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«Die Stadt findet statt»

36 Kilometer Limmatstadt – von Zürich bis zum Wasserschloss bei Brugg.
36 Kilometer Limmatstadt – von Zürich bis zum Wasserschloss bei Brugg.

Das aargauische und zürcherische Limmattal bilden einen zusammenhängenden Siedlungsraum mit einer Bevölkerung von rund 200‘000 Menschen und über 80‘000 Arbeitsplätzen. „Limmatstadt“ nennt sich eine Organisation, die vor drei Jahren als private Aktiengesellschaft gegründet worden ist. Erste namhafte Aktionärin war die im Limmattal aktive Immobilienfirma Halter. Inzwischen sind über 20 weitere Unternehmen als Aktionäre dazu gestossen. Geschäftsführerin ist Jasmina Ritz, die ehemalige Dietiker Standortförderin. Letzte Woche hat sie die Idee Limmatstadt an einem Anlass der FDP Würenlos vorgestellt. würenblicker hat ihr am Rande der Veranstaltung fünf Fragen gestellt.

Frau Ritz, was ist unter Limmatstadt zu verstehen? Eine Monsterfusion aller Gemeinden zwischen der Zürcher Stadtgrenze und dem Wasserschloss bei Gebenstorf/Brugg?

Die Limmatstadt ist die Stadt von Baden bis Zürich. Wir verstehen darunter nicht eine politische Einheit und treiben darum auch nicht Gemeindefusionen voran. Doch der Raum zwischen Zürich und dem Wasserschloss soll sich künftig über alle Grenzen hinweg als ein einziger Lebens- und Wirtschaftsraum positionieren.

Lagebedingt gehört auch Würenlos dazu. Die meisten Würenloser verbinden Stadt mit geringer Lebensqualität und wollen darum in einem Dorf und nicht in einer Stadt wohnen. Welche Rolle kann Würenlos in der Limmatstadt spielen?

Jasmina Ritz, Geschäftsführerin der Limmatstadt AG.
Jasmina Ritz, Geschäftsführerin der Limmatstadt AG.

Das ist genau das Spannende an der Limmatstadt. Sie wird so vielfältig sein wie jede grössere Stadt. Je grösser eine Stadt ist, desto kleinteiliger ist sie wiederum. In Zürich gibt es die Albisrieder, die Höngger, die Schwamendinger. Würenlos hat in der Limmatstadt eine ganz andere Funktion als etwa Spreitenbach. Mit seinem noch dörflichen Charme wird Würenlos – wie weitere Dörfer vor allem auf der rechten Limmatseite – einer der idyllischen Winkel dieser Stadt sein. Auf der linken Limmatseite finden wir die eher urbanen Orte. In der Limmatstadt ist Würenlos zudem noch das Bindeglied zum benachbarten Furttal.

 

 

Viele beobachten die rasante Entwicklung und Veränderung im Limmattal kritisch und bangen um die ihnen lieb gewordene Heimat. Was sagen Sie diesen Leuten?

Dass hier verwurzelte Menschen Mühe haben mit der rasanten Entwicklung, verstehe ich. Doch die Frage, ob wir die Entwicklung wollen oder nicht, stellt sich nicht. Die Stadt findet statt. Wichtiger ist es, die damit verbundenen Chancen aufzuzeigen. Mit der Entwicklung wird ja nicht eine Perle zerstört. In der Vergangenheit ist die Entwicklung zu oft planlos verlaufen. Und es ist in diese Region Vieles verfrachtet worden, das man anderswo nicht haben wollte. Vor allem für Auswärtige ist das Limmattal darum immer noch mit negativen Bildern belastet. Mit der Limmatstadt bietet sich die Chance von mehr Lebensqualität. Wenn es gelingt, Entwicklung und Wachstum mit mehr Lebensqualität zu verbinden, mag es im Limmattal auch noch Einiges an Wachstum leiden. Um mehr Lebensqualität zu erreichen, ist aber eine über Gemeinde- und Kantonsgrenzen hinaus greifende Planung unabdingbar. Wir müssen ein gemeinsames Zukunftsbild entwickeln.

Das ist kein neues Thema. Es gab und gibt mannigfache Formen grenzüberschreitender Zusammenarbeit und Planung. So haben letztes Jahr die Kantone Zürich und Aargau zusammen mit ihren Limmattalgemeinden den Verein «Regionale Projektschau Limmattal» gegründet.

Das ist begrüssenswert, in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sehe ich Potenzial. Wichtig ist aber auch, dieses gemeinsam auszuschöpfen. Die Behörden sind noch viel mehr gefangen in ihren Grenzen als die Wirtschaft. Dieser fällt es leichter, in funktionalen Räumen zu denken. Dietikon und Spreitenbach etwa haben eine gemeinsame Funktion als urbaner Arbeits- und als Einkaufsort. In anderen Gemeinden steht die Funktion als idyllische Wohnorte im Vordergrund. Zu oft wollen die Gemeinden heute noch von allem etwas haben: Arbeitsplätze, schöne Wohnlagen für gute Steuerzahler, Sport- und Freizeitanlagen für alle Bedürfnisse. Wichtig ist darum, dass die Wirtschaft ihre Vorstellungen und Visionen in die Diskussion einbringen kann, die Limmatstadt kann hier Impulse geben, Plattformen schaffen und Menschen vernetzen.

Wie sieht denn die Limmatstadt in 25 Jahren aus?

Eine Stadt mit neuem Selbstbewusstsein, einer grösseren Ausstrahlung und mehr Gewicht als das heutige Limmattal – vernetzt durch die Stadtbahn, Veloschnellrouten, Seilbahnen zum Bäderquartier und über den Rangierbahnhof zur S-Bahnstation Silbern. Sie wird aber ihren kontrastreichen Charakter bewahren, mit Kuhweiden entlang der Autobahn, idyllischen Winzerdörfern und urbanen Hotspots sowie Flussbadis am Limmatufer. Was gibt es Spannenderes? Die Limmatstadt ist am Entstehen und mit ihr ein neues Selbstverständnis. Davon bin ich überzeugt!

Mehr zur Limmatstadt unter www.limmatstadt.ch oder www.facebook.com/limmatstadt

Was halten Sie von der Limmatstadt? Neu können Sie auf würenblicker abstimmen! Die Abstimmungsfragen bzw. -ergebnisse finden Sie  in der rechten Spalte unter dem Kalender. Leider erscheinen der Titel «Polls» und einige Hinweise vorderhand noch in englischer Sprache. Auch Kommentare sind sehr erwünscht!

Nessie im Limmattal

So wie kein Sommer ohne Meldung aus Schottland vergeht, im Loch Ness sei wieder einmal Nessie gesichtet worden, so glimmt in unserer Region immer wieder das Thema der Limmattalstadt auf. Keine sechs Jahre sind es her, seit der damalige Badener Stadtammann und heutige Regierungsrat Stephan Attiger mit kecken Heiratsavancen die Regionsgemeinden verschreckt hat. Man erinnert sich noch gut an die im Tonfall ziemlich verunglückte, da zu aufgeregte Stellungnahme aus unserem Gemeindehaus.

Nun geistert die Grosstadt im aargauischen Limmattal erneut durch den Wanner’schen Blätterwald und Gelassenheit ist sicher auch diesmal angezeigt. Die in der AZ zitierte Stellungnahme von Gemeindeammann Hans Ueli Reber fällt auch jetzt dezidiert, aber massvoller aus: «Wir können und wollen unseren Weg alleine gehen.».

Die Badener haben sich ihre Grosstadtträume mit ihrem Nein zu der von Neuenhof ersehnten Fusion fürs Erste selbst vermasselt. Nun aber haben die Ennetbadener knapp eingewilligt in Fusionsgespräche mit Baden, und Neuenhof signalisiert, dass es immer noch zu haben wäre. Spreitenbach und Killwangen prüfen ihrerseits ein Zusammengehen. Doch eine Grossstadt inklusive dem Hagestolz Wettingen? Da scheint  ja selbst die Realisierungschance unseres Alterszentrums noch grösser zu sein. Weil aber zumindest mittelfristig kleinere Fusionen nicht auszuschliessen sind, tut unser Gemeinderat sicher gut daran, wenn die Entwicklung aufmerksam beobachten will.

Dem Treiben der anderen aus sicherer Distanz zusehen und am Eigenen festhalten, solange es geht, das machen die Würenloser gerne. Wird ein Zusammengehen schliesslich doch unumgänglich, so schickt man sich widerwillig drein… um nach einiger Zeit festzustellen, dass die Welt trotzdem nicht untergegangen ist. Das war bei der Regionalpolizei so, der man sich in letzter Minute anschliessen musste. Und das war bei der Verlegung des Schiessbetriebs nach Spreitenbach ebenso.

Auch anderswo bleibt man am liebsten sein eigener Herr und Meister. Dem Trend zu regionalisierten Spitexdiensten verweigert man sich und knüpft das Schicksal der Spitex Würenlos stattdessen an das des Alterszentrums – wenn das nur gut geht! Weil die Technischen Betriebe TBW ihre Leistungen zu aller Zufriedenheit erbringen und gut geführt sind, wird auch ihr Alleingang nicht als Problem wahrgenommen. Scharfer Wettbewerb und rasante Entwicklung im Strom- und Kommunikationsmarkt hin oder her. Und wer – wie die Ex-FDP-Grossrätin Maja Wanner an einer der letzten Gemeindeversammlungen – aus Kostengründen die Eigenständigkeit der Feuerwehr in Frage stellt, begeht schon fast einen Tabubruch.

Dieser Hang zum Alleingang ist unter einem Aspekt verständlich. Je dichter eine Gemeinde in ein Netz von Zweckverbänden und anderen regionalen Trägerschaften verstrickt ist, desto weniger hat der einzelne Bürger zu sagen. Zu immer mehr Themen kann er an der Gemeindeversammlung – ohne wirkliche Mitsprache – höchstens noch Ja oder Nein stimmen. Jeder neue Zweckverband stärkt die Macht des Gemeinderates. Er entsendet seine Vertreter in die Verbandsgremien, in denen die wahre Musik spielt.

Darum, so paradox es klingt: Angesichts immer mehr Kompetenzabtretungen an überkommunale Einrichtungen müssten gerade die glühendsten Anhänger der direkten (Gemeindeversammlungs-)Demokratie auch die grössten Verfechter von Gemeindefusionen sein. Denn träte ein Gemeinwesen anstelle all der Kooperationen, so würde das Mitspracherecht der Bürger wieder gestärkt.