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«Kreuzfahrt» auf dem Furtbach

Die ersten…

1-furtbachbruecke

… und die letzten Meter des Furtbachs auf Würenloser Boden:

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Dazwischen liegen rund 3,5 Kilometer, auf denen es links und rechts viel Altbekanntes, Vertrautes zu entdecken gibt. Aber ebenso viel Unbekanntes, Überraschendes, auch unscheinbar Wichtiges oder Schönes. Vieles von dem zeigt und kommentiert Hans Arnold in einer reich bebilderten Dokumentation.

«Der Furtbach, seine Häuser, Gärten und Brücken» kann gratis im Format PDF heruntergeladen und bei Bedarf auch ausgedruckt werden. Sie benötigen dazu Adobe Reader. Bitte haben Sie Geduld. Der Download benötigt einige Zeit.   Link anklicken zum Herunterladen:

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Viel Vergnügen auf der «Flussfahrt». Und übrigens: Hans Arnolds viel beachteten und gelobten zweiteiligenBeitrag über Würenloser Brunnen finden Sie hier und hier. (PF)

 

Osterüberraschungen für einen frisch Umgezogenen

Wegen Kanlabauarbeiten in derAltwiesenstrasse: Der 11er auf neuer Route durch die Buechzelglistrasse.
Wegen Kanalbauarbeiten in der Altwiesenstrasse: Der 11er auf neuer Route durch die Buechzelglistrasse.

Kurz vor unserer Züglete von der Buechmatt an die Haselstrasse stand eines Tages eine Fahrplantafel für den Bus 1 Würenlos-Killwangen an der Einfahrt zur Buechmatt. Zuerst fragte ich mich, ob mir als seinerzeitigem Mitinitianten des  Ortsbusess zum Abschied eine kleine Freude bereitet werden sollte. Doch das wäre doch etwas zu viel der Ehre gewesen. Es stellte sich heraus, dass der Ortsbus  wegen der Sanierung der Werkleitungen in der Altwiesenstrasse  umgeleitet wird und nun vorübergehend vor unserer früheren Haustür Halt macht.

Da freut sich selbst der Osterhase: Der neu gekieste Furtbachweg.
Da freut sich selbst der Osterhase: Der neu gekieste Furtbachweg.

Der Fussweg entlang dem Furtbach, ein Weg den ich oft gegangen bin, wenn ich von der Buechmatt  ins Dorf  oder zum Bus nach Wettingen gelangen wollte, ist wie auch ich in die Jahre gekommen. Bei regnerischem Wetter war er voller Pfützen. Doch nun, nachdem ich ein letztes  Mal zwischen unserem alten und neuen Heim  auf dem Weg unterwegs war, freute ich mich über das schöne Bild, das sich mir bot. Der Weg ist ausgebessert und mit gelblichem Mergel neu belegt worden. Obwohl er in Zukunft nicht mehr mein Weg von Zuhause ins Dorf  sein wird, werde ich diesen Weg  gerne gelegentlich nutzen und mich über einen schönen Spaziergang enlang dem Furtbach freuen.

Das Wöschhüsli

Wer hat sich nicht schon gefragt, zu welchem Zweck dieses hübsche Häuschen neben der Furtbachbrücke im Kempfhof gebaut wurde?

Das schmucke Wöschhüsli nahe der Brücke an der Bachstrasse.
Das schmucke Wöschhüsli nahe der Brücke an der Bachstrasse.


Wie mir die heutige Eigentümerin, Frau Michèle Meier, erzählte, wird sie immer wieder von Leuten befragt, wenn diese dort vorbeigehen. Auch Kinder meinten schon: «Gäll das isch doch es Häxehüsli?». Ob sie denn wie eine Hexe aussehe, habe sie gegengefragt.

Weshalb ich mich der Geschichte des kleinen Hauses annehme, hat einen besonderen Grund: Anfang der Siebzigerjahre erwarb die Bauunternehmung Schildknecht und Haderer in Wettingen die Liegenschaft Bachstrasse 53 und nutzte sie als Werkhof. Weil dieses kleine Haus auch dazugehörte und man dessen Platz gut als Deponieplatz hätte nutzen können, wollte man es abbrechen. Ich wehrte mich dagegen und konnte die Unternehmer davon überzeugen, dass es als historischer Bau erhaltenswert sei. Anerkennenswert sei erwähnt, dass die Bauunternehmung das Häuschen danach in Stand stellte.

Immer wenn ich heute daran vorbeikomme frage ich mich, welche Geschichten mir dieses Häuschen erzählen könnte, wenn ich die Tür öffnen würde, ähnlich einer Musikdose, bei der Musik ertönt, wenn man den Deckel öffnet.  Mit Erlaubnis von Michèle Meier öffne ich nun die Türe und lasse das Häuschen uns seine Geschichte erzählen.

Die Treppe zum Furtbach.
Die Treppe zum Furtbach.

Tatsache ist, dass ich schon viele Jahre auf dem Buckel habe, sicher an die zweihundert. Weil ich unbedeutend bin, wurde das Geburtsjahr nicht in den Türsturz eingemeisselt.  Sicher ist, dass ich als Wöschhüsli gedient habe. Hier im hinteren Teil des einzigen Raumes stand früher ein Holzofen mit einem kupfernen Kessi darüber. Gegenüber dem Eingang ist ebenfalls eine Türe und dahinter eine Treppe, die zum Furtbach hinunter führt.

In der rückwärtigen Wand kannst du noch zwei Löcher sehen. Sie dienten als Auflager für zwei Balken. Genau kann ich mich nicht mehr erinnern, aber die Konstruktion dürfte etwa so wie die Zeichnung unten ausgesehen haben.

Jede Woche trafen sich bei mir Frauen aus dem Kempfhof, um ihre Wäsche zu waschen. Zuerst feuerten sie tüchtig an und mengten dem Wasser geraffelte Kernseife bei, denn es gab damals noch
kein Waschpulver. War das Wasser heiss genug,

Die Löcher in der Wand für die Balkenkonstruktion.
Die Löcher in der Wand für die Balkenkonstruktion.

taten sie die Kochwäsche ins Kessi. Während dann
der Sud so vor sich hin köchelte, rührten und

stampften sie mit einer grossen Holzkelle öfters darin, damit die Seifenlauge die ganze Wäsche durchdringen konnte. Das war eine schwere Arbeit und der ganze Raum war so voller Dampf, dass sich die Frauen oft kaum sehen konnten. Das hinderte sie aber nicht daran, sich ihre Sorgen und Freuden zu erzählen und darüber zu berichten, was sich im Dorf so alles ereignet hatte.

Überm offenen Feuer wurde das Wasser im Kessel zum Kochen gebracht.
Überm offenen Feuer wurde das Wasser im Kessel zum Kochen gebracht.

War die Wäsche gekocht, wurde
sie mit einer grossen gelochten Kelle aus dem heissen Wasser gefischt und mit einem Korb zum Furtbach hinunter getragen. Dort wurde sie gespült und falls notwendig auf dem Waschbrett nochmals tüchtig geschrubbt.

Die Hausierer wussten, wann Waschtag war und dass sie dann fast alle Frauen dort antreffen würden. Zu dieser Zeit gab es noch kein Shoppingcenter und auch keinen Coop. Alles, was man zum täglichen Bedarf nötig hatte und nicht im eigenen Garten wuchs, kaufte man beim Hausierer. Nebst Nadeln, Faden, Wolle, Stoffen etc. hielt er auch Pülverchen und Salben gegen Hexenschuss oder Rheumaschmerzen, aber auch schöne Ringlein oder Ketten feil.

Ja, das war eine schöne Zeit. Dann aber wurden im Kempfhof Wasserleitungen verlegt und die meisten Familien hatten danach fliessendes Wasser im Haus. Das bedeutete auch das Ende meiner Funktion als Wöschhüsli.

Damit ich nicht nur unnütz herumstand, war ich bereit, einige Zeit als Unterkunft für Kälber zu dienen. Daran kann sich Isidor Moser, der seit seiner Geburt im Kempfhof lebt, noch gut erinnern. Als Bub kam er immer zu mir, um im Furtbach zu fischen. Hier fand er auch die nötigen Köder, nämlich Würmer, das hatte mit dem Kälbermist zu tun.

Das vom Verfall bedrohte Wäschhüsli vor der Aussenrenovation.
Das vom Verfall bedrohte Wöschhüsli vor der Aussenrenovation.

Bald ging auch diese Zeit vorbei. Die Tiere mussten sich an eine andere Bleibe gewöhnen, denn der Bauer, dem die Scheune mit Wohnhaus Bachstrasse 53 und meine Wenigkeit gehörten, verkaufte die Liegenschaft an einen Bauunternehmer. Ich fürchtete das Schlimmste.  Warum sollte ein Baumeister mich armes Hüsli, das am Verfallen war, noch erhalten? Meinen Platz konnte er als Deponieplatz besser nutzen. Ich versuchte mich unter dem Efeu zu verstecken. Das half aber nichts. Eines Tages warfen Bauarbeiter meine Ziegel vom Dach in eine Mulde und ich war überzeugt, meine letzte Stunde habe geschlagen.

Aber nein, statt mit dem Abbruch zu beginnen, ersetzten die Männer einige der morschen Balken und deckten mich mit schönen, handgefertigten Ziegeln wieder ein. Auch an meine Schönheit dachten sie und machten ein gründliches Facelifting. Die runzelige Steinfassade wurde sauber ausgefugt; Fenster und Türe wurden ersetz oder repariert. Ich sah schön aus und freute mich sehr darüber, und war dann auch gerne bereit als Magazin der Firma gute Dienste zu leisten.

Einige Jahre vergingen, das Baugeschäft wurde grösser. Die Liegenschaft genügte den Bedürfnissen nicht mehr. Mein Wohltäter verkaufte mich an Peter Frey, Cheminéebau Wettingen und der verkaufte mich dann später an Stefan Meier, Gipsergeschäft Wettingen. Damit begann für mich wieder ein anderes Leben.

Michèle Meier.
Michèle Meier.

Für die Tochter dieses Unternehmers, Michèle Meier, war ich ein beliebter Ort zu verweilen . Weil mein Inneres nicht mehr sehr gesund war und gelegentlich Steine aus den Wänden brachen, sagte Vater Meier zu seiner Tochter, er werde meine Innenseite auch einmal in Ordnung bringen, habe aber jetzt keine Zeit dazu. Sie solle alle Steine und den Ort wo sie heraus gefallen sind mit einer Nummer versehen. Als es dann aber viele Steine waren verlor Michèle die Übersicht, und so nahm sich der Gipsermeister Zeit, die Innenseite zu renovieren. Ihm muss ich ein grosses Kompliment machen. Er nahm nicht einfach einen Fertigmörtel, sondern mischte einen nach altem Rezept, der genau auf meine Bedürfnisse abgestimmt war. Ganz besonders freute ich mich darüber, dass die Mutter von Michèle für mich schöne Vorhänge nähte und mich so auch im Innern gut aussehen liess.

Es gab aber auch viele Momente des Schreckens, wenn Lastwagen mir zu nahe kam und mein Dach beschädigte. Der Dachdecker Wagner aus Wettingen pflegt mich dann und brachte den Schaden wieder in Ordnung.

Für die Nachbarskinder von Michèle war ich ein beliebter Aufenthaltsort. Gelegentlich übernachteten sie bei mir in Hängematten, die an meinen Balken befestigt waren. Inzwischen ist es bei mir wieder ruhiger geworden. Ich diene Michèle jetzt als Gartenhüsli und das ist mir auch recht so.  Nun aber genug der Geschichten. Schliesse mir die Türe, ich möchte nun meine Ruhe haben!

Zwei Künstler im Schattenloch

Die Gegend am untersten Furtbach scheint Künstler besonders anzusprechen.  Jedenfalls liessen auf dem gleichen Grundstück nacheinander gleich zwei bekannte Persönlichkeiten aus der Schweizer Kulturszene jeweils ein Haus bauen.

In einem Cadillac-Cabriolet fuhr Rudolf Bernhard in Würenlos  vor, um das Baugesuch einzureichen.
In einem Cadillac-Cabriolet fuhr Rudolf Bernhard in Würenlos vor, um das Baugesuch einzureichen.

Unter «Ein Gerücht geht um» war in den «Würenloser-Blätter 1990» in einem Beitrag von Silvia Haab zu lesen: «Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf damals die Würenloser Bevölkerung die Botschaft, dass einer der populärsten Schweizer Männer ins Dorf ziehe und dann erst noch in einem ausgesprochenen Schattenloch sein Zuhause einrichten wolle.»  Als der Prominente das Baugesuch einreichte, so erinnern sich ältere Würenloser, sei er mit einem roten Cadillac-Cabrio vorgefahren und habe das Auto auf dem Schulhausplatz parkiert. Dass alle Schüler um das besondere Auto herumstanden und es bestaunten und befühlten, ist anzunehmen. 

Rudolf Bernhard.
Rudolf Bernhard.

Rudolf Bernhard war einer der beliebtesten Komiker und Schauspieler der Schweiz. Er spielte in zahlreichen Schweizerfilmen mit, schrieb Drehbücher und führte Regie. 1942 eröffnete er ein eigenes Theater in Zürich wo er und viele bekannte Schauspieler auftraten. Das Bernhardtheater existiert noch heute. Viele seiner Aufführungen wurden früher im Radio gesendet und waren ein beliebtes Unterhaltungsprogramm an Samstagabenden.

Dass Rudolf Bernhard gerade diesen «schattigen» Ort wählte für sein «Wochenend- und Ferienhaus mit Gartenhalle und Autoschutzhütte» (so die Bauauschreibung) hatte vielleicht damit zu tun, dass er fast täglich im Rampenlicht stand. Von 1950 bis zu seinem Tod 1962 war Würenlos die zweite Heimat Bernhards.

Das Haus von Rudolf Bernhard (Zeichnung von Richard Benzoni aus Würenloser Blätter 1990).
Das Haus von Rudolf Bernhard (Zeichnung von Richard Benzoni aus Würenloser Blätter 1990).

Weniger Aufsehen erregte es, als 50 Jahre später ein anderer Künstler offensichtlich Gefallen fand an dem «Schattenloch» und hier an Stelle des Bernhard-Hauses ein Wohn-Atelier baute. Längst nicht alle Würenloser wissen, dass hier ein Künstler von internationalem Format gelegentlich wohnt und arbeitet: Ugo Rondinone.

Das Haus von Ugo Rondinone am Furtbach, projektiert von den Zürcher Architekten Andreas Fuhrimann und Gabrielle Hächler.
Das Haus von Ugo Rondinone am Furtbach, projektiert von den Zürcher Architekten Andreas Fuhrimann und Gabrielle Hächler.

Rondinone wuchs in Brunnen SZ auf und studierte an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Seit 1990 lebte er in Zürich, seit 1998 besitzt er in New York ein Atelier. In den wenigen Monaten, die er jeweils in der Schweiz verbringt, wird er wohl hier in Würenlos wohnen.

Rondinone arbeitet als Konzept-, Medien- und Installationskünstler, mit grossformatigen Holzschnitten, abstrakter Malerei, Skulpturen, Fotografien und Comics. Zu seinen zentralen Themen gehört die Auseinandersetzung mit räumlichen Aspekten sowie die Visualisierung von Zeit und Vergänglichkeit. Er wirkt auch als Kurator von Ausstellungen, die er als eigenständige künstlerische Ausdrucksform bezeichnet.

Weltweit waren seine Werke an 46 Kunstausstellungen zu sehen. 2010 war eine grosse Auswahl seiner Werke im Kunsthaus Aarau ausgestellt. 1991, 94, 95 erhielt er den Eidgenössischen Preis für freie Kunst. 1998 wurde eines seiner Plakate als Plakat des Jahres prämiert. 2013 stellte er vor dem New Yorker Rockefellercenter seine monumentalen Steinfiguren aus und erregte damit auf dem renommiertesten Platz der Welt grosses Aufsehen. Einen guten Einblick in das Schaffen Rondinones gibt die Website seiner Zürcher Galeristin Eva Presenhuber (Link).

Im Internet ist über das «Artist’s House, Würenlos» unter anderem zu lesen, es stehe in einer Waldlichtung und auf seinem Grund befände sich ein markanter Baum. Schaut man sich Rondinones Baumskulpturen an, könnte man meinen, dass dieser Baum der Grund für seine Wahl gewesen sein könnte – sei es dass er ihm gefiel oder, wer weiss, er daraus eines Tages eine Baumskulptur schaffen könnte.

Skulptur von Ugo Rondinone.
Skulptur von Ugo Rondinone.
Baumgruppe im Garten des Hauses Rondinone.
Baumgruppe im Garten des Hauses Rondinone.