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Wenn die Basis für Betrieb sorgt und die Steuern sinken

Es seien an diesem Abend etliche basisdemokratische Aktionen zu erwarten, sagte Gemeindeammann Toni Möckel zur Eröffnung der Einwohnergemeindeversammlung am Dienstag. Die wurde tatsächlich eine der lebhaftesten der letzten Jahre, die 167 anwesenden Stimmberechtigten hatten rund 3 Stunden und 15 Minuten auszuharren. Doch grosse Überraschungen blieben aus. 

Keine Überraschungen waren zum Vornherein beim Budget 2024 zu erwarten. Zu komfortabel ist die momentane Finanzsituation der Gemeinde. Der Selbstfinanzierungsgrad bei den Investitionen wird 129 Prozent betragen. Und trotz erneut steigendem Aufwand ist ein  weiterer Abbau der Nettoschuld und erst noch eine Steuersenkung möglich. Der Steuerfuss der Einwohnergemeinde beträgt 2024 noch 99 %, bisher lag er bei 101%. Thomas Zollinger als Präsident der Finanzkommission deponierte  vor allem die Forderung, der Finanzplan sei formal zu überarbeiten.

Eine kleine Überraschung gab es bei den traktandierten Bauabrechnungen. Jene für den Umbau des Gemeindehauses zog der Gemeinderat kurzfristig zurück, da der Finanzkommission zu wenig Zeit für die Überprüfung zur Verfügung gestanden habe. Der Planungsablauf beim Umbau war suboptimal verlaufen. Eine Ablehnung wäre  eine Unmutäusserung gewesen, weiter gehende direkte Konsequenzen haben abgelehnte Bauabrechnungen nicht.

Alterszentrum: Keine Gutachten von Bundes-Kommissionen für den Regierungsrat

Noch immer warten die Alterszentrum Würenlos AG und der Gemeinderat auf den regierungsrätlichen Entscheid zu ihrem Rekurs gegen die verweigerte Baubewilligung fürs Alterszentrum. Weil sich die kantonale Denkmalpflege gegen das Projekt Margerite ausgesprochen hatte, musste der Gemeinderat widerwillig der Alterszentrum Würenlos AG die Baubewilligung verweigern. Bei einem Augenschein im Sommer war ein auf einem Gutachten basierender Vergleichsvorschlag gescheitert. Trotzdem bestellte der Aargauer Regierungsrat  Gutachten bei der Eidgenössischen Natur- und Heimtschutzkommission und der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege. Wie nun Gemeinderat Consuelo Senn an der Gemeindeversammlung bekannt gab, weigern sich die beiden Kommissionen solche Gutachten zu erstellen. Gründe: 1. Keine der geschützten Bauten nahe des geplanten Alterszentrums stehe im Bundesinventar der geschützten Ortsbilder. 2. Diese kantonal geschützten Objekte (Alte Mühle, Turm der katholischen Kirche) seien nicht in ihrer Substanz . “Wie  diese Begründung den weiteren Verlauf des Rechtsweges beeinflussen wird, ist offen. “Jetzt ist aber Zeit für den Entscheid des Regierungsrates”, sagte Senn. Zu erwarten sei der Entscheid aber kaum vor 2024. 

Erste basisdemokratische Interventionen gab es bei der Endgestaltung des Kiesabbaugebietes Flüefeld/Tägerhardrütene. Im Rahmen der Rekultivierung der ehemaligen Kiesgrube will die Einwohnergemeinde eine ökologische Ausgleichsfläche schaffen. Dorfwärts der Firma Peterhans soll  das Wasser vom so genannten Hasebrünneli durch einen naturnahen Bachlauf auf eine Versickerungsfläche im Gebiet Flüerütenen geleitet werden. Zudem ist eine sogenannte Schwalbenwand geplant:  Weil in den Wänden der verschwindenden Kiesgrube Uferschwalben brüten, sollen mit einer künstliche Sandschüttung neue Brutplätze für die Vögel geschaffen werden. 

Namens der SVP beantragte Thomas Zollinger Rückweisung des Kreditantrages von rund 290’000 Franken. Die Kosten, namentlich auch für den jährlich wiederkehrenden Unterhalt, seien zu hoch. Erst später wird der Kanton als Besitzer des neuen Bächleins auch den Unterhalt des Biotops übernehmen. Eine Innovation schlug ein anderes Fiko-Mitglied, Markus Städler, vor: ein Park mit essbaren Wildpflanzen auf der ökologischen Ausgleichsfläche. Somit hätten nicht nur nur die  Tiere, sondern auch die Bevölkerung einen Nutzen. 

Der Rückweisungsantrag der SVP scheiterte. Einwohner- und Ortsbürgergemeinde hätten dank der Kiesgrube aus Entschädigungen bzw. Steuererträgen Millionen kassiert, da sei Sparen bei der Ausgleichsfläche nicht angebracht, meinte Sigi Zihlmann. Zum Wildpflanzenpark sagte Zoologe Christoph Meier (Präsident Grünliberale Bezirk Baden), für viele Tierarten werde der Lebensraum zunehmend knapper, deshalb solle wenigsten einmal der Mensch zugunsten der Tierwelt zurücktreten. Er fand Gehör, der gemeinderätliche Antrag fand klare Zustimmung.

Ein Drittel des 45-seitigen Traktandenbüchleins füllten Antrag, Begründung und Alt-/Neu-Darstellung des Reglements über die Gemeindebeträge an die familienergänzende Kinderbetreuung. Allein der Titel der Vorlage, kurz Elternbeitragsreglement, verhiess keine leicht verständliche Kost. Hatte der Bürokratie-Elefant eine Supermaus geboren? Im letzten Beitrag in diesem Blog wurde dies vermutet und auch begründet. Jedenfalls läuft die Änderung den Bemühungen diametral entgegen, angesichts des Fachkräftemangels (zum Beispiel Lehrpersonen an den Schulen, Pflegepersonal in Spitälern und Pflegeheimen) möglichst viele Mütter oder Väter zu einem früheren Wiedereinstieg ins Berufsleben oder zu höheren Teilzeitpensen zu animieren. 

Anstelle der bisher relativ einfachen Bemessung der Beiträge, welche Eltern an die selbst zu tragenden teilweise sehr hohen  Kita-Kosten erhalten, sollte eine schwerer verständliche Bemessungsmethode treten. Zur die Bemessung des massgeblichen Einkommens sollen neu diverse legitime Steuerabzüge, welche die Antragsstellenden in ihrer Steuererklärung gemacht werden, wieder hinzugerechnet werden. 

Die Vorlage sei eine reine Sparvolage, und abzulehnen, sagte, faktenreich begründet, Christoph Meier. Silvia Schorno namens der kritischen Mitte-Partei stelle einen leicht entschärften Abänderungsantrag. Dieser hatte ebenso wie der Ablehnungsantrag keine Chance. Das neue Regelement wurde mit 122 gegen 19 Stimmen klar angenommen.

Für die Finanzkommission sagte Pascal Renaud-dit-Louis, dass es nicht ums Sparen gehe, sondern darum, Ungerechtigkeiten, welche das alte Reglement mit sich bringe, zu beseitigen. Einige Empfänger hätten dank Steueroptimierung sehr hohe Elternbeiträge erhalten. Das sei ungerecht gegenüber anderen Steuerzahlenden, die keine Abzüge machten oder keine zu betreuende Kinder hätten. Doch mit keinem Wort ging Renaud-di-Louis auf die dank familienergänzende Kinderbetreuung möglich werdenden höheren Steuererträge ein – ein Hauptargument des schweizerischen Frauen-Dachverbandes alliance f für günstigere Elternbeiträge. 

Quasi in Luft aufgelöst hatten sich seit der Info-Veranstaltung des Gemeinderates vor einigen Wochen die damals doch recht hoch bezifferten Mehrkosten, welche die neue Bemessungsmethode verursacht. Sie sollen jetzt gemäss Berechnungen der Finanzverwalterin noch wenige hundert Franken pro Jahr betragen. Möglich trifft dies für die Finanzverwaltung so zu. Aus anderen Gemeinden weiss man aber, dass die neue Berechnungsmethode bei den Gesuchstellenden einen recht hohen Beratungsbedarf auslöst – nur spüren den eben die Sozialdienste und sie sind eine andere Kostenstelle. 

Auf Granit biss auch Daniel Zehnder, der namens des SV Würenlos auf die starke Übernutzung der  Sportplätze hinwies. Ein weiterer Platz mit Kunstrasen sei darum dringend nötig. Zum Glück sei neben dem neuen Sportplatz Tägerhard noch Platz dafür. Der Gemeinderat solle der nächsten Sommer-Gemeindeversammlung einen Baukredit unterbreiten. Der SVW sei bereit, die selbst vorangetriebene Projektierung «vorzuschiessen». 

So gehe das nicht, stellte Gemeindeammann Möckel klar. Das jedem Stimmberechtigten zustehende Vorschlagsrecht sehe nicht vor, dass Begehren, die der Gemeinde Kosten verursachen, ausserhalb des ordentlichen Budgetierungsweges gestellt werden könnten. Wenn die Versammlung dem Vorschlag des SVW zustimme (was sie auch tat), sei der  Gemeinderat aber bereit, sich um das Anliegen des SVW zu kümmern. Im nächsten Sommer werde man bestenfalls einen Projektierungskredit beantragen können.

Warum auch einfach, wenn es kompliziert geht?

Arbeiten und die Kinder in der Kita betreuen lassen, ist auch für Mittelstandsfamilien oft eine Kostenfrage. Bild freepic

Die Gemeindeversammlung vom 5. Dezember entscheidet darüber, ob Würenlos die Bemessungsmethode ändern soll für Gemeindebeiträge an Eltern oder Alleinerziehende, welche Kinder in der Kita betreuen lassen. Ziel ist offenbar, auf Kosten von Familien einige zehntausend Franken einzusparen. Doch der Methodenwechsel ist schwach begründet. 

Gut 50 Elternpaare oder Alleinerziehende mit 80 Kindern erhalten in Würenlos Gemeindebeiträge an die von ihnen zu tragenden Kosten der familienergänzenden Kinderbetreuung. Zur Bemessung dieser Beiträge wird auf das steuerbare Einkommen und Vermögen gemäss letzter rechtskräftiger Steuerveranlagung abgestellt. Diese Berechnungsmethode ist gemäss Traktandenbericht des Gemeinderates «klar und einfach und der Aufwand für die Verwaltung so gering wie nur möglich». Rechtsgrundlage ist das Elternbeitragsreglement, dieses habe sich «bisher  in der Anwendung bzw. Umsetzung weitgehend bewährt» – Was will man mehr als eine bewährte schlanke Lösung ohne aufgeblähte Bürokratie? Warum soll das Elternbeitragsreglement partout geändert werden?

Weil die Finanzkommission seit Jahren darauf drängt. Sie will zur Berechnungsmethode wechseln, die auch bei der Bemessung der Krankenkassenverbilligungen und in vielen anderen Gemeinden angewandt wird. Besser muss sie darum nicht sein. Sie ist kompliziert und für Nicht-Fachleute kaum durchschaubar. Ihr Hauptziel scheint darin zu bestehen, ein paar Fränkli zu sparen (bei den Elternbeiträgen ist für Würenlos von CHF 60’000 bis 75’000 pro Jahr die Rede) – wenn diese Fränkli denn nicht vom bürokratischen Mehraufwand (laut Gemeindeammann Möckel etwa 15 Stellenprozente) aufgefressen werden.

Was zum steuerbaren Einkommen aufgerechnet werden soll.

  • Abzüge der Kosten für Liegenschaftsunterhalt, soweit sie den Pauschalabzug übersteigen;
  • Abzüge für Einkäufe in die Pensionskasse und Beiträge an die 3. Säule;
  • Abzüge für wohltätige Spenden;
  • Abzüge für Zuwendungen an politische Parteien;
  • Abzüge für Verluste früherer Geschäftsjahre bei Selbständigerwerbenden.

«Grosszügigerweise» wird bei den Betreuungsbeiträgen auf das Aufrechnen der Krankenkassenverbilligung an das steuerbare Einkommen verzichtet.

An der Info-Veranstaltung des Gemeinderates sagte Toni Möckel, es gelte vor allem, Fehlanreize zu vermeiden. Welche Fehlanreize denn? Im Traktandenbericht steht dazu, es solle mit der  Aufrechnung von steuerlichen Abzügen (siehe roter Text oben) vermieden werden, dass Gesuchstellende, die durch andere Abzüge bereits steuerlich profitieren, «zusätzlich auch bei den Gemeindebeiträgen an die familienergänzende Kinderbetreuung profitieren.»

Wie wenn da eine mit dem anderen etwas zu tun hätte. Mit leuchtet nicht ein, weshalb eine Familie mittleren Einkommens mit höheren Kitataxen bestraft werden soll, wenn sie ihr baufälliges Eigenheim mit einer Investition, die den Pauschalabzug übersteigt, renoviert. Oder weshalb diese Familie abzustrafen ist, wenn sie Beiträge an die 3. Säule bezahlt, um später einmal der Armutsfalle Pflegeheim zu entgehen. Und wie kleinkariert ist erst die Aufrechnung von wohltätigen Spenden! 

Die Schweiz ächzt unter dem Fachkräftemangel. Überall fehlts an gut ausgebildetem Personal. An Schulen, in Spitälern, Dienstleistungs- und Produktionsbetrieben. Wie paradox und von gestern ist da eine Bemessungsmethode, welche junge Mütter (oder Väter) eher von Erwerbsarbeit  fern hält statt sie dazu zu ermuntern. Längst ist erwiesen, dass schon bei einem mittleren Familieneinkommen für den zweitverdienenden Elternteil sich die Erwerbsarbeit ab einem 40-50%-Pensum nicht mehr lohnt, wenn die Familie auf Kitabetreuung angewiesen ist. Die Kita-Kosten und die höheren Steuern fressen das zusätzliche Einkommen auf.

Durch die Politlandschaft geistern die unterschiedlichsten Rezepte, wie der Fachkräftemangel zu entschärfen sei. Eines der klügsten Rezepte ist, das in der Schweiz bereits ansässige Reservoir an qualifizierten Arbeitskräften voll auszuschöpfen. Dazu gehören auch Anreize, damit Mütter mit Kindern, höhere Arbeitspensen übernehmen bzw. wieder ins Erwerbsleben zu treten, solange ihre Kenntnisse noch up-to-date sind.  

Im vergangenen März hat der Nationalrat eine parlamentarischen Initiative gutgeheissen, wonach der Bund künftig verpflichtet wäre, bis zu 20 Prozent der Elternbeiträge an Kindertagesstätten zu übernehmen. Das will die  zuständige Ständeratskommission nicht und favorisiert stattdessen einen Vorschlag,  wonach die Arbeitgeber zu höheren Familienzulagen verpflichtet werden sollen. Für alliance f, die überparteiliche Dachorganisationen von rund 100 Frauenverbänden in der Schweiz,  brächte dieser Vorschlag  den Familien kaum etwas, würde aber die Arbeitgeber viel kosten. 

alliance f bevorzugt die stärkere Verbilligung der familienergänzenden Kinderbetreuung. Umso mehr, als diese unter dem Strich für den Staat sehr preiswert ist. Es gibt darüber mehrere Studien. (mehr darüber). Sie kommen zum Schluss, dass jeder investierte Franken in Form von höheren Steuererträgen usw. wieder zurückkomme. Ergänzung vom 2. Dez. 2023: An der vom Krippenpool Baden, Wettingen, Ennetbaden und Obersiggenthal beim Berner Institut BASS bestellte Studie wurde etwa  die Berechnungsart des gesellschaftliche Nutzens von staatlich geförderten Kitas  in Franken und Rappen, aber die Grundaussage  wurde nicht widerlegt. Und seit Erscheinen dieser Studien vor etlichen Jahren dürfte die Kinderbetreuung in einer Kita noch massiv an volkswirtschaftlicher Bedeutung gewonnen haben. 

Meiner Meinung nach täte Würenlos gut daran, bei der bisherigen Beitragsbemessung zu bleiben. Die These, diese Bemessungsmethode schaffe Fehlanreize, könnte rasch in sich zusammenfallen, sollten dank verbilligter Betreuungstaxen auch nur einige Dutzend Elternteile zusätzlich in qualifizierten Berufen erwerbstätig werden oder mit höheren Arbeitspensen arbeiten. Die steigenden  Familieneinkommen würden der Gemeinde (und dem Kanton) zu höheren Steuereinnahmen verhelfen. Eine win-win-Situation.

Im Keller wird’s interessanter als in der Halle

Würenlos erwacht aus der politischen Winterruhe. Am 6. Juni findet die Sommer-Gemeindeversammlung statt. Zuvor aber, und das gilt es sich zu merken, am 16. Mai informiert der Gemeinderat im Gmeindschäler über allerhand. Und dieser Abend verspricht mehr Spannung als jener drei Wochen später in der Mehrzweckhalle. 

Lokalpolitisch dauernd der Teufel los – nein, so ist’s nicht in Würenlos . Man gönnt sich regelmässig längere Durchhänger. Wir scheinen nachgerade danach zu dürsten, von lokalpolitischen Fragen und Querelen möglichst lange verschont zu bleiben. Was nichts daran ändert, dass trotzdem längst nicht alles in Butter ist..

Die Behörden schätzen natürlich Phasen, in denen sie unbelästigt von unangenehmen Fragen und aufsässigen Nörglern ihres Amtes walten können. Und stattdessen unbeschwert an allerlei Anlässen sportlicher, wirtschaftlicher oder wohltätiger Natur unverfängliche Kontakte mit der Bevölkerung pflegen können. Doch sich mal öffentlich zu Wort melden, wenn’s nicht gerade brennt? Denkste.  Nur ja keine schlafenden Hunde wecken

Auch würenblicker hat sich einlullen lassen und hat die digitale Feder eine Zeit lang zur Seite gelegt. Doch nicht zu früh gefreut, Freunde! Es war ja rund um uns herum genug los, was Expertinnen und Experten aus allen Löchern kriechen und sich äussern liess. Zu ach so reizenden Mitmenschen auf Fussball- und Finanzplätzen, zu aufrechten und vielleicht sogar aufrichtigen Eidgenoss:innen, zu königlichen Kronen und darunter steckenden Häuptern… Langweilig wurde es uns jedenfalls nicht.  

In Würenlos scheint die politische Schonzeit, die nach der Referendumsabstimmung ums Alterszentrum ausbrach, ihrem Ende entgegen zu gehen. Kurz bevor es in die längere Sommerpause geht, steht noch eine Gemeindeversammlung an. Am Dienstag, 6. Juni. Die Traktanden sind bereits bekannt. Gähhhn. Es werden keine Entscheidung zu fällen sein, die schwerer fallen dürfte als jene, welche sich jeweils ganz zuletzt stellt, nachdem sich die Wand in den hinteren Teil der Halle geöffnet hat: «E Chli Wiisse, oder doch es Bierli oder öppe gar en Orangschesaft?

Ein kleiner Tipp: Wenn ich mich nicht irre, stellt sich diese Schicksalsfrage jeweils auch im Anschluss an die grundsätzlich öffentlichen Info-Veranstaltungen des Gemeinderates. Die nächste findet bereits am Dienstag, 16. Mai statt. Im Gmeindschäller (ebenfalls um 19.30h). Und sie verspricht doch um einiges interessanter zu werden als die drei Wochen später stattfindende Gemeindeversammlung. Was wir nicht alles erfahren werden!

1. Weshalb es seit Monaten so ruhig geworden ist um die Gesamtrevision der Allgemeinen Nutzungsplanung. Vielleicht auch, weshalb gleich mehrere fürs Jahr 2022 versprochene Infoveranstaltungen dazu bis heute nicht stattgefunden haben. Nur zur Erinnerung: Die nicht unwichtige Gesamtrevision der neuen Nutzungs- und Bauordnung sollte nach ursprünglichem Zeitplan bis Ende 2021 in trockenen Tüchern sein. Das heisst: Von der Gemeindeversammlung verabschiedet und vom Regierungsrat in Kraft gesetzt. Vor einem Jahr hiess es noch, die entscheidende Gemeindeversammlung könne bestenfalls im Dezember 2023 – also ab jetzt in  7 Monaten –  stattfinden. Und nun? Die neue Nutzungsplanung wird gewiss nicht vor dem Sommer nächsten Jahres in Kraft treten können – im allerallerbesten Fall.

2. Informationen zum Alterszentrum werden für den 16. Mai ebenfalls in Aussicht gestellt: Berichtet werden soll über den Stand des Baubewilligungsverfahrens und über die neue Zusammensetzung des Verwaltungsrates der Alterszentrum Würenlos AG. Wer übernimmt den durch Demission von Gemeindeammann Toni Möckel frei werdenden Verwaltungsratssitz – die Stelle war öffentlich ausgeschrieben. Und wer folgt Möckel auf dem VR-Präsidentenstuhl?

3. Die Rede wird auch sein von einem Fernwärmeprojekt für Würenlos. Und wer weiss, vielleicht sickert auch etwas von anderen Themen durch, die schon lange in der Pipeline stecken: Etwa über eine neue Unternehmensstrategie der Technischen Betriebe TBW oder darüber, was eigentlich der Stand ist bei der Umgestaltung der Land- und der Schulstrasse – beides Strassen in kantonalem Hoheitsbereich, aber im Gemeindehaus steht man ja hoffentlich diesbezüglich in engem Kontakt mit dem Kanton.

Alterszentrum: Verwelkende Margerite

Reizvolles Zusammenspiel von Zentrumswiese, Furtbach, Alter Mühle und Anhöhe mit der Kirche. Erhaltenswert finden die einen, zusammen mit der kantonalen Denkmalpflege. Nein, genau dahin müsse das Alterszentrum zu stehen kommen, meinen die anderen. Dorfidyllen wie diese hätten wir noch einige. (Bild: würenblicker)

Am 12. März stimmen wir Würenloserinnen und Würenloser darüber ab, ob der insolvent gewordenen Alterszentrum Würenlos AG mit einer Viertelmillion Franken unter die Arme gegriffen werden soll. Das Geld benötigt die gemeindeeigene AG hauptsächlich, um die vom Gemeinderat verweigerte  Baubewilligung für das Alterszentrumsprojekt Margerite auf dem Rechtsweg doch noch erkämpfen zu können. Anders als Margerite-Befürworter behaupten, macht ein «Ja» aber noch längst nicht «den Weg frei für ein Alterszentrum im Herzen von Würenlos». 

Die Margerite-Geschichte für jene, die sie nicht schon kennen. Links anklicken und lesen.

Worum geht es in der Abstimmung?

Die Alterszentrum Würenlos AG (AZ AG) ist aktuell praktisch pleite. 2016 hatte die Gemeindeversammlung beschlossen, für den Bau des Alterszentrum diese AG zu gründen und ihr einen Rahmenkredit von 4 Mio. Franken zu gewähren. Von dem wurden vorerst 1,5 Mio. Franken zur Auszahlung freigegeben. Dieses Geld war rascher ausgegeben als geplant. Der Verwaltungsrat der AZ AG hatte die Kontrolle über die Ausgaben vernachlässigt und es versäumt, rechtzeitig um die Freigabe zusätzlicher Mittel zu ersuchen. 2022 war die AG verschuldet und ihr fehlte das Geld, um die Baubewilligung für das Projekt Margerite auf dem Rechtsweg doch noch zu erstreiten. Der Gemeinderat hatte das Baugesuch ablehnen müssen, da der Kanton, genauer die kantonale Denkmalpflege, die erforderliche Zustimmung verweigert hatte.

Die Denkmalpflege vertritt den Standpunkt, das Projekt Margerite stehe am falschen Ort auf der Zentrumswiese. Der Neubau zerstöre die Einheit von Wiese und Furtbach und beinträchtige das Ortsbild zu stark, namentlich die unter kommunalem Schutz stehenden Bauten Alte Mühle und Turm der katholischen Kirche.

«Notfallmässig» hat die Gemeindeversammlung im Dezember 2022 schliesslich doch noch zwei weitere Kredittranchen genehmigt. Die eine in der Höhe von 350’000 Franken zum Tilgen bereits aufgelaufener Schulden ist mittlerweile rechtskräftig. Gegen die andere in der Höhe von 250’000 Franken, mit der das Rechtsmittelverfahren (Anwalt- und Verfahrenskosten) und der Weiterbetrieb der AG (Verwaltungsratshonorare, andere Unkosten) finanziert werden sollen, ist das Referendum ergriffen worden.

Die Erfolgschancen, auf dem Rechtsweg doch noch zur Baubewilligung für das Projekt Margerite zu kommen, schätzt die AZ AG auf «knapp 50%» ein, für das Referendumskomitee liegen sie weit darunter. Deshalb sei es klüger, schon jetzt die Reissleine zu ziehen und das so eingesparte Geld in ein neues Projekt mit grösseren Realisierungschancen zu investieren.  Nach dem Motto «Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende». 

Was geschieht, wenn eine Mehrheit «Ja» stimmt?

Die Alterszentrum Würenlos AG erhält das Geld, um sich gegen die Verweigerung der Baubewilligung zu wehren. Der Rechtsweg führt falls nötig über drei Instanzen: Regierungsrat, Verwaltungsgericht, Bundesgericht. Das Verfahren vor dem Regierungsrat ist bereits hängig. Ob ein für die AZ AG ungünstiger Entscheid ans Verwaltungs- und allenfalls gar ans Bundesgericht weiter gezogen würde, lassen die AG und der Gemeinderat noch offen. Die AZ AG erhält auch die Mittel, um ihr Funktionieren vorerst sicherzustellen ( Verwaltungsratshonorare, andere Unkosten).

Entscheidet der Regierungsrat zugunsten der AZ AG, so wäre dies aber nur ein Teilerfolg für die AG. Denn die privaten Einwender im Baubewilligungsverfahren lassen keinen Zweifel daran, dass sie eine nachträglich erteilte Baubewilligung anfechten würden. Ins jetzige Verfahren vor Regierungsrat sind sie nicht involviert, weil die auf Druck des Kantons erfolgte Verweigerung der Baubewilligung durch den Gemeinderat durchaus in ihrem Sinn lag. 

Was geschieht bei einem «Nein»? 

Der Entscheid der Gemeindeversammlung wird annulliert. Die 250’000 Franken aus dem Rahmenkredit werden nicht freigegeben. Unklar ist, welche Möglichkeiten bestünden, damit die Alterszentrum AG trotzdem den Konkurs vermeiden und den Rechtsweg allenfalls weiter beschreiten könnte. Abgesehen von einem ungeschickten Vorpreschen von Toni Möckel, dem Gemeindeammann und VR-Präsidenten der Alterszentrum Würenlos AG, hat sich der Gemeinderat dazu bisher nicht geäussert.

Ein «Nein» an der Urne würde wohl je nach Interessenlage unterschiedlich interpretiert. Als generelles Nein zu einem Alterszentrum der Gemeinde in irgendeiner Form dürfte es aber nicht interpretiert werden. Zu offensichtlich ist der in Jahrzehnten entstandene Nachholbedarf beim Wohnen im Alter. 

Wie kommt Würenlos schneller zu einem Alterszentrum?

Ob bei einem «Ja» oder bei einem «Nein» an der Urne, das kann im Moment niemand mit Gewissheit sagen. Alle bisher genannten Daten für die Eröffnung des Alterszentrums haben sich als krasse Fehleinschätzungen erwiesen. Werden zwei oder drei Rekursinstanzen angerufen, vergehen rasch Jahre. Ebenso, wenn das Projekt Margerite nach einem «Nein» beerdigt und ein anderes Projekt – wo auch immer, wie gross auch immer – aufgegleist und realisiert würde.

So oder so ist die Abstimmung wichtig. Da am 12. März keine kantonale oder eidgenössische Vorlage zur Abstimmung kommt, ist eine eher tiefe Stimmbeteiligung zu erwarten. Bei einer 35%igen Stimmbeteiligung würden etwa 1500 Stimmberechtigte über die Vorlage entscheiden (an der Gemeindeversammlung waren es 172 Stimmberechtigte). Der Entscheid an der Urne könnte knapp ausfallen, knapper jedenfalls als an der Gemeindeversammlung (60% Ja). Es hängt wesentlich davon ab, welches Lager mehr Abstimmende mobilisieren kann.  Eine Petition im Sommer 2022 zugunsten des Projektes Margerite fand 483 Unterstützende, das Referendum gegen die 250’000-Franken-Geldspritze kam mit 507 gültigen Unterschriften zustande. 

Die bisherige Planung ist keine Erfolgsgeschichte. Vielleicht in bester Absicht, nach Jahrzehnten vergeblichen Bemühens raschmöglichst zu einem Alterszentrum zu kommen, sind Dinge passiert, die so nie hätten passieren dürfen, die hätten vermieden werden können oder die zumindest sehr viel besser hätten erklärt werden müssen. (Siehe grau unterlegte Textbox am Schluss)

Die Gesamtheit dieser Vorkommnisse hat das Vertrauen in den Verwaltungsrat der AZ AG, ein Stück weit aber auch in den Gemeinderat (=Generalversammlung der AZ AG) erschüttert. Werden sie das «Abenteuer Margerite» aus der verfahrenen Situation herausführen können? Dass VR-Präsident Toni Möckel nun seinen Rückzug aus der AZ AG angekündigt hat, aber noch nicht klar ist, wer an seine Stelle treten wird, erleichtert uns Stimmberechtigten die Entscheidung nicht.

Man braucht sich nicht zu schämen, Vorbehalte gegenüber dem Projekt Margerite zu haben. Ich persönlich habe mich von Anfang an sehr gewundert, weshalb ausgerechnet dieses Projekt im seinerzeitigen Studienwettbewerb das Rennen gemacht hat. Später haben mich die zutage getretenen Fehler, Demokratie- und Informationsdefizite immer stärker gestört. Ich halte die jetzige Situation für derart verfuhrwerkt, dass die personellen und finanziellen Mittel besser für einen gut überlegten Neuanfang beim Wohnen im Alter eingesetzt werden.

Der Weg ins Desaster
Eine subjektive Einschätzung, zu der würenblicker nach reiflicher Überlegung gelangt ist.
Verzicht auf einen Gestaltungsplan für das Gesamtareal Zentrumswiese, Rössli, Post.
Irreführender (behördenverbindlicher) Masterplan plus für das Zentrumsareal.
Mangelnde Sensibilität gewisser Akteure fürs Ortsbild in einer stark wachsenden Agglomerationsgemeinde.
Viel zu später Einbezug der Kant. Denkmalpflege in die Planung.
Ignorieren von kritischen Stimmen (z.B. Ortsbildschutzkommission).
Versuch, das Postareal an eine Spekulantengruppe zu verscherbeln, bevor der Zweck des seinerzeitigen Kaufs (Spielraum für die Planung Alterszentrum) erreicht war.*
Vernachlässigte Kostenkontrolle/Illiquidität der Alterszentrum AG. Eine Peinlichkeit sondergleichen. Als Ausrede musste sogar der Tod eines Verwaltungsratsmitglieds herhalten, wie wenn ein Verwaltungsratsgremium als Ganzes nicht verantwortlich wäre für eine ordnungsgemässe Geschäftsführung.
Bessere Verkehrserschliessung der Zentrumswiese bis heute nicht gesichert.* 
(*Anträge dazu von der Gemeindeversammlung 2021 zurückgewiesen)