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Wachstumsstopp: Verdichtet wohnen muss kein Stress sein

Sollen in Würenlos künftig nicht mehr Leute als jetzt?
Sollen in Würenlos künftig nicht mehr Leute leben als jetzt?

In Würenlos hat sich ein Verein für ein lebenswertes Würenlos gebildet. Er gibt sich als parteiunabhängig aus und tritt  für eine Stabilisierung der Bevölkerungszahl und für Zurückhaltung beim verdichteten Bauen ein.  Was der Verein sonst noch im im Schilde führt, um unsere offenbar durchs Bevölkerungswachstum und Dichtestress bedrohte Lebensfreude zu heben,  bleibt auch nach der Gründungsversammlung, einem Werbeflyer  und  Berichten im «Badener Tagblatt» und in der «Limmatwelle» ziemlich nebulös.

An der Gründungsversammlung nahmen laut den Medien 30 – 40 Interessierte teil. Gewählt wurde auch ein Vereinsvorstand. Ihm gehören an: als Präsident Jürg Frei,  rasender Reporter vom tbwnet-TV,  Thomas Zollinger, Pascal Renaud, Vanessa Bratschi, Fabienne Speckert und Emil Moser.  Zollinger ist Grossrat und präsidiert die SVP-Ortspartei. Wie FDP-Mitglied Renaud gehört er der örtlichen Finanzkommission (Fiko) an. Renaud  präsidiert diese neuerdings. Moser hat 2022 erfolglos für die SVP als Ersatz-Stimmenzähler kandidiert. – Soviel zur parteipolitischen Unabhängigkeit.

Schon auf dem Werbeflyer haben die Gründerväter des Vereins einen bunten Strauss von Vereinszielen präsentiert. Schnell sei aber  an der Gründungsversammlung klar geworden, so das BT, dass der Verein vor allem ein Ziel verfolge: «Der Verein will die Revision der Bau- und Nutzungsordnung (BNO) verhindern.» Ob der Verein wirklich aufs Ganze gehen wird?

Jedenfalls bietet sich der Verein all jenen als Sammelbecken an, die aus persönlichen Interessen mit gewissen Bestimmungen in der BNO (an der von Fachplanern und einer Kommission jahrelang gefeilt wurde)  hadern.  Oder die sonst das Gefühl haben, sie fänden mit ihren Anliegen im Gemeindehaus zu wenig Gehör.

Man hört, an der Versammlung seien durchaus mehrere kritische Voten zu hören gewesen. Nicht bloss jenes von Ex-Gemeinderat Markus Hugi, der im BT ausgiebig zitiert wurde.

Dem  verbreiteten Anliegen, die Einwohnerzahl nur moderat wachsen zu lassen, kam der Gemeinderat schon vor Beginn der BNO-Totalrevision weit entgegen. Er legte für 2030 eine Zielgrösse von 7300 Einwohnern fest. Die Verdichtungsvorgaben des Kantons (90 Personen pro Hektare bei Neubauten)  hätten eigentlich nach einer höheren Zielgrösse gerufen. Einige Tricks sollten es richten. Doch  der erste zur Vorprüfung nach Aarau geschickte BNO-Entwurf  wurde zurückgewiesen. Im zweiten Anlauf   könnte es nun klappen. Vorausgesetzt die Umzonungen, die offenbar in der neuen BNO geplant sind, werden erfolgen.

Zwei Umzonungen passen dem neue Verein  nicht. Erstens jene des noch unbebauten Gebietes «Im Grund» hinter dem Steinhof von der Gewerbe- in eine Wohnzone. Und zweitens die Umzonung des «Rosenfelds» zwischen reformierter Kirche und Schulstrasse von der Zone für öffentliche Bauten in eine Wohnzone (eine Kirchgemeindeversammlung hat sich allerdings gegen eine Überbauung ihres Landstücks ausgesprochen).

Beim grösseren Areal «Im Grund» scheint mir ein Verzicht auf die Umzonung riskant und wenig sachgerecht. Im Tägerhard ist ein neues Gewerbegebiet entstanden, das für diesen Zweck viel besser geeignet ist. Bleibt das Areal «Im Grund» in der Gewerbezone, so könnte es weiterhin auch  mit Gewerbebauten überstellt werden. Dann wäre für Generationen eine der besten Lagen in Würenlos fürs Wohnen verloren. Keine Umzonung –eine Eselei.

Die betroffenen Landeigentümer seien an einem Landverkauf gar nicht interessiert, heisst es. Mag sein. Doch  das Geschwisterpaar ohne Nachkommen steht im Rentenalter und Immobilienhaie von nah und fern dürften bereits in den Startlöchern lauern.

«Würenlos bleibt ein Dorf, Stabilisierung der Bevölkerungszahl» stand zuoberst auf dem Werbeflyern.  Doch was für ein Dorf soll es bleiben? Ich vermute: Die Vereinsleute sehen in einem «Dorf»  einzig den positiven Gegenpol zur bösen Stadt, in der alles schlechter ist. Für einen Ort ist «Dorf» indes längst kein  Qualitätsattribut mehr, das für sich selber spricht.

Viele Dörfer  funktionieren nur noch mehr schlecht als recht: Die letzte Beiz verrammelt, der Lebensmittelladen bestenfalls dahinsiechend, die Post eine Viertelstunde Fahrzeit entfernt, das Vereinsleben am Abserbeln, Behördenämter kaum mehr zu besetzen.

Das trifft alles nicht auf Würenlos zu. Wir sind ein recht gut funktionierendes Dorf mit durchmischter Bevölkerung. Nicht zuletzt dank des Wachstums in den letzten Jahrzehnten. Als ich vor gut 40 Jahren hierher zog, lebten etwa 3250 Menschen hier – nicht mal die Hälfte von heute.

Natürlich hat sich seither Vieles verändert. Aber haben nicht auch wir uns verändert? Einige mögen noch den Miststöcken nachtrauern, welche die Dorfstrasse säumten. Aber sind heute Miststöcke noch Garanten eines funktionierenden Dorfes? Ich wette, dass Würenlos auch mit einer Bevölkerung von 8000 oder 10 000 ein beliebter Wohnort bleiben kann. Die Bevölkerungszahl einzufrieren führt nicht zu einem Dorf, in dem sich alle wohlfühlen. 

Das deklarierte Vereinsziel «Qualitatives statt quantitatives Wachstum» ist eine  Leerformel, die mittlerweile im Leitbild auch des letzten Kaffs zu finden ist. Unter qualitativem Wachstum versteht  jedes Individuum genau das, was ihm gefällt oder nützt. 

Der eine liebt flächendeckend Tempo 30, die andere geniesst die schrankenlose automobilistische Freiheit. Die einen finden es so cool, im Dorf bis frühmorgens Party zu machen, die anderen wollen Ruhe, zählen senkrecht im Bett stehend jedes Schäppern eines  Getränkeharasses. Die einen erfreuen sich an schönen Gärten in der Nachbarschaft, andere geniessen ihre Privatsphäre hinter abweisenden Sichtschutzwänden.

Jedenfalls ist Wohnen in Würenlos beliebt. Neu erstellte Wohnungen und Einfamilienhäuser bleiben meist nicht lange unverkauft oder unvermietet. Die Preise für Bauland und Wohneigentum zeigen seit Jahren nur nach oben.  

Eine zusätzliche Verknappung des Wohnungsangebotes wie vom Verein angestrebt, könnte die Wohnkosten vollends durch die Decke schiessen lassen. Im Kanton Zug, aber auch an den Zürichseeufern (ZH und SZ) lässt sich  beobachten, wohin das führt. Die Bevölkerungzusammensetzung verändert sich rapid – eine Sache von Jahren, nicht Jahrzehnten. Alteingessene werden verdrängt von finanziell besser gestellten Neuzuzügern. Gentrifizierung heisst das im Fachjargon.  Vielleicht gefällt die Idee, die Bevölkerungsgrösse einzufrieren,  den beiden erwähnten Fiko-Mitgliedern  gerade deshalb so gut, weil sie von der Gentrifizierung mehr gute Steuerzahler erwarten.  Immerhin sind die beiden bisher vor allem durch ihren doch sehr engen finanzpolitischen Tunnelblick aufgefallen.

Im übrigen darf aus der Dauerpräsenz von Baukränen in unserem Siedlungsgebiet nicht auf ein übermässiges Bevölkerungswachstum in Würenlos geschlossen werden. Zwischen 2019 und 2023 ist die Bevölkerung gerade mal um 366 Personen oder 5,6% angewachsen. Zum Vergleich: Killwangen +10%, ganzer Kanton +6.2%.

«Zurückhaltung bei baulicher Verdichtung»  – noch ein verfängliches Vereinssziel.  Wie wenn es nicht längst überzeugende Beispiele architektonisch guter Verdichtung gäbe. Nicht weniger, sondern bessere Verdichtung sollte der Verein fordern. Mehr visionäres Denken und Mut zu Neuem würde unserem Dorf und auch diesem Verein gut anstehen. 

Was sich südlich des Bahnhofs tun soll

Der Gemeinderat hat den Entwicklungsrichtplan für die Gebiete Bahnhof, Gewerbe Grosszelg und Im Grund sowie Wohngebiet Steinhof /Im Grund veröffentlicht. Mit dem Planwerk sagt der Gemeinderat, wie sich dieses Baugebiet, das teils stark unternutzt, teils noch nicht überbaut ist, in den nächsten Jahrzehnten entwickeln soll. Diese Zielvorstellung spurt nächste Planungsschritte vor.

Der Entwicklungsrichtplan betrifft fast das ganze Gebiet zwischen Bahnlinie (oben), Landstrasse (rechts) und Hürdlistrasse (unten). (Bild aus der Publikation der Gemeinde).
Der Entwicklungsrichtplan betrifft fast das ganze Gebiet zwischen Bahnlinie (oben), Landstrasse (rechts) und Hürdlistrasse (unten). (Bild aus der Publikation der Gemeinde).


Das Wichtigste in Kürze:

Nutzung (Download Richtplankarte : entwicklungsrichtplan_im_grund_nutzungen_zonen_ortsbild:

  • Wohn- und Gewerbezone WG3 im vorderen Areal Steinhof (entlang Landstrasse). Gasthof-Kopfbau und Gartenwirtschaft sollen erhalten bleiben.
  • Wohnzone im hinteren Areal Steinhof und im angrenzenden Gebiet Im Grund, dreigeschossig, in einem Streifen links und rechts der Grundstrasse zweigeschossig (je plus Attika). Damit wird die Siedlungsstruktur des Quartiers Hürdli grossomodo übernommen. Das Land westlich der Grundstrasse müsste aber erst eingezont werden.
  • Gewerbezone Bahnhof sowie Grosszelg. Vorrangig bleibt die gewerbliche Nutzung. Wohnungen dürfen nur für Hauswarte bzw, Betriebsinhaber gebaut werden. Im Dreieck südlich des Bahnhofs (heute Tankstelle und Lagerschuppen) soll die neue Landi gebaut werden.

Verkehr–Download Richtplankarte Mobilität, Verkehr, Parkierung und Erschliessung: entwicklungsrichtplan_im_grund_mobilitaet_verkehr_erschliessung_parkierung

  • Ganzes Gebiet Bahnhof (mit P&R und neuer Landi) + Gewerbegebiet Grosszelg: Zu- und Wegfahrt via Bahnhofstrasse.
  • Gebiet Steinhof: Zu- und Wegfahrt ab Landstrasse mit neuer Stichstrasse. Parkplatz Gasthof wie bisher.
  • Wohngebiet Im Grund: Zu- und Wegfahrt ab Landstrasse via Lättenstrasse-Hürdlistrasse.
  • Neue Fusswege zwischen Hürdlistrasse und Bahnhof, zwischen Juch- und Lättenstrasse sowie Unterführung für Langsamverkehr bei der SBB-Barriere.
  • Neue Streckenführung des Ortsbusses: ab Bahnhof via Grosszelgstrasse-Grundstrasse-Hungerbühlstrasse-Lättenstrasse in die Landstrasse. Alternative: Ab Hungerbühlstrasse via Juchstrasse.
  • Als blosse Option: Bahnüberführung Grundstrasse – Tägerhardweg für Velos und allenfalls Busse.

Der Entwicklungsrichtplan enthält auf den ersten Blick viele vernünftige Ideen und  Anordnungen. So werden für fürs Wohngebiet Im Grund sowie das gesamte Steinhof-Areal Sondernutzungspläne (Erschliessungs- und Gestaltungspläne) vorgeschrieben. Die Parkierung soll hier unterirdisch sein und es ist Raum für einen Kindergarten (allenfalls Kindertagesstätte) vorzusehen. Download Bestimmungen: entwicklungsrichtplan_im_grund_bestimmungen

Der nun vorgelegte  Entwicklungsrichtplan ist der Versuch, möglichst allen der sich teilweise widersprechenden Interessen Rechnung zu tragen.  Damit soll wohl eine noch längere Blockierung von Bauvorhaben in einzelnen Gebieten (z.B. Steinhof) vermieden werden. Der Kompromiss hat Schwachstellen. So sollen bestehende Wohngebiete durch den entstehenden Mehrverkehr möglichst wenig belastet werden. Mit der Erschliessung des neuen Wohngebiets im Grund (via Hürdlistrasse) geschieht aber genau das im Quartier Hürdli. Wäre aber die an sich sinnvollere Verkehrserschliessung via Bahnhof- und Grosszelglistrasse gewählt worden, hätte wohl die Landi ihren Grossmarkt nie bauen können. Auch so wird sie zuwarten müssen, bis für die schwierige Verkehrssituation bei der Einmündung der Bahnhof- in die Landstrasse eine Lösung nicht nur gefunden, sondern auch realisiert ist. .

Überhaupt: Die Verkehrserschliessung ist – wie schon wiederholt dargestellt – die Krux bei diesem Planungsvorhaben. Die schwierigen Rahmenbedingungen und auseinandergehenden Meinungen von Gemeinderat und Kanton erschweren den Planungsprozess wohl auch weiterhin.

Der Entwicklungsrichtplan hat eine längere Vorgeschichte. Im Rahmen eines sogenannten Testplanverfahrens machte ein Expertenteam schon 2010 Vorschläge für die bauliche Entwicklung in diesem Gebiet. Dem Gemeinderat passten diese Ideen aber nicht und er beauftragte die Zürcher Raumentwicklungsfirma SwissSpaGroup (Ex-Würenloser Rolf Wieland ist Mitglied der Geschäftsleitung) mit der Ausarbeitung des Entwicklungsrichtplans.

Mitgeredet hat eine 14-köpfigen Arbeitsgruppe unter Vorsitz von Gemeindeammann Hans Ueli Reber. Ihre Besetzung ist beachtenswert: Dabei waren je zwei Vertreter des Bauamtes, der Planungskommission, des mit der Ortsplanung beauftragten Büros Minikus Vogt & Partner AG,  je ein Vertreter der Steinhof-Grundstücke und des Expertenteams im Testplanverfahren sowie – man staune – volle vier  Landi-Interessenvertreter (wobei bei einem im Bericht der SwissSpaGroup die enge Beziehung zur Landi unerwähnt bleibt.)

In einem sogenannten Mitwirkungsverfahren können nun Landeigentümer und Anstösser, denen das Planwerk an einer Versammlung vorgestellt wurde, bis 1. Oktober schriftlich Stellung nehmen. Die Eingaben werde der Gemeinderat bewerten und beurteilen und im Entwicklungsrichtplan berücksichtigen, heisst es in der Mitteilung auf der Gemeinde-Homepage. In einem Mitwirkungsbericht wird der Gemeinderat sagen, wie er die Eingaben bewertet hat.

Den Entwicklungsrichtplan beschliessen kann der Gemeinderat. Damit wird der Plan für den Gemeinderat, nicht aber für die Grundeigentümer verbindlich. Der Regionalplanung und dem Kanton wird er zur Kenntnisnahme unterbreitet. Die Gemeindeversammlung kommt erst zum Zug, wenn die Bauordnung und der Zonenplan abgeändert oder Projektierungs- und Baukredite nötig werden (z.B für Strassen).