Wachstumsstopp: Verdichtet wohnen muss kein Stress sein

Sollen in Würenlos künftig nicht mehr Leute als jetzt?
Sollen in Würenlos künftig nicht mehr Leute leben als jetzt?

In Würenlos hat sich ein Verein für ein lebenswertes Würenlos gebildet. Er gibt sich als parteiunabhängig aus und tritt  für eine Stabilisierung der Bevölkerungszahl und für Zurückhaltung beim verdichteten Bauen ein.  Was der Verein sonst noch im im Schilde führt, um unsere offenbar durchs Bevölkerungswachstum und Dichtestress bedrohte Lebensfreude zu heben,  bleibt auch nach der Gründungsversammlung, einem Werbeflyer  und  Berichten im «Badener Tagblatt» und in der «Limmatwelle» ziemlich nebulös.

An der Gründungsversammlung nahmen laut den Medien 30 – 40 Interessierte teil. Gewählt wurde auch ein Vereinsvorstand. Ihm gehören an: als Präsident Jürg Frei,  rasender Reporter vom tbwnet-TV,  Thomas Zollinger, Pascal Renaud, Vanessa Bratschi, Fabienne Speckert und Emil Moser.  Zollinger ist Grossrat und präsidiert die SVP-Ortspartei. Wie FDP-Mitglied Renaud gehört er der örtlichen Finanzkommission (Fiko) an. Renaud  präsidiert diese neuerdings. Moser hat 2022 erfolglos für die SVP als Ersatz-Stimmenzähler kandidiert. – Soviel zur parteipolitischen Unabhängigkeit.

Schon auf dem Werbeflyer haben die Gründerväter des Vereins einen bunten Strauss von Vereinszielen präsentiert. Schnell sei aber  an der Gründungsversammlung klar geworden, so das BT, dass der Verein vor allem ein Ziel verfolge: «Der Verein will die Revision der Bau- und Nutzungsordnung (BNO) verhindern.» Ob der Verein wirklich aufs Ganze gehen wird?

Jedenfalls bietet sich der Verein all jenen als Sammelbecken an, die aus persönlichen Interessen mit gewissen Bestimmungen in der BNO (an der von Fachplanern und einer Kommission jahrelang gefeilt wurde)  hadern.  Oder die sonst das Gefühl haben, sie fänden mit ihren Anliegen im Gemeindehaus zu wenig Gehör.

Man hört, an der Versammlung seien durchaus mehrere kritische Voten zu hören gewesen. Nicht bloss jenes von Ex-Gemeinderat Markus Hugi, der im BT ausgiebig zitiert wurde.

Dem  verbreiteten Anliegen, die Einwohnerzahl nur moderat wachsen zu lassen, kam der Gemeinderat schon vor Beginn der BNO-Totalrevision weit entgegen. Er legte für 2030 eine Zielgrösse von 7300 Einwohnern fest. Die Verdichtungsvorgaben des Kantons (90 Personen pro Hektare bei Neubauten)  hätten eigentlich nach einer höheren Zielgrösse gerufen. Einige Tricks sollten es richten. Doch  der erste zur Vorprüfung nach Aarau geschickte BNO-Entwurf  wurde zurückgewiesen. Im zweiten Anlauf   könnte es nun klappen. Vorausgesetzt die Umzonungen, die offenbar in der neuen BNO geplant sind, werden erfolgen.

Zwei Umzonungen passen dem neue Verein  nicht. Erstens jene des noch unbebauten Gebietes «Im Grund» hinter dem Steinhof von der Gewerbe- in eine Wohnzone. Und zweitens die Umzonung des «Rosenfelds» zwischen reformierter Kirche und Schulstrasse von der Zone für öffentliche Bauten in eine Wohnzone (eine Kirchgemeindeversammlung hat sich allerdings gegen eine Überbauung ihres Landstücks ausgesprochen).

Beim grösseren Areal «Im Grund» scheint mir ein Verzicht auf die Umzonung riskant und wenig sachgerecht. Im Tägerhard ist ein neues Gewerbegebiet entstanden, das für diesen Zweck viel besser geeignet ist. Bleibt das Areal «Im Grund» in der Gewerbezone, so könnte es weiterhin auch  mit Gewerbebauten überstellt werden. Dann wäre für Generationen eine der besten Lagen in Würenlos fürs Wohnen verloren. Keine Umzonung –eine Eselei.

Die betroffenen Landeigentümer seien an einem Landverkauf gar nicht interessiert, heisst es. Mag sein. Doch  das Geschwisterpaar ohne Nachkommen steht im Rentenalter und Immobilienhaie von nah und fern dürften bereits in den Startlöchern lauern.

«Würenlos bleibt ein Dorf, Stabilisierung der Bevölkerungszahl» stand zuoberst auf dem Werbeflyern.  Doch was für ein Dorf soll es bleiben? Ich vermute: Die Vereinsleute sehen in einem «Dorf»  einzig den positiven Gegenpol zur bösen Stadt, in der alles schlechter ist. Für einen Ort ist «Dorf» indes längst kein  Qualitätsattribut mehr, das für sich selber spricht.

Viele Dörfer  funktionieren nur noch mehr schlecht als recht: Die letzte Beiz verrammelt, der Lebensmittelladen bestenfalls dahinsiechend, die Post eine Viertelstunde Fahrzeit entfernt, das Vereinsleben am Abserbeln, Behördenämter kaum mehr zu besetzen.

Das trifft alles nicht auf Würenlos zu. Wir sind ein recht gut funktionierendes Dorf mit durchmischter Bevölkerung. Nicht zuletzt dank des Wachstums in den letzten Jahrzehnten. Als ich vor gut 40 Jahren hierher zog, lebten etwa 3250 Menschen hier – nicht mal die Hälfte von heute.

Natürlich hat sich seither Vieles verändert. Aber haben nicht auch wir uns verändert? Einige mögen noch den Miststöcken nachtrauern, welche die Dorfstrasse säumten. Aber sind heute Miststöcke noch Garanten eines funktionierenden Dorfes? Ich wette, dass Würenlos auch mit einer Bevölkerung von 8000 oder 10 000 ein beliebter Wohnort bleiben kann. Die Bevölkerungszahl einzufrieren führt nicht zu einem Dorf, in dem sich alle wohlfühlen. 

Das deklarierte Vereinsziel «Qualitatives statt quantitatives Wachstum» ist eine  Leerformel, die mittlerweile im Leitbild auch des letzten Kaffs zu finden ist. Unter qualitativem Wachstum versteht  jedes Individuum genau das, was ihm gefällt oder nützt. 

Der eine liebt flächendeckend Tempo 30, die andere geniesst die schrankenlose automobilistische Freiheit. Die einen finden es so cool, im Dorf bis frühmorgens Party zu machen, die anderen wollen Ruhe, zählen senkrecht im Bett stehend jedes Schäppern eines  Getränkeharasses. Die einen erfreuen sich an schönen Gärten in der Nachbarschaft, andere geniessen ihre Privatsphäre hinter abweisenden Sichtschutzwänden.

Jedenfalls ist Wohnen in Würenlos beliebt. Neu erstellte Wohnungen und Einfamilienhäuser bleiben meist nicht lange unverkauft oder unvermietet. Die Preise für Bauland und Wohneigentum zeigen seit Jahren nur nach oben.  

Eine zusätzliche Verknappung des Wohnungsangebotes wie vom Verein angestrebt, könnte die Wohnkosten vollends durch die Decke schiessen lassen. Im Kanton Zug, aber auch an den Zürichseeufern (ZH und SZ) lässt sich  beobachten, wohin das führt. Die Bevölkerungzusammensetzung verändert sich rapid – eine Sache von Jahren, nicht Jahrzehnten. Alteingessene werden verdrängt von finanziell besser gestellten Neuzuzügern. Gentrifizierung heisst das im Fachjargon.  Vielleicht gefällt die Idee, die Bevölkerungsgrösse einzufrieren,  den beiden erwähnten Fiko-Mitgliedern  gerade deshalb so gut, weil sie von der Gentrifizierung mehr gute Steuerzahler erwarten.  Immerhin sind die beiden bisher vor allem durch ihren doch sehr engen finanzpolitischen Tunnelblick aufgefallen.

Im übrigen darf aus der Dauerpräsenz von Baukränen in unserem Siedlungsgebiet nicht auf ein übermässiges Bevölkerungswachstum in Würenlos geschlossen werden. Zwischen 2019 und 2023 ist die Bevölkerung gerade mal um 366 Personen oder 5,6% angewachsen. Zum Vergleich: Killwangen +10%, ganzer Kanton +6.2%.

«Zurückhaltung bei baulicher Verdichtung»  – noch ein verfängliches Vereinssziel.  Wie wenn es nicht längst überzeugende Beispiele architektonisch guter Verdichtung gäbe. Nicht weniger, sondern bessere Verdichtung sollte der Verein fordern. Mehr visionäres Denken und Mut zu Neuem würde unserem Dorf und auch diesem Verein gut anstehen. 

Wenn die Basis für Betrieb sorgt und die Steuern sinken

Es seien an diesem Abend etliche basisdemokratische Aktionen zu erwarten, sagte Gemeindeammann Toni Möckel zur Eröffnung der Einwohnergemeindeversammlung am Dienstag. Die wurde tatsächlich eine der lebhaftesten der letzten Jahre, die 167 anwesenden Stimmberechtigten hatten rund 3 Stunden und 15 Minuten auszuharren. Doch grosse Überraschungen blieben aus. 

Keine Überraschungen waren zum Vornherein beim Budget 2024 zu erwarten. Zu komfortabel ist die momentane Finanzsituation der Gemeinde. Der Selbstfinanzierungsgrad bei den Investitionen wird 129 Prozent betragen. Und trotz erneut steigendem Aufwand ist ein  weiterer Abbau der Nettoschuld und erst noch eine Steuersenkung möglich. Der Steuerfuss der Einwohnergemeinde beträgt 2024 noch 99 %, bisher lag er bei 101%. Thomas Zollinger als Präsident der Finanzkommission deponierte  vor allem die Forderung, der Finanzplan sei formal zu überarbeiten.

Eine kleine Überraschung gab es bei den traktandierten Bauabrechnungen. Jene für den Umbau des Gemeindehauses zog der Gemeinderat kurzfristig zurück, da der Finanzkommission zu wenig Zeit für die Überprüfung zur Verfügung gestanden habe. Der Planungsablauf beim Umbau war suboptimal verlaufen. Eine Ablehnung wäre  eine Unmutäusserung gewesen, weiter gehende direkte Konsequenzen haben abgelehnte Bauabrechnungen nicht.

Alterszentrum: Keine Gutachten von Bundes-Kommissionen für den Regierungsrat

Noch immer warten die Alterszentrum Würenlos AG und der Gemeinderat auf den regierungsrätlichen Entscheid zu ihrem Rekurs gegen die verweigerte Baubewilligung fürs Alterszentrum. Weil sich die kantonale Denkmalpflege gegen das Projekt Margerite ausgesprochen hatte, musste der Gemeinderat widerwillig der Alterszentrum Würenlos AG die Baubewilligung verweigern. Bei einem Augenschein im Sommer war ein auf einem Gutachten basierender Vergleichsvorschlag gescheitert. Trotzdem bestellte der Aargauer Regierungsrat  Gutachten bei der Eidgenössischen Natur- und Heimtschutzkommission und der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege. Wie nun Gemeinderat Consuelo Senn an der Gemeindeversammlung bekannt gab, weigern sich die beiden Kommissionen solche Gutachten zu erstellen. Gründe: 1. Keine der geschützten Bauten nahe des geplanten Alterszentrums stehe im Bundesinventar der geschützten Ortsbilder. 2. Diese kantonal geschützten Objekte (Alte Mühle, Turm der katholischen Kirche) seien nicht in ihrer Substanz . “Wie  diese Begründung den weiteren Verlauf des Rechtsweges beeinflussen wird, ist offen. “Jetzt ist aber Zeit für den Entscheid des Regierungsrates”, sagte Senn. Zu erwarten sei der Entscheid aber kaum vor 2024. 

Erste basisdemokratische Interventionen gab es bei der Endgestaltung des Kiesabbaugebietes Flüefeld/Tägerhardrütene. Im Rahmen der Rekultivierung der ehemaligen Kiesgrube will die Einwohnergemeinde eine ökologische Ausgleichsfläche schaffen. Dorfwärts der Firma Peterhans soll  das Wasser vom so genannten Hasebrünneli durch einen naturnahen Bachlauf auf eine Versickerungsfläche im Gebiet Flüerütenen geleitet werden. Zudem ist eine sogenannte Schwalbenwand geplant:  Weil in den Wänden der verschwindenden Kiesgrube Uferschwalben brüten, sollen mit einer künstliche Sandschüttung neue Brutplätze für die Vögel geschaffen werden. 

Namens der SVP beantragte Thomas Zollinger Rückweisung des Kreditantrages von rund 290’000 Franken. Die Kosten, namentlich auch für den jährlich wiederkehrenden Unterhalt, seien zu hoch. Erst später wird der Kanton als Besitzer des neuen Bächleins auch den Unterhalt des Biotops übernehmen. Eine Innovation schlug ein anderes Fiko-Mitglied, Markus Städler, vor: ein Park mit essbaren Wildpflanzen auf der ökologischen Ausgleichsfläche. Somit hätten nicht nur nur die  Tiere, sondern auch die Bevölkerung einen Nutzen. 

Der Rückweisungsantrag der SVP scheiterte. Einwohner- und Ortsbürgergemeinde hätten dank der Kiesgrube aus Entschädigungen bzw. Steuererträgen Millionen kassiert, da sei Sparen bei der Ausgleichsfläche nicht angebracht, meinte Sigi Zihlmann. Zum Wildpflanzenpark sagte Zoologe Christoph Meier (Präsident Grünliberale Bezirk Baden), für viele Tierarten werde der Lebensraum zunehmend knapper, deshalb solle wenigsten einmal der Mensch zugunsten der Tierwelt zurücktreten. Er fand Gehör, der gemeinderätliche Antrag fand klare Zustimmung.

Ein Drittel des 45-seitigen Traktandenbüchleins füllten Antrag, Begründung und Alt-/Neu-Darstellung des Reglements über die Gemeindebeträge an die familienergänzende Kinderbetreuung. Allein der Titel der Vorlage, kurz Elternbeitragsreglement, verhiess keine leicht verständliche Kost. Hatte der Bürokratie-Elefant eine Supermaus geboren? Im letzten Beitrag in diesem Blog wurde dies vermutet und auch begründet. Jedenfalls läuft die Änderung den Bemühungen diametral entgegen, angesichts des Fachkräftemangels (zum Beispiel Lehrpersonen an den Schulen, Pflegepersonal in Spitälern und Pflegeheimen) möglichst viele Mütter oder Väter zu einem früheren Wiedereinstieg ins Berufsleben oder zu höheren Teilzeitpensen zu animieren. 

Anstelle der bisher relativ einfachen Bemessung der Beiträge, welche Eltern an die selbst zu tragenden teilweise sehr hohen  Kita-Kosten erhalten, sollte eine schwerer verständliche Bemessungsmethode treten. Zur die Bemessung des massgeblichen Einkommens sollen neu diverse legitime Steuerabzüge, welche die Antragsstellenden in ihrer Steuererklärung gemacht werden, wieder hinzugerechnet werden. 

Die Vorlage sei eine reine Sparvolage, und abzulehnen, sagte, faktenreich begründet, Christoph Meier. Silvia Schorno namens der kritischen Mitte-Partei stelle einen leicht entschärften Abänderungsantrag. Dieser hatte ebenso wie der Ablehnungsantrag keine Chance. Das neue Regelement wurde mit 122 gegen 19 Stimmen klar angenommen.

Für die Finanzkommission sagte Pascal Renaud-dit-Louis, dass es nicht ums Sparen gehe, sondern darum, Ungerechtigkeiten, welche das alte Reglement mit sich bringe, zu beseitigen. Einige Empfänger hätten dank Steueroptimierung sehr hohe Elternbeiträge erhalten. Das sei ungerecht gegenüber anderen Steuerzahlenden, die keine Abzüge machten oder keine zu betreuende Kinder hätten. Doch mit keinem Wort ging Renaud-di-Louis auf die dank familienergänzende Kinderbetreuung möglich werdenden höheren Steuererträge ein – ein Hauptargument des schweizerischen Frauen-Dachverbandes alliance f für günstigere Elternbeiträge. 

Quasi in Luft aufgelöst hatten sich seit der Info-Veranstaltung des Gemeinderates vor einigen Wochen die damals doch recht hoch bezifferten Mehrkosten, welche die neue Bemessungsmethode verursacht. Sie sollen jetzt gemäss Berechnungen der Finanzverwalterin noch wenige hundert Franken pro Jahr betragen. Möglich trifft dies für die Finanzverwaltung so zu. Aus anderen Gemeinden weiss man aber, dass die neue Berechnungsmethode bei den Gesuchstellenden einen recht hohen Beratungsbedarf auslöst – nur spüren den eben die Sozialdienste und sie sind eine andere Kostenstelle. 

Auf Granit biss auch Daniel Zehnder, der namens des SV Würenlos auf die starke Übernutzung der  Sportplätze hinwies. Ein weiterer Platz mit Kunstrasen sei darum dringend nötig. Zum Glück sei neben dem neuen Sportplatz Tägerhard noch Platz dafür. Der Gemeinderat solle der nächsten Sommer-Gemeindeversammlung einen Baukredit unterbreiten. Der SVW sei bereit, die selbst vorangetriebene Projektierung «vorzuschiessen». 

So gehe das nicht, stellte Gemeindeammann Möckel klar. Das jedem Stimmberechtigten zustehende Vorschlagsrecht sehe nicht vor, dass Begehren, die der Gemeinde Kosten verursachen, ausserhalb des ordentlichen Budgetierungsweges gestellt werden könnten. Wenn die Versammlung dem Vorschlag des SVW zustimme (was sie auch tat), sei der  Gemeinderat aber bereit, sich um das Anliegen des SVW zu kümmern. Im nächsten Sommer werde man bestenfalls einen Projektierungskredit beantragen können.

Warum auch einfach, wenn es kompliziert geht?

Arbeiten und die Kinder in der Kita betreuen lassen, ist auch für Mittelstandsfamilien oft eine Kostenfrage. Bild freepic

Die Gemeindeversammlung vom 5. Dezember entscheidet darüber, ob Würenlos die Bemessungsmethode ändern soll für Gemeindebeiträge an Eltern oder Alleinerziehende, welche Kinder in der Kita betreuen lassen. Ziel ist offenbar, auf Kosten von Familien einige zehntausend Franken einzusparen. Doch der Methodenwechsel ist schwach begründet. 

Gut 50 Elternpaare oder Alleinerziehende mit 80 Kindern erhalten in Würenlos Gemeindebeiträge an die von ihnen zu tragenden Kosten der familienergänzenden Kinderbetreuung. Zur Bemessung dieser Beiträge wird auf das steuerbare Einkommen und Vermögen gemäss letzter rechtskräftiger Steuerveranlagung abgestellt. Diese Berechnungsmethode ist gemäss Traktandenbericht des Gemeinderates «klar und einfach und der Aufwand für die Verwaltung so gering wie nur möglich». Rechtsgrundlage ist das Elternbeitragsreglement, dieses habe sich «bisher  in der Anwendung bzw. Umsetzung weitgehend bewährt» – Was will man mehr als eine bewährte schlanke Lösung ohne aufgeblähte Bürokratie? Warum soll das Elternbeitragsreglement partout geändert werden?

Weil die Finanzkommission seit Jahren darauf drängt. Sie will zur Berechnungsmethode wechseln, die auch bei der Bemessung der Krankenkassenverbilligungen und in vielen anderen Gemeinden angewandt wird. Besser muss sie darum nicht sein. Sie ist kompliziert und für Nicht-Fachleute kaum durchschaubar. Ihr Hauptziel scheint darin zu bestehen, ein paar Fränkli zu sparen (bei den Elternbeiträgen ist für Würenlos von CHF 60’000 bis 75’000 pro Jahr die Rede) – wenn diese Fränkli denn nicht vom bürokratischen Mehraufwand (laut Gemeindeammann Möckel etwa 15 Stellenprozente) aufgefressen werden.

Was zum steuerbaren Einkommen aufgerechnet werden soll.

  • Abzüge der Kosten für Liegenschaftsunterhalt, soweit sie den Pauschalabzug übersteigen;
  • Abzüge für Einkäufe in die Pensionskasse und Beiträge an die 3. Säule;
  • Abzüge für wohltätige Spenden;
  • Abzüge für Zuwendungen an politische Parteien;
  • Abzüge für Verluste früherer Geschäftsjahre bei Selbständigerwerbenden.

«Grosszügigerweise» wird bei den Betreuungsbeiträgen auf das Aufrechnen der Krankenkassenverbilligung an das steuerbare Einkommen verzichtet.

An der Info-Veranstaltung des Gemeinderates sagte Toni Möckel, es gelte vor allem, Fehlanreize zu vermeiden. Welche Fehlanreize denn? Im Traktandenbericht steht dazu, es solle mit der  Aufrechnung von steuerlichen Abzügen (siehe roter Text oben) vermieden werden, dass Gesuchstellende, die durch andere Abzüge bereits steuerlich profitieren, «zusätzlich auch bei den Gemeindebeiträgen an die familienergänzende Kinderbetreuung profitieren.»

Wie wenn da eine mit dem anderen etwas zu tun hätte. Mit leuchtet nicht ein, weshalb eine Familie mittleren Einkommens mit höheren Kitataxen bestraft werden soll, wenn sie ihr baufälliges Eigenheim mit einer Investition, die den Pauschalabzug übersteigt, renoviert. Oder weshalb diese Familie abzustrafen ist, wenn sie Beiträge an die 3. Säule bezahlt, um später einmal der Armutsfalle Pflegeheim zu entgehen. Und wie kleinkariert ist erst die Aufrechnung von wohltätigen Spenden! 

Die Schweiz ächzt unter dem Fachkräftemangel. Überall fehlts an gut ausgebildetem Personal. An Schulen, in Spitälern, Dienstleistungs- und Produktionsbetrieben. Wie paradox und von gestern ist da eine Bemessungsmethode, welche junge Mütter (oder Väter) eher von Erwerbsarbeit  fern hält statt sie dazu zu ermuntern. Längst ist erwiesen, dass schon bei einem mittleren Familieneinkommen für den zweitverdienenden Elternteil sich die Erwerbsarbeit ab einem 40-50%-Pensum nicht mehr lohnt, wenn die Familie auf Kitabetreuung angewiesen ist. Die Kita-Kosten und die höheren Steuern fressen das zusätzliche Einkommen auf.

Durch die Politlandschaft geistern die unterschiedlichsten Rezepte, wie der Fachkräftemangel zu entschärfen sei. Eines der klügsten Rezepte ist, das in der Schweiz bereits ansässige Reservoir an qualifizierten Arbeitskräften voll auszuschöpfen. Dazu gehören auch Anreize, damit Mütter mit Kindern, höhere Arbeitspensen übernehmen bzw. wieder ins Erwerbsleben zu treten, solange ihre Kenntnisse noch up-to-date sind.  

Im vergangenen März hat der Nationalrat eine parlamentarischen Initiative gutgeheissen, wonach der Bund künftig verpflichtet wäre, bis zu 20 Prozent der Elternbeiträge an Kindertagesstätten zu übernehmen. Das will die  zuständige Ständeratskommission nicht und favorisiert stattdessen einen Vorschlag,  wonach die Arbeitgeber zu höheren Familienzulagen verpflichtet werden sollen. Für alliance f, die überparteiliche Dachorganisationen von rund 100 Frauenverbänden in der Schweiz,  brächte dieser Vorschlag  den Familien kaum etwas, würde aber die Arbeitgeber viel kosten. 

alliance f bevorzugt die stärkere Verbilligung der familienergänzenden Kinderbetreuung. Umso mehr, als diese unter dem Strich für den Staat sehr preiswert ist. Es gibt darüber mehrere Studien. (mehr darüber). Sie kommen zum Schluss, dass jeder investierte Franken in Form von höheren Steuererträgen usw. wieder zurückkomme. Ergänzung vom 2. Dez. 2023: An der vom Krippenpool Baden, Wettingen, Ennetbaden und Obersiggenthal beim Berner Institut BASS bestellte Studie wurde etwa  die Berechnungsart des gesellschaftliche Nutzens von staatlich geförderten Kitas  in Franken und Rappen, aber die Grundaussage  wurde nicht widerlegt. Und seit Erscheinen dieser Studien vor etlichen Jahren dürfte die Kinderbetreuung in einer Kita noch massiv an volkswirtschaftlicher Bedeutung gewonnen haben. 

Meiner Meinung nach täte Würenlos gut daran, bei der bisherigen Beitragsbemessung zu bleiben. Die These, diese Bemessungsmethode schaffe Fehlanreize, könnte rasch in sich zusammenfallen, sollten dank verbilligter Betreuungstaxen auch nur einige Dutzend Elternteile zusätzlich in qualifizierten Berufen erwerbstätig werden oder mit höheren Arbeitspensen arbeiten. Die steigenden  Familieneinkommen würden der Gemeinde (und dem Kanton) zu höheren Steuereinnahmen verhelfen. Eine win-win-Situation.

Die bürgerlichste Wählerschaft im aargauischen Limmattal

Würenlos hat bei den Nationalratswahlen bürgerlicher gewählt als alle seine direkten aargauischen Nachbargemeinden und auch als alle Gemeinden im aargauischen Limmattal. Das links-grüne Lager, insbesondere die SP als viertstärkste politische Kraft im Dorf, hat seit Jahren keine Ortspartei mehr zustande gebracht. Das ist ein Armutszeugnis und der politischen Kultur im Dorf alles andere als förderlich.

Der Bezirk Baden zählt 26 Einwohnergemeinden. In 23 von ihnen ist die SVP die stärkste politische Kraft, Würenlos inklusive. In Baden und Turgi ist die SVP zweitstärkste Partei und nur in Ennetbaden figuriert sie zusammen mit der Mitte erst auf Platz 5, noch hinter den Grünen. 

Die Mitte ist in keiner Bezirksgemeinde stärkste Kraft, aber in 23 Gemeinden auf den Plätzen 2 oder 3 zu finden. Die SP ist in drei Gemeinden (Baden, Ennetbaden und Turgi) stärkste Partei und in immerhin 16 weiteren Gemeinden zweit- und drittstärkste Partei. Gebenstorf ist übrigens die einzige Bezirksgemeinde, die das gleiche Wahlverhalten gezeigt hat wie der ganze Kanton, auf Platz 1 figuriert die SVP, auf Platz 2 die SP und auf Platz 3 die FDP.

In Würenlos belegen SVP, die Mitte und die FDP in dieser Reihenfolge die Plätze 1 bis 3.  Nur gerade 3 weitere Bezirksgemeinden haben die Stimmen in gleicher Reihenfolge  verteilt wie Würenlos: Niederrohrdorf, Schneisingen und Würenlingen. 

Alle unseren direkten Nachbarn im Bezirk gehören der grössten Gruppe an, die zwischen die SVP auf Platz 1  und der Mitte auf Platz 3 die linke SP auf Rang 2 gewählt haben. Es sind die 8 Gemeinden Wettingen, Spreitenbach, Neuenhof und Killwangen  – unsere direkten aargauischen Nachbarn also –  sowie Obersiggenthal, Untersiggenthal, Freienwil und Rudolfstetten-Friedlisberg.

Fazit: In Würenlos wurde am Sonntag bürgerlicher gewählt als in allen anderen aargauischen Limmattalgemeinden. Interessant nur, dass dieses Wahlverhalten in der Lokalpolitik kaum zum Ausdruck kommt. In lokalpolitischen Themen verlaufen die Fronten oft quer durch alle Parteien. So gibt es in Steuerfussdiskussionen  weniger rote Köpfe als in Wettingen und Einbürgerungen sind keineswegs umstrittener als in Ennetbaden. 

Die Dorfbevölkerung liebt es moderat und nicht polarisierend oder gar provokativ. Debattierkultur und -freudigkeit haben keinen sonderlich hohen Stellenwert. Das mag daher rühren, dass den drei vorhandenen Ortsparteien die Herausforderung durch links-grüne Gruppierungen fehlt. Zwar sind Ortsparteien in den Augen von Kantonalparteien oft blosse Hilfs- und Mobilisierungsvehikel vor eidgenössischen und kantonalen Urnengängen. Aber nicht mal dafür scheint die siebtgrösste Gemeinde im Bezirk Baden der SP, den Grünen und der GLP wichtig genug zu sein. Sonst hätten sie den Aufbau von Ortsparteien, -sektionen oder -gruppen in Würenlos intensiver vorangetrieben.

Im letzten Artikel habe ich die Unsitte der meisten Parteien kritisiert, mit einer Vielzahl von Unterlisten auf Stimmenfang zu gehen. Wirklich ausbezahlt zu haben scheint sich der Unterlisten-Trick für keine Partei. Prozentual am meisten Parteistimmen über Unterlisten holten sich in Würenlos die GLP mit 28%  und die kleine EVP mit 27% ihrer Parteistimmen. Doch in Sitzen ausbezahlt haben sich die Unterlisten gerade für diese beiden Parteien nicht.  Die GLP stagnierte im Aargau sowohl was die Parteienstärke als auch die Sitzzahl anbelangt. Und die aargauische EVP gewann zwar an Parteistärke, verlor aber gar ihren einzigen Nationalratssitz, jenen der Präsidentin der EVP Schweiz, der Wettingerin Lilian Studer.

Die Mitte, deren Wahlerfolg 2019 massgeblich auf die Unterlisten-Taktik zurückgeführt worden war, machte in Würenlos 23 % der Stimmen auf ihren 9 Unterlisten. Doch während sie auf eidgenössischer Ebene an Parteistärke gewann und die FDP knapp übertreffen konnte, verlor die Mitte (2019 noch CVP und BDP) auf kantonaler Ebene an Parteistärke (Stimmenanteil noch 12%). Die Sitzzahl konnte sie halten. Die Fusion mit der BDP und der Wechsel auf einen Namen ohne das Attribut «christlich» dürfte mehr gebracht haben als der Listentrick.

Die grosse Wahlsiegerin SVP aber, die im Aargau auf nur eine Unterliste, jener ihrer Jungpartei setzte, hat darunter keineswegs gelitten. Sie gewann im Kanton  an Parteienstärke und einen zusätzlichen Sitz. Auch in Würenlos, wo sie ihre Stimmenanteil um zwei Prozentpunkte auf 32.36% ausbaute, ist sie weiterhin die mit Abstand stärkste politische Kraft.

Auf Platz 2 rangiert unverändert die Mitte ( 2019 noch als CVP und GDP), Ihr Stimmenanteil sank hier allerdings um fast einen Prozentpunkt auf 17 %. Die FDP musste keine Haare lassen und  bleibt in Würenlos drittstärkste Kraft. 

Selbst wenn die vielen Unterlisten einige zusätzliche Wählende mobilisiert haben mögen, so hat sich der Unterlisten-Trick wohl totgelaufen. Die Parteien haben sich damit beim Wahlvolk eher Sympathien verscherzt. Es ist Zeit, mit dieser Bauernfängerei abzufahren und im gleichen Zug auch die Demokratieverträglichkeit von Listenverbindungen generell in Frage zu stellen. 

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