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Wachstumsstopp: Verdichtet wohnen muss kein Stress sein

Sollen in Würenlos künftig nicht mehr Leute als jetzt?
Sollen in Würenlos künftig nicht mehr Leute leben als jetzt?

In Würenlos hat sich ein Verein für ein lebenswertes Würenlos gebildet. Er gibt sich als parteiunabhängig aus und tritt  für eine Stabilisierung der Bevölkerungszahl und für Zurückhaltung beim verdichteten Bauen ein.  Was der Verein sonst noch im im Schilde führt, um unsere offenbar durchs Bevölkerungswachstum und Dichtestress bedrohte Lebensfreude zu heben,  bleibt auch nach der Gründungsversammlung, einem Werbeflyer  und  Berichten im «Badener Tagblatt» und in der «Limmatwelle» ziemlich nebulös.

An der Gründungsversammlung nahmen laut den Medien 30 – 40 Interessierte teil. Gewählt wurde auch ein Vereinsvorstand. Ihm gehören an: als Präsident Jürg Frei,  rasender Reporter vom tbwnet-TV,  Thomas Zollinger, Pascal Renaud, Vanessa Bratschi, Fabienne Speckert und Emil Moser.  Zollinger ist Grossrat und präsidiert die SVP-Ortspartei. Wie FDP-Mitglied Renaud gehört er der örtlichen Finanzkommission (Fiko) an. Renaud  präsidiert diese neuerdings. Moser hat 2022 erfolglos für die SVP als Ersatz-Stimmenzähler kandidiert. – Soviel zur parteipolitischen Unabhängigkeit.

Schon auf dem Werbeflyer haben die Gründerväter des Vereins einen bunten Strauss von Vereinszielen präsentiert. Schnell sei aber  an der Gründungsversammlung klar geworden, so das BT, dass der Verein vor allem ein Ziel verfolge: «Der Verein will die Revision der Bau- und Nutzungsordnung (BNO) verhindern.» Ob der Verein wirklich aufs Ganze gehen wird?

Jedenfalls bietet sich der Verein all jenen als Sammelbecken an, die aus persönlichen Interessen mit gewissen Bestimmungen in der BNO (an der von Fachplanern und einer Kommission jahrelang gefeilt wurde)  hadern.  Oder die sonst das Gefühl haben, sie fänden mit ihren Anliegen im Gemeindehaus zu wenig Gehör.

Man hört, an der Versammlung seien durchaus mehrere kritische Voten zu hören gewesen. Nicht bloss jenes von Ex-Gemeinderat Markus Hugi, der im BT ausgiebig zitiert wurde.

Dem  verbreiteten Anliegen, die Einwohnerzahl nur moderat wachsen zu lassen, kam der Gemeinderat schon vor Beginn der BNO-Totalrevision weit entgegen. Er legte für 2030 eine Zielgrösse von 7300 Einwohnern fest. Die Verdichtungsvorgaben des Kantons (90 Personen pro Hektare bei Neubauten)  hätten eigentlich nach einer höheren Zielgrösse gerufen. Einige Tricks sollten es richten. Doch  der erste zur Vorprüfung nach Aarau geschickte BNO-Entwurf  wurde zurückgewiesen. Im zweiten Anlauf   könnte es nun klappen. Vorausgesetzt die Umzonungen, die offenbar in der neuen BNO geplant sind, werden erfolgen.

Zwei Umzonungen passen dem neue Verein  nicht. Erstens jene des noch unbebauten Gebietes «Im Grund» hinter dem Steinhof von der Gewerbe- in eine Wohnzone. Und zweitens die Umzonung des «Rosenfelds» zwischen reformierter Kirche und Schulstrasse von der Zone für öffentliche Bauten in eine Wohnzone (eine Kirchgemeindeversammlung hat sich allerdings gegen eine Überbauung ihres Landstücks ausgesprochen).

Beim grösseren Areal «Im Grund» scheint mir ein Verzicht auf die Umzonung riskant und wenig sachgerecht. Im Tägerhard ist ein neues Gewerbegebiet entstanden, das für diesen Zweck viel besser geeignet ist. Bleibt das Areal «Im Grund» in der Gewerbezone, so könnte es weiterhin auch  mit Gewerbebauten überstellt werden. Dann wäre für Generationen eine der besten Lagen in Würenlos fürs Wohnen verloren. Keine Umzonung –eine Eselei.

Die betroffenen Landeigentümer seien an einem Landverkauf gar nicht interessiert, heisst es. Mag sein. Doch  das Geschwisterpaar ohne Nachkommen steht im Rentenalter und Immobilienhaie von nah und fern dürften bereits in den Startlöchern lauern.

«Würenlos bleibt ein Dorf, Stabilisierung der Bevölkerungszahl» stand zuoberst auf dem Werbeflyern.  Doch was für ein Dorf soll es bleiben? Ich vermute: Die Vereinsleute sehen in einem «Dorf»  einzig den positiven Gegenpol zur bösen Stadt, in der alles schlechter ist. Für einen Ort ist «Dorf» indes längst kein  Qualitätsattribut mehr, das für sich selber spricht.

Viele Dörfer  funktionieren nur noch mehr schlecht als recht: Die letzte Beiz verrammelt, der Lebensmittelladen bestenfalls dahinsiechend, die Post eine Viertelstunde Fahrzeit entfernt, das Vereinsleben am Abserbeln, Behördenämter kaum mehr zu besetzen.

Das trifft alles nicht auf Würenlos zu. Wir sind ein recht gut funktionierendes Dorf mit durchmischter Bevölkerung. Nicht zuletzt dank des Wachstums in den letzten Jahrzehnten. Als ich vor gut 40 Jahren hierher zog, lebten etwa 3250 Menschen hier – nicht mal die Hälfte von heute.

Natürlich hat sich seither Vieles verändert. Aber haben nicht auch wir uns verändert? Einige mögen noch den Miststöcken nachtrauern, welche die Dorfstrasse säumten. Aber sind heute Miststöcke noch Garanten eines funktionierenden Dorfes? Ich wette, dass Würenlos auch mit einer Bevölkerung von 8000 oder 10 000 ein beliebter Wohnort bleiben kann. Die Bevölkerungszahl einzufrieren führt nicht zu einem Dorf, in dem sich alle wohlfühlen. 

Das deklarierte Vereinsziel «Qualitatives statt quantitatives Wachstum» ist eine  Leerformel, die mittlerweile im Leitbild auch des letzten Kaffs zu finden ist. Unter qualitativem Wachstum versteht  jedes Individuum genau das, was ihm gefällt oder nützt. 

Der eine liebt flächendeckend Tempo 30, die andere geniesst die schrankenlose automobilistische Freiheit. Die einen finden es so cool, im Dorf bis frühmorgens Party zu machen, die anderen wollen Ruhe, zählen senkrecht im Bett stehend jedes Schäppern eines  Getränkeharasses. Die einen erfreuen sich an schönen Gärten in der Nachbarschaft, andere geniessen ihre Privatsphäre hinter abweisenden Sichtschutzwänden.

Jedenfalls ist Wohnen in Würenlos beliebt. Neu erstellte Wohnungen und Einfamilienhäuser bleiben meist nicht lange unverkauft oder unvermietet. Die Preise für Bauland und Wohneigentum zeigen seit Jahren nur nach oben.  

Eine zusätzliche Verknappung des Wohnungsangebotes wie vom Verein angestrebt, könnte die Wohnkosten vollends durch die Decke schiessen lassen. Im Kanton Zug, aber auch an den Zürichseeufern (ZH und SZ) lässt sich  beobachten, wohin das führt. Die Bevölkerungzusammensetzung verändert sich rapid – eine Sache von Jahren, nicht Jahrzehnten. Alteingessene werden verdrängt von finanziell besser gestellten Neuzuzügern. Gentrifizierung heisst das im Fachjargon.  Vielleicht gefällt die Idee, die Bevölkerungsgrösse einzufrieren,  den beiden erwähnten Fiko-Mitgliedern  gerade deshalb so gut, weil sie von der Gentrifizierung mehr gute Steuerzahler erwarten.  Immerhin sind die beiden bisher vor allem durch ihren doch sehr engen finanzpolitischen Tunnelblick aufgefallen.

Im übrigen darf aus der Dauerpräsenz von Baukränen in unserem Siedlungsgebiet nicht auf ein übermässiges Bevölkerungswachstum in Würenlos geschlossen werden. Zwischen 2019 und 2023 ist die Bevölkerung gerade mal um 366 Personen oder 5,6% angewachsen. Zum Vergleich: Killwangen +10%, ganzer Kanton +6.2%.

«Zurückhaltung bei baulicher Verdichtung»  – noch ein verfängliches Vereinssziel.  Wie wenn es nicht längst überzeugende Beispiele architektonisch guter Verdichtung gäbe. Nicht weniger, sondern bessere Verdichtung sollte der Verein fordern. Mehr visionäres Denken und Mut zu Neuem würde unserem Dorf und auch diesem Verein gut anstehen. 

7300 sind zu wenig

Wie gross soll Würenlos noch werden? In der Bevölkerung dürften die Vorstellungen darüber weit auseinander gehen. Umso wichtiger ist eine breite Diskussion zur Gemeindeentwicklung und zwar jetzt. Bevor die Revision der Nutzungsplanung beginnt.

Blau: Die Bevölkerungsentwicklung 2002 – 2017
Rot: Das Wachstumsziel gemäss Leitbild bis 2031

 

Wenn es nach dem Gemeinderat geht, soll Würenlos bis 2030/31 auf 7300 Einwohner anwachsen. Dieses Ziel schrieb er Anfang Januar 2016 in sein Leitbild für die nächsten 15 Jahre. Das Planungsziel ist nicht belanglos. Die Infrastruktur (z.B. Schulraum, Wohnen im Alter) wird darauf ausgerichtet. Die Gefahr von teuren Hauruckübungen, um einer unerwarteten Bevölkerungsentwicklung Rechnung zu tragen, verringert sich.

Ist das Ziel von 7300 Einwohnern bis 2030 richtig? Nach einer stürmischen Wachstumsphase zählten wir Ende letzten Jahres 6361 Einwohner. Der Zuwachs in den letzten 15 Jahren betrug 1478 Personen. Noch 939 Personen soll er gemäss Gemeinderat in den nächsten 15 Jahren betragen. Einigen Leserinnen und Lesern mag ein solches Wachstum immer noch zu gross sein. Sie vermissen das dörflich gemütliche von früher.

Aber Würenlos liegt ja nicht in der Pampa. Für die Statistiker des Bundes gehört unsere Gemeinde aufgrund gewisser statistischen Kriterien (z.B. Pendlerströme) zur Agglomeration Zürich – und nicht etwa zur kleineren Agglomeration Baden. Für die aargauische Raumplanung zählt Würenlos zum urbanen Entwicklungsraum. Hier soll die Entwicklung dynamischer verlaufen als im kantonalen Durchschnitt. Kommt es nicht zu einem drastischen Konjunktureinbruch, werden mehr Leute in Würenlos wohnen wollen. Selbst wenn die Einwanderung als Wachstumstreiber längerfristig abflauen sollte, bleibt die Grossagglomeration Zürich als Arbeits- und Wohngegend hoch attraktiv.

Das Bevölkerungswachstum um 939 Personen relativiert sich, wenn man sich vor Augen hält, was momentan in Bau oder konkret geplant ist – und zwar im Rahmen der jetzigen Bau- und Zonenordnung und damit politisch kaum mehr beeinflussbar. Je über ein Dutzend Wohneinheiten entstehen momentan im Buechzelgli und auf dem Sägereiareal Kempfhofstrasse. Viele weitere werden in naher Zukunft hinzukommen: Auf den Arealen Gatterächer Ost und Huebacher, für die Gestaltungspläne bereits vorliegen, und auf den Arealen Steinhof/Im Grund und Zentrumswiese/Rössli/Post (mit Alterszentrum), für welche die planerischen Leitplanken hoffentlich in absehbarer Zeit montiert werden.

Werden die genannten Areale innert – sagen wir mal – 7 Jahren überbaut, so entstehen mindestens 220 Wohneinheiten, was etwa 500 zusätzlichen Einwohnern entspricht. Dazu kommt, dass schon heute und in den nächsten Jahren in den Wohnquartieren verdichtet wird, was das Zeug hält. Das Potential ist da. Auf Spaziergängen stösst man öfters auf relativ kleine Häuser in grossen Gärten, die förmlich nach Ersatzbauten rufen. Es erscheint somit nicht ausgeschlossen, dass das Wachstumsziel von 7300 Einwohnern  wesentlich früher als 2030 erreicht wird. Und dann wäre Würenlos gebaut?

Das ist unrealistisch. Und wer glaubt, auf diese Weise werde unser Dorf seinen heutigen Charakter am ehesten bewahren, könnte sich irren. Ohne Willen zu starken Lenkungsmassnahmen könnte bei diesem Szenario die Wohnlichkeit im Dorf stark leiden. Um überhaupt noch bauen zu können, würden gesetzliche Gebäudeabstände bis auf den letzten Zentimeter ausgereizt oder mit erkauften Näherbaurechten unterschritten. Vorgärten würden Autoabstellplätzen und Velogaragen  – ohne Kompensation durch Grünflächen im öffentlichen Raum würde das Dorf weniger grün. Eine solche Entwicklung, wie wir sie in den letzten Jahren an einigen Orten im Dorf erlebten, wäre bedauerlich, da minderwertig. Zudem würden bei anhaltend grosser Nachfrage nach Wohnraum die Landkosten und die Mietzinsen übermässig ansteigen. Das kann zur Verdrängung der angestammten Wohnbevölkerung durch finanzkräftigere Zuzüger führen, wie sich etwa im ganzen Kanton Zug zeigt.

Verdichtung ist nicht zum vornherein des Teufels. Sie kann zu sehr befriedigenden Lösungen führen, wenn wir echten Gestaltungswillen und Mut zeigen. Bei der Totalrevision der Allgemeinen Nutzungsplanung, die nun anläuft, wird es genau darum gehen. Und nicht wie bei früheren Totalrevisionen darum, das Siedlungsgebiet nach Lust und Laune der Kulturlandbesitzer auszudehnen. Bund und Kanton setzen Einzonungen enge Grenzen. Zwar billigt die kantonale Raumplanung unserer Gemeinde wegen der hohen Bautätigkeit in jüngster Vergangenheit die Einzonung von 25 000 Quadratmetern Bauland bis 2040 zu. Doch im Vordergrund steht das Wachstum nach innen. Man kann dem auch Verdichtung sagen.

Ein höheres Wachstumsziel von mehr als 7300 Einwohnern bis 2030 wäre eine planerische Herausforderung. Es würde die Gemeinde zwingen, sich intensiver mit der baulichen Entwicklung auseinanderzusetzen. Statt einfach den Ist-Zustand fortzuschreiben, müsste um Lösungen gerungen werden, mit denen sich auch bei erheblich grösserer Bevölkerung die Wohnqualität gesamthaft erhalten oder gar steigern liesse. In späteren Beiträgen wird würenblicker zeigen, wie das möglich wäre. Zum Beispiel mit höheren Bauten an ausgewählten Lagen.

Das rote Häuschen

Würenlos wird in den nächsten vier Jahren seine Nutzungsplanung überarbeiten. Das wird noch viel zu reden geben, auch im würenblicker. Denn es geht um Weichenstellungen für die kommenden Jahrzehnte. Würenlos wird weiter wachsen – die kantonalen Raumplanung zählt unser Dorf zum so genannten «urbanen Entwicklungsraum». Anders als bei früheren Revisionen steht nun nicht mehr die Ausweitung des Siedlungsgebietes im Vordergrund, sondern die bauliche Entwicklung «nach innen». Ein fast schon philosophischer Einstieg ins Thema von Hans Arnold. (Red.)

Inmitten von Neubauten steht das renovierte, dunkelrote Häuschen im Zentrum von Rüti ZH*. (Foto: Leonhard Arnold)

Nicht ganz dicht – unter diesem Titel erschien im «Tages-Anzeiger»  vom 25. Januar ein Text über die bauliche Verdichtung inZentrum von Rüti im Kanton Zürich. Links vom roten Haus (auf dem Bild oben in der Mitte) war ein kleines Hochhaus geplant, als Ergänzung zu den anderen Neubauten. Es gab Einsprachen, und schliesslich einigte man sich auf diese Lösung. An Stelle des Hochhauses entstand ein Neubau (links), der sich architektonisch dem Dorfbild anpasst, und das Häuschen blieb stehen.

Auch Würenlos muss sich in Zukunft mit der Frage der Verdichtung befassen. An der letzten Gemeindeversammlung wurde ein Kredit von Fr. 525’000 für die «Gesamtrevision der Allgemeinen Nutzungsplanung». gesprochen. Überarbeitet wird also das lokale Gesetzeswerk, das besagt, wo und wie gebaut werden darf.

In der Vorlage ist nachzulesen:«Das Raumplanungsgesetz fordert verstärkte Anstrengungen zu einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung nach innen.» Mit dieser Umschreibung wurde der ungeliebte Begriff «Verdichten» geschickt umgangen.

Mich erinnert das Bild dieses Häuschens an ein Szenario, das Sie wahrscheinlich auch bei sich zu Hause antreffen. Als sie Ihre Wohnung einrichteten, kauften sie zeitgemässes Mobiliar. Von Ihrer Grossmutter haben sie einen alten Sekretär oder ein anderes schönes Möbelstück geerbt. Sie freuen sich immer wieder über das Erbstück, denn es ist mit vielen  Erinnerungen verbunden, während sie die anderen Möbel weniger beachten.

Wahrscheinlich nutzen sie dieses Erbstück, um Kinderzeichnungen, Liebesbriefe aus schönerer Zeit oder ähnliche Kostbarkeiten aufzubewahren. Also Sachen, die Sie nicht täglich brauchen, denn die Schubladen sind schwergängig und können nicht voll herausgezogen werden. Gegenstände, die wir täglich gebrauchen, versorgen wir lieber in einem modernen Möbel, bei dem sich die Schubladen auf Rollen ganz herausziehen lassen und sich  von selber wieder schliessen.

Und ist es mit diesem roten Häuschen nicht ähnlich? Alle sehen das Kleinod, viele halten es für das schönste Haus an diesem Ort. Stehen sie aber vor der Wahl, im Altbau oder im Neubau wohnen zu dürfen, werden sie Vergleiche anstellen.

Dieses rote Bijou hat keinen Lift, also wie gelange ich ins Obergeschoss mit meinem kaputten Rücken? Die Türen haben Schwellen, und das ist für meinen Rollator schwierig. Der Balkon ist nur 2 Quadratmeter gross, wie soll ich da einen Liegestuhl und einen Tisch mit Stühlen platzieren? Das Wohnzimmer misst nur 18 Quadratmeter, wie kann ich da meine Sofalandschaft unterbringen? Die Küche ist klein und das Haus hat auch keine Garage, also muss ich mein geliebtes Auto draussen stehen lassen.

Im Neubau hingegen finde ich einen Lift, das Wohnzimmer ist mit 40 Quadratmeter angemessen gross, auf dem Balkon kann ich meine Outdoor-Sofalandschaft unterbringen, ja, und die Küche steht im Wohnzimmer und ist mit den neuesten Apparaten wie Steamer und Mikrowellenofen ausgerüstet. Das erlaubt mir, in Anwesenheit meiner Gäste diese von meinen Kochkünsten zu überzeugen. Schaue ich aus den Fenstern des hübschen Häuschens, sehe ich nebenan stillose Neubauten. Umgekehrt aber, wenn ich aus den Fenstern der Neubauten schaue, habe ich eine schöne Sicht auf das rote Kleinod.

Vielleicht ist die Überbauung in Rüti deshalb ein guter Kompromiss.  Wir wohnen so, wie es unseren Bedürfnissen entspricht und freuen uns am Erbstück in Sichtweite, das von der Vergangenheit erzählt.

*  Rüti ZH figuriert im Inventar der schützenswerten  Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) und zwar in der Kategorie  «verstädtertes Dorf». Würenlos figuriert nicht im ISOS, wohl aber das zu unserer Gemeinde gehörende Kloster Fahr und zwar in der Kategorie «Spezialfall».  Zur Liste aller 1274  schützenswerten Ortsbilder von nationaler Bedeutung geht es hier: ISOS

Altes weicht Neuem

Baustelle an der Ecke Buech-/Buechzelglistrasse.
Baustelle an der Ecke Buech-/Buechzelglistrasse.
Unlängst dem Erdboden gleich gemacht: Der Scheunenteil und die Anbauten am Bauernhaus Ecke Land-/Dorfstrasse.
Unlängst dem Erdboden gleich gemacht: Der Scheunenteil und die Anbauten am Bauernhaus Ecke Land-/Dorfstrasse.

Und stetig knabbert der Baggerzahn. Wer in den letzten Wochen und Monaten durchs Dorf ging, dem konnte es nicht entgehen. Alt-Vertrautes macht Neuem Platz. Das Bauernhaus an der Ecke Dorf-/Haselstrasse wich einem Mehrfamilienhaus der Überbauung Gatterächer, ein Kleinbauernhaus am Brunnenweg zwei Einfamilienhäusern, der Scheunenteil mit der schönen Riegelfassade an der Ecke Land-/Dorfstrasse einem neuen Hausteil.

Und es verschwanden nicht nur solche Gebäude, die noch vom alten, bäuerlichen Würenlos zeugten. Jetzt weichen auch jüngere Häuser, die noch vor einigen Jahrzehnten den Übergang zum  Agglomerationsdorf markierten. Einfamilienhäuser, die ab den 1940er Jahren zum vorherrschenden Gebäudetypus wurden. So knabberte der Baggerzahn anfangs Sommer am Einfamilienhaus mit früherem Kühlhäuschen an der Bachstrasse und jetzt gleichzeitig am Einfamilienhaus an der Ecke Buech-/Buechzelglistrasse und am Eingang zum Buechzelgliring, wo ein stattliches Einfamilienhaus mit grossem Garten zwei Mehrfamilienhäusern mit Tiefgarage wich.

Die letzten Stunden des Kühlhäuschens (vorne)  und des Einfamilienhauses (hinten) an der Bachstrasse.
Die letzten Stunden des Kühlhäuschens (vorne) und des Einfamilienhauses (hinten) an der Bachstrasse.

Alle Ersatzbauten, die entstehen, haben eines gemeinsam: Die Wohnfläche wird grösser, der Umschwung kleiner. Die bauliche Verdichtung schreitet voran. Taktgeber ist der Baulandpreis. In den letzten Jahrzehnten kräftig gestiegen, lässt er Landkäufer zweimal überlegen, ob sie sich  einen grösseren Spielrasen vor dem Haus leisten wollen und können. Und der Salat wird etwas gar teuer, wenn man sich einen Pflanzplätz leistet in der Grösse, wie ihn die Grossmutter einst bearbeitete.

Das Einfamilienhaus Buechzelgliring 1 in Trümmern.
Das Einfamilienhaus Buechzelgliring 1 in Trümmern.

Der Verdichtungsprozess wird andauern, solange es noch Häuser gibt, die kleiner sind als  die gesetzlichen Ausnützungsregeln es zuliessen. Vorausgesetzt, die Landpreise rasseln nicht in den Keller – womit kaum jemand rechnet. Die Verdichtung ist sinnvoll, wenn damit der Zersiedelung des Landes Einhalt geboten werden kann.

Weichen einzelne alte Häuser neuen, vollzieht sich der Wandel weniger augenfällig, als wenn auf grünen Wiesen ganze Einfamilienhausquartiere oder Grossüberbauungen mit Mehrfamilienhäusern entstehen. Was jetzt zunehmend abgeht, kann auch als organisches, inneres Wachstum bezeichnet werden.

Doch auch ein schleichender Wandel ist ein Wandel. Wie gross er ist, wird  erst nach Jahren erkennbar sein, wenn ganze Quartiere ihren Charakter und ihr Aussehen verändert haben werden. Neue Häuser bringen auch andere Bewohner. Oft solche mit anderen Lebensvorstellungen und anderem Lebensstil.

Eine Gemeindeversammlung kommt mir in den Sinn, die ich vor rund 30 Jahren als neu Zugezogener hier erlebte. Es ging um die Einführung eines zweiten Kindergartenjahres. Im Brustston der Überzeugung,  mit sonorer Stimme verkündete  ein nicht ganz unbekannter Mitbürger, ein zusätzliches Kindergartenjahr sei überflüssig, Würenlos sei ja ein ländliches Dorf, in dem die Kleinkinder rings um die Häuser noch genügend Platz zum Spielen hätten. Natürlich war es  realitätsferner «Hafenkäse», was der Mann da «verzapfte». Er hatte schlechthin nicht wahrgenommen und vielleicht  auch nicht wahrhaben wollen, welch grosser Wandel schon stattgefunden hatte. Und wie sich die Bedürfnisse der Bevölkerung verändert hatten.

Nach dem raschen Wachstum unseres Dorfes in den letzten Jahren mag sich der eine oder die andere wünschen, es möge jetzt Ruhe einkehren und das Dorf eine Zeitlang so bleiben, wie wir es kennen und schätzen. Auch wenn wir vielleicht nicht Tag für Tag neue Baukräne in den Himmel wachsen sehen  oder wenigstens nur kleine – der Wunsch wird sich nicht erfüllen. Stellen wir uns also dem Wandel. Werfen wir überholte Vorstellungen über Bord. Tragen wir aktiv an die Weiterentwicklung unseres Dorfes bei, als wache, kritische Stimmbürger, gute Nachbarn,  engagierte Vereins- oder Behördenmitglieder.  Damit wir unser Würenlos  übermorgen noch immer schätzen können – auch wenn es ein anderes Dorf sein wird als heute.

(Der vorherige Artikel «Minimallösung für Rasensportler» ist, was die Verschuldung der Gemeinde anbelangt, nachträglich korrrigiert/präzisiert worden.)