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Der Rüebligraben durchs Aargauer Limmattal

FDP-Kandidat Daniel Grotzky aus Bergdietikon  hat  gerechnet. Er vertrat in einem Leserbrief im «Badener Tagblatt» (BT) die Ansicht, das aargauische Limmattal sei im Kantonsparlament bisher stark untervertreten, nämlich nur gerade mit zwei SVP-Grossräten. Einer ist der in der zu Ende gehenden Amtsperiode nachgerückte Würenloser Thomas Zollinger. Mehr Stimmen aus dem Limmattal täten dem Aargau gut, meint Grotzky. Zumal auch in Bergdietikon, Grotzkys Wohngemeinde, mit einer nicht ganz halb so grossen Bevölkerung wie in Würenlos unproportional wenige Personen für den Grossen Rat kandidieren: Vier Männer, darunter eben Grotzky, Kommunikationsleiter in einem grossen Chemieunternehmen.

Grotzky hat mit seiner These des schlecht vertretenen Limmattals die Politikszene in Aufregung versetzt. Allerdings eher ein Sturm im Wasserglas, wie er in Vorwahlzeiten von der Politszene gerne heraufbeschworen wird. Eine gewisse Rolle spielt dabei spielt, was unter «aargauischem Limmattal» eigentlich zu verstehen ist. Auch das BT hat nachgerechnet und schrieb, im Aargauer Limmattal zwischen Spreitenbach und Untersiggenthal seien derzeit 27 der 31 GrossrätInnen wohnhaft.

Auch die Wettinger SP-Grossrätin Lea Schmidmeister stört sich an Grotzkys Aussage. Die direkte Anwohnerin der Limmig fühlt sie sich auch als Vertreterin des Aargauer Limmattals. Auch Jonas Fricker, Grossrat der Grünen, kann den Ruf nach mehr Gehör fürs Limmattal nicht nachvollziehen. Mit aktuell 27 Grossratsmitglieder aus dem ganzen Aargauer Limmattal hersche sogar eine Übervertretung. 

Grotzky meinte dazu, er habe er habe eben eine etwas andere Definition des Limmattals, nämlich die im Agglomerationsprogramm Limmattal genannten vier Gemeinden Spreitenbach, Killwangen, Würenlos und Bergdietikon. Tatsächlich gehören sie nicht zur Agglomeration Baden-Wettingen, sondern zur Grossagglomeration Zürich. Das schmerzt natürlich hiesige Politikerinnen und Politiker,  weil so die Agglomeration Baden-Wettingen etwas kleiner gemacht wird als sie sie sehen. Nur – das gemeine Fussvolk kümmert dies herzlich wenig.  

BT-Hauskarikaturist Silvan Wegmann hat Grotzky gezeichnet, wie er  bei Killwangen mit einem Baggerchen einen Graben schaufelt. «Was baut der Grotzky da?» fragt ein Spaziergänger seinen Begleiter. «Antwort: «Den Rüebligraben.»  Nur, diesen Rüebligraben gibts tatsächlich ein Stück weit.. Und das ist nicht die Schuld Grotzkys, sondern jene der kantonalen und regionalen Raum- und Verkehrsplaner. 

Wo blieben unsere vier Gemeinden diesseits des Rüebligrabens bei der Zangengeburt «Regionales Gesamtverkehrskonzept Ostaargau»? – Nirgends. So wurde der Durchgangsverkehr durch den Ostaargau erstmals  an der Gemeindegrenze Wettingen nach der Furttalkreuzung gemessen. Selbst für den Präsidenten von Baden Regio, den Wettinger Gemeindepräsidenten,  beginnt offenbar der Ostargau erst auf seinem Gemeindegebiet. 

Ein von natürlichen Grenzen _ Gewässer, Hügelzüge – durchzogenes Gebiet bildet den Bezirk Baden und das Regionalplanungsgebiet BadenRegio. Dies- und jenseits des Bareggs ticken die Gemeinden nicht im Gleichtakt, wie die Neuenhofer Grossrätin Petra Kuster erwähnt.  Das  gilt auch für die Gemeinden entlang des 36 Kilometer langen aargauischen Limmatabschnitts. Aber auch wegen der Kantonsgrenze mit Zürich, dem anderen Limmatkanton, gebe es «keine spezifische Limmattal-Identität», steht im Vorwort zum Buch «Das Limmattal – Hinschauen statt durchfahren» (erschienen im Verlag Hier und Jetzt). 

Gehört das Siggental (es schreibt sich im Gegensatz zu den Gemeinden Ober- und Untersiggenthal ohne ‚h‘) überhaupt noch zum Limmattal?» fragt sich etwa der Badener Autor Urs Tremp zu Beginn seines Beitrags im besagten Buch. Die beiden Gemeinden im Siggental – heute typische Pendlergemeinden) seien lange Zeit landwirtschaftlicher Vorgarten der Stadt Baden gewesen und für nicht wenige Badener hätten hätten die Siggentaler als bockige Bauern gegolten, die sich der modernen Entwicklung widersetzten. 

Lokal- oder Regionalidentitäten wirken in der heutigen Zeit mit ihrer mobilen Bevölkerung ohnehin etwas antiquiert. So darf von einem Grossrat aus der Aargauer Reusstalgemeinde Mellingen doch erwartet werden, dass er berechtigte Interessen von Gemeinden auch ennet des Heitersbergs vertritt und umgekehrt. Wenn die Aargauer Politik von etwas entschlackt werden soll, dann gewiss von übertriebenen lokal- oder regionalpolitischem Gärtlidenken. 

Wenn nun am 20. Oktober sich aus aus einigen Aargauer Limmattalgemeinden proportional weniger und aus anderen mehr Frauen und Männer um ein Grossratsmandat bewerben, so hat dies verschiedenste Gründe. Das hat die Debatte um Grotzkys Rüebligraben gezeigt.

Das beginnt beim Umstand, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der Aargauer Gemeinden zuoberst im Limmattal halt weit von Aarau oder gar Zofingen entfernt wohnen und sie sich wegen ihrer Herkunft oder ihres Pendlerdaseins mindestens so sehr für das Geschehen im Nachbarkanton Zürich interessieren.

Und es hört da auf, womit das BT Thomas Zollinger zitiert, der sagt: «Die akademische Bevölkerungsschicht nimmt ihr Wahl und Stimmrecht überproportional wahr.» Und Kandidatinnen und Kandidaten aus Baden und Wettingen hätten einen höheren Bekanntheitsgrad. – Wenigstens an seinem Bekanntheitsgrad hat der Bergdietiker Daniel Grotzky gekonnt gearbeitet.