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Die bürgerlichste Wählerschaft im aargauischen Limmattal

Würenlos hat bei den Nationalratswahlen bürgerlicher gewählt als alle seine direkten aargauischen Nachbargemeinden und auch als alle Gemeinden im aargauischen Limmattal. Das links-grüne Lager, insbesondere die SP als viertstärkste politische Kraft im Dorf, hat seit Jahren keine Ortspartei mehr zustande gebracht. Das ist ein Armutszeugnis und der politischen Kultur im Dorf alles andere als förderlich.

Der Bezirk Baden zählt 26 Einwohnergemeinden. In 23 von ihnen ist die SVP die stärkste politische Kraft, Würenlos inklusive. In Baden und Turgi ist die SVP zweitstärkste Partei und nur in Ennetbaden figuriert sie zusammen mit der Mitte erst auf Platz 5, noch hinter den Grünen. 

Die Mitte ist in keiner Bezirksgemeinde stärkste Kraft, aber in 23 Gemeinden auf den Plätzen 2 oder 3 zu finden. Die SP ist in drei Gemeinden (Baden, Ennetbaden und Turgi) stärkste Partei und in immerhin 16 weiteren Gemeinden zweit- und drittstärkste Partei. Gebenstorf ist übrigens die einzige Bezirksgemeinde, die das gleiche Wahlverhalten gezeigt hat wie der ganze Kanton, auf Platz 1 figuriert die SVP, auf Platz 2 die SP und auf Platz 3 die FDP.

In Würenlos belegen SVP, die Mitte und die FDP in dieser Reihenfolge die Plätze 1 bis 3.  Nur gerade 3 weitere Bezirksgemeinden haben die Stimmen in gleicher Reihenfolge  verteilt wie Würenlos: Niederrohrdorf, Schneisingen und Würenlingen. 

Alle unseren direkten Nachbarn im Bezirk gehören der grössten Gruppe an, die zwischen die SVP auf Platz 1  und der Mitte auf Platz 3 die linke SP auf Rang 2 gewählt haben. Es sind die 8 Gemeinden Wettingen, Spreitenbach, Neuenhof und Killwangen  – unsere direkten aargauischen Nachbarn also –  sowie Obersiggenthal, Untersiggenthal, Freienwil und Rudolfstetten-Friedlisberg.

Fazit: In Würenlos wurde am Sonntag bürgerlicher gewählt als in allen anderen aargauischen Limmattalgemeinden. Interessant nur, dass dieses Wahlverhalten in der Lokalpolitik kaum zum Ausdruck kommt. In lokalpolitischen Themen verlaufen die Fronten oft quer durch alle Parteien. So gibt es in Steuerfussdiskussionen  weniger rote Köpfe als in Wettingen und Einbürgerungen sind keineswegs umstrittener als in Ennetbaden. 

Die Dorfbevölkerung liebt es moderat und nicht polarisierend oder gar provokativ. Debattierkultur und -freudigkeit haben keinen sonderlich hohen Stellenwert. Das mag daher rühren, dass den drei vorhandenen Ortsparteien die Herausforderung durch links-grüne Gruppierungen fehlt. Zwar sind Ortsparteien in den Augen von Kantonalparteien oft blosse Hilfs- und Mobilisierungsvehikel vor eidgenössischen und kantonalen Urnengängen. Aber nicht mal dafür scheint die siebtgrösste Gemeinde im Bezirk Baden der SP, den Grünen und der GLP wichtig genug zu sein. Sonst hätten sie den Aufbau von Ortsparteien, -sektionen oder -gruppen in Würenlos intensiver vorangetrieben.

Im letzten Artikel habe ich die Unsitte der meisten Parteien kritisiert, mit einer Vielzahl von Unterlisten auf Stimmenfang zu gehen. Wirklich ausbezahlt zu haben scheint sich der Unterlisten-Trick für keine Partei. Prozentual am meisten Parteistimmen über Unterlisten holten sich in Würenlos die GLP mit 28%  und die kleine EVP mit 27% ihrer Parteistimmen. Doch in Sitzen ausbezahlt haben sich die Unterlisten gerade für diese beiden Parteien nicht.  Die GLP stagnierte im Aargau sowohl was die Parteienstärke als auch die Sitzzahl anbelangt. Und die aargauische EVP gewann zwar an Parteistärke, verlor aber gar ihren einzigen Nationalratssitz, jenen der Präsidentin der EVP Schweiz, der Wettingerin Lilian Studer.

Die Mitte, deren Wahlerfolg 2019 massgeblich auf die Unterlisten-Taktik zurückgeführt worden war, machte in Würenlos 23 % der Stimmen auf ihren 9 Unterlisten. Doch während sie auf eidgenössischer Ebene an Parteistärke gewann und die FDP knapp übertreffen konnte, verlor die Mitte (2019 noch CVP und BDP) auf kantonaler Ebene an Parteistärke (Stimmenanteil noch 12%). Die Sitzzahl konnte sie halten. Die Fusion mit der BDP und der Wechsel auf einen Namen ohne das Attribut «christlich» dürfte mehr gebracht haben als der Listentrick.

Die grosse Wahlsiegerin SVP aber, die im Aargau auf nur eine Unterliste, jener ihrer Jungpartei setzte, hat darunter keineswegs gelitten. Sie gewann im Kanton  an Parteienstärke und einen zusätzlichen Sitz. Auch in Würenlos, wo sie ihre Stimmenanteil um zwei Prozentpunkte auf 32.36% ausbaute, ist sie weiterhin die mit Abstand stärkste politische Kraft.

Auf Platz 2 rangiert unverändert die Mitte ( 2019 noch als CVP und GDP), Ihr Stimmenanteil sank hier allerdings um fast einen Prozentpunkt auf 17 %. Die FDP musste keine Haare lassen und  bleibt in Würenlos drittstärkste Kraft. 

Selbst wenn die vielen Unterlisten einige zusätzliche Wählende mobilisiert haben mögen, so hat sich der Unterlisten-Trick wohl totgelaufen. Die Parteien haben sich damit beim Wahlvolk eher Sympathien verscherzt. Es ist Zeit, mit dieser Bauernfängerei abzufahren und im gleichen Zug auch die Demokratieverträglichkeit von Listenverbindungen generell in Frage zu stellen. 

Denkzettel für das “Alphatier”

Die Gesamterneuerungswahlen in den Gemeinderat enden mit einem deutlichen Ergebnis. Alle vier Bisherigen sind wiedergewählt. Als Neuer stösst Conesuelo Senn zum Gremium, der damit den freigewordenen Sitz der FDP überraschend deutlich verteidigt. Einen doppelten, in der Wiederwahl zum Gemeindeammann klaren Denkzettel setzt es für Toni Möckel ab.

Der neue Gemeinderat: Consuelo Senn (FDP).

Von allen Gemeinderatskandidaten am besten abgeschnitten hat – wie schon vier Jahre zuvor – Nico Kunz (FDP ) mit 1669 Stimmen (2017: 1496 Stimmen). Auf den weiteren Plätzen folgen die Bisherigen Barbara Gerster Rytz (Die Mitte) mit 1523, Lukas Wopmann (Die Mitte, früher BDP)) mit 1505 Stimmen. Gemeindeammann Toni Möckel (parteilos) landet mit 1384 Stimmen auf dem vierten Platz, dicht vor dem neu gewählten Consuelo Senn (FDP) mit 1326 Stimmen. An der Wahl beteiligten sich etwas mehr Stimmberechtigte als vor vier Jahren. In der Gemeinderatswahl 2017 hatte Möckel mit 1327 Stimmen noch den zweiten Platz belegt.

In der Wahl zum Gemeindeammann erhielt Toni Möckel gerade mal 1218 Stimmen. 458 Stimmen entfielen auf andere, allen voran Nico Kunz mit 222 Stimmen. Nur gut 60% der Wählenden (leere und ungültige Stimmzettel einberechnet) sprachen sich nach vierjähriger Amtszeit für den amtierenden Gemeindeammann aus. Nicht unbedingt eine überzeugende Vertrauensbestätigung in einer Wahl ohne Gegenkandidat. Die Stimmberechtigten scheinen gewisse Fehlleistungen des Gemeinderates weniger der Behörde als Ganzes anzulasten als vielmehr dem Gemeindeammann. Der tritt nach aussen auch gern als kompetenter Leader auf. Er gibt nicht gern Macht aus den Händen und glaubt, Fehlleistungen gekonnt herunter spielen zu können. Man denke nur an die völlige Fehleinschätzung des Bevölkerungswillens in Sachen Aushubdeponie Steindler oder die in den Augen Vieler enttäuschend schleppend verlaufende Realisierung des Alterszentrums

Nicht an Rückhalt im Wahlvolk verloren hat Nico Kunz als Vizeammann. Mit 1310 Stimmen wurde er erneut in dieses Amt gewählt, wobei er das Resultat gegenüber 2017 etwas verbessern konnte.

Die sichere Wahl von Consuelo Senn, dem Präsidenten der FDP-Ortspartei, in den Gemeinderat ist ein Vertrauensbeweis der Stimmberechtigten für den 58-jährigen Bauingenieur, der bei der Axpo Power AG tätig ist. Fachlich ist er prädestiniert für die Übernahme des durch den Rücktritt seines Parteikollegen Markus Hugi freiwerdenden Hochbauressorts. Mit seinem breiten Wissenshorizont , seiner ruhigen, freundlichen  und überlegten Art sowie seinem in sportlichen Extremwettkämpfen bewiesenen Durchhaltevermögen wird er  dem Gremium gut tun.

Die SVP als in nationalen und kantonalen Wahlen wählerstärkste Partei in Würenlos hat ihr Wahlziel, die Rückeroberung des 2017 verlorenen Gemeinderatssitzes, einmal mehr deutlich verfehlt. Ihr Kandidat Steven Schraner erzielte gerade mal 598 Stimmen (bei einem absoluten Mehr von 875). Damit liegt Schraner nur 19 Stimmen vor dem parteilosen und in der Öffentlichkeit noch kaum je in Erscheinung getretenen Hugo Rolli (579 Stimmen). 

Überraschend schlecht ist das Resultat Schraners, weil er in den Monaten vor der Wahl mehr als alle anderen Kandidaten in den Medien präsent war. Sogar eine gewisse nationale Bekanntheit erlangte er als vehementer Gegner einer Maskenpflicht an den Primarschulen und mit der von ihm lancierten kantonalen Petition. Auf lokaler Ebene zu profilieren versuchte er sich mit seiner Idee, dem Skaterplatz im Wiemel einen sogenannten Pumptrack beizufügen.  

Zuzuschreiben hat sich Schraner sein schlechtes Abschneiden selbst. In einem Kommentar zu einem Facebook-Post von Blick-Chefredaktor Christian Dorer hatte er diesen wegen seiner Meinung zu den Cividmassnahmen als Faschisten bezeichnet. Ein saudummer Stammtischspruch, für den sich Schraner nicht entschuldigen wollte. Solche verbale Ausfälligkeiten kommen in Würenlos schlecht an! 

Noch zum parteilosen Hugo Rolli: Wer für einen  Gemeinderatssitz antritt, ohne sich zuvor nicht irgendwie in der Dorfgemeinschaft bemerkbar gemacht zu haben, etwa in einem Verein, einer gemeinderätlichen Kommission oder einer Partei, ist entweder ziemlich naiv oder borniert oder überschätzt sich – gewiss nicht die beste Voraussetzung, um ein Gemeinderatsamt erfolgreich auszuüben.

Im Beiblatt zum amtlichen Wahlzettel war Rolli fälschlicherweise als SVP-Mitglied bezeichnet worden – ein blödes Versehen im Gemeindehaus. Ob diese, später durch mehrfache Berichtigungen korrigierte parteipolitische Zuordnung Rolli eher genützt als geschadet hat, ist eine offene Frage. Und es wäre bedauerlich, wenn diese Sache zu einem juristischen Nachspiel führen würde.

Wahlspekulationen: Wer wird der oder die Fünfte?

Vier von fünf Gemeinderäten stellen sich im Herbst erneut zur Wahl. Wer wird den
freiwerdenden Sitz von Markus Hugi (FDP) besetzen? (Foto: Homepage Gemeinde)

Gemeinderat Markus Hugi (FDP) tritt auf Ende der Amtsperiode, also Ende 2021, zurück.Es treten nochmals an: Gemeindeammann Toni Möckel (parteilos), Barbara Gerster Rytz (CVP), Vizeammann Nico Kunz 8 (FDP) und Lukas Wopmann (bisher BDP). Sofern Bisherige nicht noch beim Klauen silberner Löffel im Gemeinderatszimmer ertappt werden, darf von ihrer Wiederwahl ausgegangen werden. Somit ist also bei den Wahlen im September ein Sitz neu zu vergeben. Dazu einige kühne Spekulationen, bevor sich das Karussel mit Kandidaten und Kandidatinnen ernsthaft zu drehen beginnt.

Die FDP müsste eigentlich alles daran setzen, ihren zweiten Sitz zu verteidigen. Nur mit wem? In jüngerer Zeit hat sich kaum jemand aus ihren Reihen ins lokalpolitische Rampenlicht geschoben. Unter den bisherigen FDP-Amtsträgern käme wohl vor allem Markus Städler in Frage. Der 39-jährige Unternehmer sitzt seit 2017 in der Finanzkommission.

Seit dem Ausscheiden des ehemaligen Gemeindeammanns Hans Ueli Reber, der nach geschaffter Wiederwahl zur SVP gewechselt hatte, ist die wählerstärkste Ortspartei nicht mehr im Gemeinderat vertreten. Ihre beiden Aushängeschilder haben beide schon mal erfolglos als Gemeinderäte kandidiert – Ortsparteipräsident Thomas Zollinger 2015 und sein Vize Pascal Pfeffer 2017. Nimmt einer von beiden einen neuen Anlauf. Oder holt eine neue Kraft der SVP die Kohlen aus dem Feuer?

Zu nennen wären da etwa Martin Rellstab. Für die SVP kandidierte er 2017 als Mitglied der  Finanzkommission und nun am 7. März als Friedensrichter. Beide Male erfolglos. In der Friedensrichterwahl ist er zwar der Wettinger Grünliberalen Andrea Kleger unterlegen. In Würenlos aber hat er ein Drittel mehr Stimmen erzielt als sie. Im Wahlkampf unterstützte ihn Vizeammann und FDP-Vizepräsident Nico Kunz mit Leserbriefen. Ein Annäherungsversuch der FDP an diesen potentiellen Kandidaten, der als Flugkapitän wohl noch für einige Zeit über ausreichend Zeitressourcen verfügen dürfte.  

«Dank» Corona ihren Bekanntheitsgrad markant gesteigert haben die Würenloser Steven Schraner und Robert Blarer. Mit ihrer Online-Petition gegen die Schutzmaskenpflicht an Aargauer Primarschulen, die 3500 Personen unterzeichneten, haben sie für Aufsehen gesorgt. Sie sind politisch nicht leicht zu verorten, doch mit ihrem Gedankengut wären sie in der SVP kaum Aussenseiter. Und politische Schützenhilfe bekamen sie ja von zwei SVP-Grossrätinnen. Er überlege sich eine Kandidatur als Gemeinderat hat Anlageberater Schraner  gegenüber der AZ/Badener Tagblatt bereits erklärt. Wenn, dann dürfte sein Abschneiden wesentlich davon abhängen, wie sehr er mit seinem Masken-Anliegen in der Würenloser Wählerschaft gepunktet hat. 

Thematisch breiter profiliert hat sich Robert Blarer. Er ist auch bei der vom Natur-und Vogelschutzverein Würenlos lancierten Online-Petition gegen die Aushubdeponie im Steindler in Erscheinung getreten. Bei der Übergabe der auch in Würenlos erfolgreichen Petition trat Metallwaren-Unternehmer Blarer ziemlich überraschend, aber medienwirksam als Vertreter der Würenloser Unterzeichner vor die Kameras.

2017 hat die noch junge Gruppierung Initiative 5436 versucht, mit einer Frauenkandidatur einen Gemeinderatssitz zu ergattern. Ohne Erfolg. Probiert sie’s noch einmal? Nun, die Gruppierung hat politisch noch nicht richtig Tritt gefasst und Gelegenheiten verpasst, um sich als Alternative mit Profil und frischen Ideen zu empfehlen. Allerdings: der Gemeinderat wird ab 2022 Aufgaben der dann abgeschafften Schulpflege übernehmen. Da könnte Schulpflegerin Katrin Brunner, das einzige vom Volk gewählte Behördenmitglied der Initiative 5436, ihr schulisches Knowhow  im Gemeinderat einbringen. Ob noch weitere «arbeitslos» werdende Schulpflegemitglieder Lust auf eine Gemeinderatskandidatur haben, wird sich weisen.

Bleibt noch die Die Mitte, ex CVP. Obwohl sie in ihren Reihen durchaus valable Kandidatinnen und Kandidaten hätte, dürfte sie sich wohl mit dem Sitz von Barbara Gerster Rytz begnügen– und mit jenem von Lukas Wopmann, den sie dank Fusion mit der BDP quasi geschenkt bekommt. Falls Wopmann nicht in einer anderen Ortspartei oder als Parteiloser weitermacht.  («Wohin zieht es BDP-Gemeinderat Lukas Wopmann?» fragt die «Limmatwelle» in ihrer neuesten Ausgabe und sie hat mit dem Würenloser «Finanzminister» gesprochen. Ergänzung vom 1.4.)

Sollte sich diese Aufzählung von «Papabili» als völlig unvollständig oder als «voll daneben» herausstellen – umso besser. Die Lokalpolitik kann etwas Feuer vertragen, nach der schon lange anhaltenden Covid-19-Schläfrigkeit.

Thema in einer Woche: Warum allergrösste Skepsis angebracht ist, wenn Roland Kuster, der Präsident von BadenRegio und Wettinger Gemeindeammann, zur Deponie Steindler sagt: Im Verfahren nach dem Richtplaneintrag könnten «all die Fragen bezüglich Wirkung auf die Umwelt, verträgliche Ausgestaltung, harmonische Einbettung und so weiter beantwortet und verbindlich geregelt werden» (AZ/BT vom 26. März).