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Nichts ging mehr

David hat Goliath lahmgelegt. Letzter Tag der Sportferien, 11 Uhr morgens. Im 1er-Bus von Wettingen her war es angenehm ruhig. Auch ein Kinderwagen  und das  Einkaufswägeli meiner Nachbarin L. fanden bestens Platz Sieben Bände Harry Potter für ihre Enkelin zum Geburtstag hatte die Nachbarin heim zu karren. Es gibt eben noch hungrigen Leseratten-Nachwuchs  und Grossmütter, die diesen Hunger grosszügig stillen.

Im leichten Kinderwagen döste ein Kleinkind, begleitet war es vom Papi und einem wenig älteren Bruder. Es ist ja  eine rechte logistische Herausforderung, so eine Fuhre  rechtzeitig wieder aus dem Bus zu kriegen, ohne dass drinnen irgendein Stofftierli, Händschli, Schoppen oder Nuggi liegen bleibt. Doch dieser Papi schien alles  im Griff zu haben. Kaum hielt der Bus an der Haltestelle Post und öffnete sich die Tür, stand er mit seiner ganzen Gugelfuhr schon draussen – fast wenigstens. Wenn nur der Gelenkbus nicht einer der besonders höflichen Sorte gewesen wäre, einer von der Sorte, die sich an der Haltestelle leicht zur Seite neigt, damit das Aussteigen leichter fällt.  Jetzt aber  war es gerade umgekehrt. Ein Rädchen des Kinderwagens geriet zwischen den Randstein und den sich immer noch absenkenden Bus. Schliesslich war es total verklemmt, da mochte der Papi rupfen und zupfen, soviel er wollte, sein Gefährt sass unverrückbar fest.

Was nun? Modernste Fahrzeugtechnik bringt auch RVBW-Chauffeure an ihre Grenzen. Der Absenkmechanismus des Busses liess sich nicht rückgängig machen, solange die Tür geöffnet war. Und sooft der Chauffeur auch den Schliessvorgang einleitete, die beiden Türflügel schnellten jeweils sofort wieder zurück, kaum kamen sie dem im Wege stehenden Kinderwagen nahe. Bei offenen Türen aber lasse sich auch der Busboden nicht anheben, erkläre uns der Chauffeur. Und solange der Busboden nicht wieder angehoben sei, könne er das Fahrzeug auch nicht von der Stelle bewegen, sprich, etwas vom Randstein weg fahren.

Im Bus vorne hupte unentwegt ein Alarm. Das Kind im festgeklemmten Wägelchen verfolgte nun  mit grossen Augen das Geschehen. Wir Mitreisenden traten näher, um die Sache  zu begutachten, traten  schon mal gegen das kleine Rädchen, um es vielleicht so frei zu kriegen. Es machte keinen Wank.  Der Chauffeur tat dies und das und nervte sich wohl gewaltig über unsere  wohlfeilen Ratschläge, was auch noch getan werden könnte. Nach längerem fragte er den Vater höflich, ob dieser nicht mal seinen Sprössling aus dem Wägeli nehmen könne.

Minute um Minute verging. Wie die Geschichte endete, weiss ich nicht. Irgendwann machten wir Mitreisenden uns zu Fuss auf den Heimweg und überliessen den Chauffeur, den Papi und seinen Nachwuchs ihrem Schicksal. Moderne Technik hat eben ihre Tücken.  Und die lassen sich nicht einfach so wegzaubern, selbst mit sieben Bänden über die Erlebnisse eines Zauberlehrlings im Gepäck nicht.