdrückte).  – So ist das halt mit Fremden: Sie schätzen unsere Welt oft noch mehr als wir selbst.