Ein Auslaufmodell?

gemeindeversammlung«Gerne möchte ich Ihnen ein Thema für einen Artikel vorschlagen: Gemeindeversammlung oder doch IG-Versammlung?» Dies mailte mir ein jüngerer, im Dorfleben gut integrierter Familienvater. Er findet, bei einer Teilnehmerzahl von etwa 200 Personen an der Gemeindeversammlung könne man doch so ziemlich alle Entscheide manipulieren.

Als «Turnverein-Demokratie» bezeichnen Demokratieforscher dieses Phänomen: Muss die Gemeindeversammlung über eine Sporthalle befinden, so marschiert der Turnverein geschlossen auf und schwupps ist die Halle beschlossen. Unter dem Verdacht der leichten Manipulierbarkeit stehen Gemeindeversammlungen seit eh und je. Aber ist der Verdacht auch begründet? Und wie repräsentativ ist die Gemeindeversammlung in einer Gemeinde mit 6000, bald 7000 Einwohnern?

Im Juni letzten Jahres erlebte die direkte Demokratie bei der Standortwahl fürs Würenloser Alterszentrum einen Höhepunkt: Neuer Rekord mit 592 Stimmberechtigten an der Gemeindeversammlung. Beteiligung: 15 Prozent! Doch nicht alles an jenem Abend war Glanz und Gloria: Ein mit der Versammlungsleitung völlig überforderter Gemeindeammann, das Niederbuhen eines Votanten und Voten von nicht zu übertreffender Blödheit (z.B. der Standort Wiemel komme für das Alterszentrum nicht in Frage, da ein Bauer mit seinen Traktoren ständig die nahe Strasse rauf und runter rase) waren nicht gerade Propaganda für die direkte Demokratie. Und der Teilnahmerekord war eben auch nur ein Ausreisser. Die beiden folgenden Gemeindesammlungen vermochten – ähnlich wie auch die vorangegangenen – gerade noch 3,1 und 4,7 Prozent der Stimmberechtigten anzulocken.

Wächst eine Gemeinde, so sinkt die Beteiligung an einer Gemeindeversammlung. Das sagen Forscher des Zentrums für Demokratie in Aarau. In Würenlos betrug die Beteiligung im Zeitraum 2004 – 2013 durchschnittlich 5,3%. Zwischen 1994 und 2003 hatte sie noch 6,3 Prozent betragen. Und ohne die Rekordgmeind vom Juni 13 wäre sie im letzten Jahrzehnt gar auf 4,8% getaucht.

Ein anderes Forschungsergebnis aber bestätigt sich in Würenlos nicht unbedingt. Aufgrund ausgedehnter Untersuchungen kamen Professor Daniel Kübler und Philippe Rochat vom Zentrum für Demokratie Aarau zum Schluss, dass die Gemeindeversammlung durch nachträgliche Urnenabstimmungen (bei zustande gekommenem Referendum) nicht zur Farce gemacht werde. Und sie werde auch nicht durch selektive Mobilisierung (Turnverein-Demokratie) manipuliert. Als Begründung führen die Forscher an, dass in den untersuchten Gemeinden erstens nachträgliche Urnenabstimmungen sehr selten und zweitens mehr als zwei Drittel der Vorlagen an der Urne gleich entschieden wurden wie wie zuvor an der Gemeindeversammlung.

In Würenlos klafft da möglicherweise doch ein tieferer Graben. Innert zweieinhalb Jahren ist immerhin gegen zwei Vorlagen, die von der Gemeindeversammlung gutgeheissen worden waren, mit Erfolg das Referendum ergriffen worden. Eine Aula beim neuen Oberstufenschulhaus wurde nachträglich abgelehnt. Sollte auch der Um- und Anbau des Kindergartens Buech I an der Urne scheitern, wachsen die Zweifel, ob unsere Gemeindeversammlung noch repräsentativ ist für die Meinung im Dorf.

In den kommenden Jahren wird die Gemeindeversammlung etliche Entscheide von höchster Tragweite fällen müssen. So müssen die Gemeindefinanzen irgendwie wieder ins Lot gebracht werden, und in nicht allzu ferner Zukunft wird die Bau- und Nutzungsordnung revidiert werden müssen. Wird die Gemeindeversammlung dazu imstande sein? Und wie könnte die Entscheidungsfindung so umgestaltet werden, dass eine Mehrheit der Stimmberechtigten schliesslich hinter den Versammlungsentscheiden stehen kann? würenblicker wird diesem Thema in loser Folge auf den Grund gehen.

Ein Gedanke zu „Ein Auslaufmodell?“

  1. Unser Staatswesen funktioniert, allen Unkenrufen zum Trotz! Bestätigung erhielt ich diese Woche wieder, als ich hintereinander die Veranstaltungen der SVP in Freienwil, Altdorf (Uri) und im Albisgüetli besuchte. Unsere Mitbürger sind nach wie vor am politischen Geschehen interessiert und auch aktiv beteiligt. Korrekturen der Einwohner zu den an Gemeindeversammlungen erzielten Ergebnissen erfolgen an der Urne. Wann immer ich mich, allein oder mit einer Handvoll beherzter Mitbürger, einem Heer erhobener Hände gegenübersah, zweifelte ich an der Richtigkeit des Ergebnisses. Wer will schon auffallen, wenn seine Meinung nicht der vorgegebenen Stossrichtung entspricht?! Ich sah mich als Abweichler schliesslich oft im Verbund mit jenen, die anonym an der Urne abstimmten. Gegen den Strom zu schwimmen bringt über kurz oder lang sauberes Quellwasser!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert