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Eine autofreie Siedlung – Utopie oder Vision?

Am 3. Mai orientierte der Gemeinderat  über verschiedene aktuelle Geschäfte, so auch über die Planungen fürs Steinhofareal und das angrenzende Gebiet Im Grund. Viel hat man über den Stand dieser Planungen nicht erfahren, schon gar nicht wie diese Baugebiete erschlossen werden sollen. In dem letztes Jahr veröffentlichten Entwicklungsrichtplan des Gemeinderates (hier berichtete würenblicker darüber) ist vorgesehen, die Neubaugebiete Im Grund sowie Steinhof (Wiesland hinter dem Gasthof und der Scheune) über die Lättenstrasse/Hürdlistrasse zu erschliessen. Es ist zu erwarten, dass sich die Bewohner im bestehenden Wohngebiet gegen das neue Verkehrsaufkommen wehren werden. Also was tun?

Schaut man sich die Situation in Bezug auf die Erschliessung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln genau an, stellt man fest, das Wohngebiet ist hervorragend erschlossen. Beim Steinhof ist eine Bushaltestelle für den 1er und den 11er-Bus geplant, die S6 führt ohne Umsteigen nachZürich HB und verbindet zudem Würenlos mit Wettingen/Baden und von dort aus Richtung Bern/Brugg-Basel. Der 11er-Bus fährt zum Bahnhof Killwangen-Spreitenbach und findet dort Anschluss nach Zürich oder Lenzburg/Aarau/Bern/Basel.. Die erwähnten Bushaltestellen und der Bahnhof Würenlos sind vom Neubaugebiet gefahrlos innert wenigen Minuten zu Fuss erreichbar. Auf dem Bahnhofplatz gibt es zudem einen Mobility-Standort (Car-Sharing). Auch Post, Coop, Drogerie, Bäckerei etc. sind in naher Gehdistanz.

Also warum ein Auto benutzen? Warum nicht eine autofreie Siedlung planen? Die Idee klingt vielleicht etwas utopisch, trotzdem lohnt es sich darüber nachzudenken. Vielleicht kommt man zur Erkenntnis, dass es nicht eine Utopie, sondern eine realistische Vision ist. Visionen, wie sich etwas entwickeln könnte oder sollte, gab es schon immer. War nicht die Idee einer demokratischen Gesellschaft oder eines solchen Staates einmal eine Vision? Weil immer mehr Leute daran glaubten, entwickelte sich die Gesellschaft in diese Richtung. Die Vision wurde Realität.

Der Sihlbogen in Zürich-Leimbach, die bisher grösste autofreie Überbauung in der Schweiz.
Der Sihlbogen in Zürich-Leimbach, die bisher grösste autofreie Überbauung in der Schweiz. Alle 220 Mieter mussten sich verpflichten, auf ein Privatauto zu verzichten bzw. in der Überbauung und in deren Umkreis von 300 Metern keine Parkplätze zu belegen. Dafür gibts eine S-Bahn-Station gleich nebenan, grosszügige Velo-Parkings sowie Mobility-Autos und genossenschaftseigene Elektroautos zum Ausleihen. Mehr über autofreies Wohnen und über  die ersten Erfahrungen mit dem autofreien Sihlbogen gibts hier und hier zu lesen.

Autofreie Siedlungen gibt es schon, in Zürich wie auch in Bern.Sich eine  solche ausserhalb der Stadt, «auf dem Land», vorzustellen ist vielleicht erst eine Vision. Ich bin aber überzeugt, dass die Idee auch ausserhalb grosser Städte Zukunft hat. Für junge Leute hat das Auto nicht mehr den gleich hohen Prestigewert wie in früheren Zeiten. Immer mehr Junge haben kein Auto oder keinen Führerschein. In der Stadt Bern z.B. verzichten 54% der Einwohner auf ein eigenes Auto. Diese Tendenz wird zunehmen, sei es aus Gründen des Umweltschutzes oder weil mehr Autos uns im dicht besiedelten Gebiet nicht mobiler machen, sie produzieren nur mehr Verkehr.

Einige werden sagen, ich will weiterhin mein Auto «vor der Türe» haben. Das sollen sie auch haben dürfen, Sie können weiterhin in Siedlungen wohnen, die für den privaten Autoverkehr erschlossen sind. Es gibt aber auch Leute, die kein Auto besitzen und die grossen Wert auf eine Wohnlage legen, die vollständig frei vom Auto ist. Ihnen sollte man diese Möglichkeit anbieten.

Im Siedlungsgebiet Steinhof könnte eine solche Lösung ernsthaft geprüft werden. Natürlich kann der Gemeinderat so etwas nicht verlangen, denn in der geltenden Bauordnung werden Parkplätze vorgeschrieben und darauf können sich die Bauherren berufen. Eine autofreie Siedlung auf diesem Gebiet kann also nur im Einverständnis mit den Bauwilligen geschehen. Ihr Vorteil : die Erschliessung wäre wesentlich einfacher zu lösen und sie würden Bewohner ansprechen, die heute noch kaum die Wahl eines solchen Wohnortes haben.

Anders verhält es sich mit dem Baugebiet Im Grund. Dieses Land ist in der Gewerbezone. Der Gemeinderat will es aus guten Gründen in eine Wohnzone umwandeln. Hier könnte also eine Umzonung mit der Auflage verbunden werden, eine Siedlung ohne Autoverkehr zu planen.

In der bevorstehenden Revision der Bau- und Zonenordnung sollte diese Möglichkeit jedenfalls angeboten werden. Warum nicht den Mut aufbringen und in die Zukunft investieren?

Ist es ein Privileg der Jugend, über eine bessere Zukunft nachzudenken, Visionen zu haben? Ganz und gar nicht. Es hält jung, auch  in reiferen Jahren offen zu sein für Neues und sich auch für unkonventionelle Ideen zu engagieren. Der Autor des obigen Beitrags ist Beweis dafür. Er trug und trägt mit seinen Anregungen viel zur Wohnlichkeit unseres Dorfes bei. So gehörte er auch zu den Vorkämpfern des Ortsbusses, dessen Erfolg sich viele nicht vorstellen konnten. Am 15. Mai feiert Hans Arnold seinen 80. Geburtstag. Herzliche Gratulation, Hans! Ich freue mich auf noch viele anregende Beiträge von und Diskussionen mit dir. Peter Früh