Wohin steuert der Gemeinderat?

Welche Entwicklung von Würenlos strebt unser Gemeinderat an? Wir wissen es nur bruchstückhaft. Ein Leitbild als Richtschnur für den Gemeinderat fehlt.

Richtung

«Gouverner c’est prévoir» – «regieren bedeutet vorausschauen». Diese, im Frankreich des 19. Jahrhunderts formulierte Weisheit gilt auch heute noch. Gut regieren ist wie gut Auto fahren. Erstens muss ich wissen, wohin ich will und auf welchem Weg. Und zweitens muss ich meinen Blick beim Fahren über die Kühlerhaube hinaus richten, sonst wird’s gefährlich. Die enge Rechtskurve oder das Kind auf dem Zebrastreifen sehe ich dann womöglich zu spät.

Eine Zeitlang hat unser Gemeinderat jeweils ein Leitbild und Regierungsrichtlinien erarbeitet. Seit Längerem schon scheint die Behörde aber vom Tagesgeschäft  «aufgefressen» zu werden, sie hangelt sich von Pendenz zu Pendenz. Gelegentlich wirkt ihr Handeln unentschlossen oder diffus. Nun, da bei der Sanierung der Gemeindefinanzen erste Pflöcke eingeschlagen sind, ist die Zeit gekommen, vorauszuschauen – über die Kühlerhaube und das Finanzielle  hinaus.

Wir Bürger wollen wissen, welche Annahmen und Zielvorstellungen der Gemeinderat all seinem Handeln zu Grunde legt. Nur dann können wir beurteilen, ob er unsere Interessen vertritt, und notfalls Gegensteuer geben.

Zugegeben, völlig im Ungewissen lässt uns der Gemeinderat nicht. Aus seinem Finanzplan sehen wir, welche Investitionen und Ausgaben bis 2022 vorgesehen sind und wie weit die Verschuldung heruntergedrückt werden soll. Wir wissen auch, dass der Gemeinderat grundsätzlich Gemeindeland nicht verkaufen, sondern nur im Baurecht abgeben will. Dass er Bau und Betrieb eines Alterszentrums nicht als Kernaufgabe der Gemeinde erachtet, und dass er vorderhand davon absieht, die Technischen Betriebe Würenlos ganz oder teilweise zu veräussern. Okay, das sind klare Positionen. Aber es ergibt sich daraus kein Gesamtbild der Zukunft unserer Gemeinde. Hier ein ganzes Leitbild zu präsentieren, wäre anmassend. Nur der Gemeinderat und die Verwaltung haben das Wissen, um es zu entwerfen. Darin könnten Aussagen zu folgenden Themen stehen:

  1. Wachstum: Für 2022 erwartet der Gemeinderat 7150 Einwohner. Wie soll’s in den Folgejahren weitergehen? Wieviele Würenloser sollen es im Jahr 2040 sein? 7500, 9000 oder mehr? Darüber jetzt schon nachzudenken macht Sinn. Bald soll die Revision der Bau- und Nutzungsplanung starten. Sie wird weit übers Jahr 2040 hinaus unser Dorf prägen.
  2. Siedlungscharakter: Gemäss dem gemeinderätlichen Leitbild von 2001/2004 sollte Würenlos eine Gemeinde «mit einem ländlichen Dorfcharakter» bleiben. Ein solcher Charakter war schon damals kaum mehr auszumachen. Das Ortsbild und auch der Lebensstil der Bevölkerung sind längst nicht mehr typisch ländlich. Würenlos ist in der Grossagglomeration Zürich aufgegangen. Aber soll es  städtischer werden oder im heutigen Mischmasch verharren? Sollen weiterhin klassische Einfamilienhausquartiere vorherrschen oder Quartiere mit grösseren Gebäuden?
  3. Gewerbe, Detailhandel, Industrie: Im alten Leitbild hiess es, genügend Gewerbeflächen sollten die Eigenständigkeit des Dorfes aufwerten. Doch welche Art von Gewerbe wollen wir und welche nicht? Nicht jedes Unternehmen wertet unser Dorf und seine Eigenständigkeit auf. Filialbetriebe mit weitgehend auswärtigem Personal, aber auch Allerwelts-Grossmärkte bringen mehr Nachteile als Vorteile.
  4. Dorfzentrum: Soll der Dorfkern vermehrt als Dorfzentrum für alle funktionieren und wie könnte dieses Ziel erreicht werden? Wären vielleicht – weil sich Würenlos mit grossen Würfen generell schwer tut – kleinere modulartige, etappierbare Massnahmen am wirkungsvollsten? Eine Tempo-30-Zone zwischen Drogerie am Bach und Limmat-Beck? Ein 10. Kindergarten oder Mehrzwecklokal in der Zentrumsscheune?
  5. Naherholungsgebiete: Das grosse Plus von Würenlos.  Sie werden mit steigender Einwohnerzahl immer wichtiger. Gelegenheit zu ihrer Aufwertung ergibt sich mit der «modernen Melioration» (Güterzusammenlegung), die angerollt ist. «Modern» heisst, dass im hoch subventionierten Projekt die Interessen der Allgemeinheit gleichgewichtig mit jenen der Landwirtschaft zu berücksichtigen sind. Der Gemeinderat hat die Öffentlichkeit zu vertreten. Dürfen wir neue, attraktiv angelegte Spazierwege erwarten? Dürfen wir mit einer ökologisch stark aufgewerteten Landschaft rechnen? Oder behält die optimale Bewirtschaftung einiger weniger Landwirtschaftsbetriebe Vorrang?
  6. Gemeindeeigene Liegenschaften: Wie ist ihr Zustand, welcher Sanierungsbedarf besteht? Bei etlichen Gebäuden – Feldstrasse 3 (Betreibungsamt/früherer Polizeiposten), alter Coop/Rössliweg 2 (Tagesstrukturen), Schulstrasse 29 (Wohnhaus) könnten Ersatzbauten mehr Nutzen bringen.
  7. Ortsbildschutz: Welche Bauten oder Gebäudegruppen, die noch vom früheren Dorf zeugen, hält der Gemeinderat als Identifikationsobjekte für erhaltenswert? Und was kehrt er vor, dass diese Gebäude dann doch nicht – mit oft fadenscheinigen Begründungen – dem Erdboden gleichgemacht werden? Es geht nicht nur um eigentliche Baudenkmäler wie den Speicher und nicht nur um Bauten in der Kernzone, in Oetlikon und im Kempfhof.
  8. Hochwasserschutz: Bei diesem grossen Vorhaben entlang des Furtbachs, das Millionen verschlingen wird, ist der der Gemeinderat Gesprächspartner des federführenden Kantons. Welche möglichen Eingriffe erachtet der Gemeinderat als sinnvoll, welche nicht? Es geht ums Ortsbild und bauliche Entwicklungsmöglichkeiten, aber auch um Spazierwege und neue Brücken.
  9. Informationspolitik. Das Handeln des Gemeinderates ist oft intransparent. Informiert wird wenig proaktiv und oft erst dann, wenn es nicht mehr anders geht – vor allem, wenn’s politisch heikel wird. Ein Konzept, das sich an grösstmöglicher Offenheit orientiert und darauf bedacht ist, möglichst viele Bürgerinnen und Bürger für das politische Geschehen in ihrer Gemeinde zu interessieren, würde das Regieren ungemein erleichtern.
  10.  Und noch Vieles mehr. Hier noch einige weitere Bereiche, wo sich in den nächsten Jahren Handlungsbedarf ergibt und darum konkretere Zukunftsperspektiven wünschenwärte wären.
    Sportanlagen: Wie konkret muss es um die Gemeindefinanzen bestellt sein, damit das Projekt im Tägerhard nach Ansicht des Gemeinderates wieder aus der Schublade gezogen werden kann?
    – Zusammenarbeit mit Nachbargemeinden: Wo konkret sieht der Gemeinderat weitergehende Möglichkeiten?
    Öffentlicher Verkehr: Wie soll es mit dem Ortsbus weiter gehen, wenn dieser in absehbarer Zeit seine Kapazitätsgrenzen erreicht?
    Spitex:  Statt mit Nachbarorganisationen zu fusionieren, soll sie  in das Alterszentrum integriert werden. Wie konkret soll das funktionieren? Und was, wenn das Alterszentrum doch länger auf sich warten lassen sollte?

Ein Gedanke zu „Wohin steuert der Gemeinderat?“

  1. Öffentlicher Verkehr: Wie soll es mit dem Ortsbus weiter gehen, wenn dieser in absehbarer Zeit seine Kapazitätsgrenzen erreicht?
    Der Ortsbus mag vielleicht in den Morgen- und Abendstunden an je 2-3 Busfrequenzen ausgelastet sein und dies liesse sich mit ganz einfachen Massnahmen beheben. Wer erleben will, wie er organisiert und entsprechend schlecht ausgelastet ist, der fahre doch mal von Killwangen zum Würenloser Bahnhof. Dort angekommen, wird er feststellen, dass er so nicht sinnvoll und nimmer im gedachten Sinn betrieben wird. Würden Kinder nicht lieber 29 Min. auf den nächsten Bus warten als 10 Min. zu Fuss gehen, so wäre die Busauslastung noch viel schlechter. Dafür müssten sie die Eltern mit dem Auto nicht so oft zum Bewegungs- Physio-Therapeuten und zum Freizeitsport fahren. Ein weiteres öV-Buserlebnis ist jeweils X:50 Uhr auf der Schulstrasse zu beobachten. Innerhalb einer Minute 3 Gelenkbusse und ein Ortsbus und praktisch alle leer! Sprich es hat mehr leere Busse als mit max. 3 Personen besetzt. Dies gilt für alle 3 Buslinien auf der Schulstrasse, wo alle 5 Min ein öV-Bus fährt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert