Eine ausserordentliche Gemeindeversammlung hat am Dienstag die Vorlage für die Totalrevision der Bau- und Nutzungsordnung BNO als Ganzes zur Überarbeitung an den Gemeinderat zurückgewiesen. Was bleibt nach acht jährigem Planungsprozess? Ein Scherbenhaufen. Es ist beileibe nicht der erste, der in Würenlos von grossen Planungsvorhaben zurückbleibt.
Die Mehrzweckhalle ist besetzt bis auf den letzten Stuhl, der noch in einem Abstellkämmerchen aufzutreiben war. 568 Stimmberechtigte sind erschienen (nur 19 weniger als an der «Rekord-Gmeind» 2013 zum Standortentscheid Alterszentrum), um über das Schicksal der totalrevidierten BNO zu befinden.
Je näher der Dienstag gerückt war, desto deutlicher wurde, dass es nicht der krönende Abschluss dieser Planungsgeschichte werden dürfte. Zum Auftakt geben Gemeindeammann Toni Möckel und Gemeinderat Consuelo Senn, unterstützt von Andrea Hofbauer, der stellvertretenden Leiterin der Bauverwaltung, und von Paul Keller, dem externen Projektleiter, einen straffen Überblick über das grosse Planungswerk, seine Ziele, seine Instrumente. Sie versuchen, die inhaltlichen Änderungen am am komplexen Planungswerk so anschaulich wie möglich darzustellen. Sie betonen, wie sehr die Arbeit am Planungswerk zum Wohl der ganzen Bevölkerung erfolgt sei, wie sehr der Fokus auf qualitatives Wachstum und weniger als vom Kanton gefordert auf quantitatives Wachstum gerichtet war. Man spürt, die Versammlung hat da ihre Zweifel.
Als dann die Gegner – vorab die hinter dem wenige Tage zuvor verteilten Flyer stehende Gruppe mit ihren Sprechern Beat Güller, Adrian Güller und Georges Fritz ihre zahlreichen Abänderungsanträge präsentieren, wird das Werk richtiggehend zerzaust. Von Papiertiger ist die Rede, von unnötiger Überregulierung, von unberechtigten Eingriffen ins Privateigentum. Vom Unsinn, die Ausnützungsziffern in den Wohnquartieren zu reduzieren, wo gleichzeitig innere Verdichtung gefordert würde. Die neue Grünflächenziffer völlig unnötig, Würenlos sei auch ohne schön grün geblieben. Obwohl die Gemeinde selbst nicht mit gutem Vorbild vorangehe. Und und und. Nur wenige Votanten stärken dem Gemeinderat den Rücken.
Und endlich kommt von Pascal Renaud (FDP) der schon angekündigte Antrag, das Geschäft gesamthaft zur Überarbeitung zurückzuweisen. Über den Antrag muss sofort abgestimmt werden. Er wird klar angenommen, womit die Diskussion zur Sache sofort abgebrochen werden muss.. Etwas zu früh, findet sogar ein Votant, der an der Totalrevision keinen guten Faden lässt. Denn man habe wegen dem Diskussionsabbruch noch nicht alle Votanten gehört, die sich noch zum Geschäft hätten äussern wollen.
In der Tat hat man mit der totalen Rückweisung dem Gemeinderat eine schwierige Aufgabe aufgebrummt. Denn in welche Richtung soll die Überarbeitung gehen? Die geplanten Umzonungen ganz oder nur teilweise streichen, auf tiefere Ausnützungsziffern verzichten, aber nicht auf die offerierte Kompensation dafür (Wohnräume im Untergeschoss nicht mehr bei der AZ anrechnen)?
Nicht zu unterschätzen sind auch mögliche Folgen des Rückweisungsentscheids. Gar nicht im Sinne all jener, die eine möglichst geringe Zunahme der Dorfbevölkerung wollen, könnte eine indirekte Folge sein. Viele der Grundeigentümer, die sich als Verlierer der neuen BNO gesehen hätten, könnten rasch ihre Bauland- und Ausnutzungsreserven noch gemäss alter BNO realisieren wollen. Dann könnte sich der Bauboom in Würenlos (viel früher als erwartet konnte unlängst die 7000. Einwohnerin gefeiert werden) auch in den kommenden Jahren fortsetzen. Die Baulandreserven von 5,38 Hektaren in Wohn- und Mischzonen könnten viel schneller aufgebraucht sein als gedacht. Das würde die Eigenheimpreise und die Mieten durch die Decke schiessen lassen. Nicht wenige, die nun für ihr Häuschen und ihre Autoabstellplätze gekämpft haben, dürften deswegen aus dem Dorf verdrängt werden.
Zunichte gemacht ist die grosse Arbeit von Gemeinderäten und Angestellten der Verwaltung, von externen Fachplanern und vor allem der freiwillig Mitwirkenden in Kommissionen und Arbeitsgruppen. Zurück bleiben viele Frustrierte. Etliche werden sich die freiwillige Mitwirkung an solchen oder ähnlichen Planungsprozessen, die letztlich für die Katz sind, kein zweites Mal mehr antun wollen, ja, sich sogar von den Gemeindeversammlungen fernhalten.
Vom finanziellen Schaden ganz zu schweigen. Fast alles Geld, das für die Gesamtrevision der Allgemeinen Nutzungsplanung in zwei Schritten bewilligt wurde – insgesamt CHF 745’000 – ist verloren.
Und erst der Zeitverlust! Wie lange dauert’s wohl, bis eine neue BNO präsentiert werden kann, die vom Stimmvolk auch goutiert wird? Projektleiter Keller sagte auf eine Frage aus der Versammlung, in ein, zwei Jahren sei das möglich. Es wird realistischerweise wohl eher fünf Jahre oder länger dauern.
Denn fast der ganze Planungsprozess muss sinnvollerweise nochmals durchgespielt werden, mit Festlegung der Revisionsziele, Mitwirkungsverfahren, öffentlicher Auflage, Vorpüfung durch den Kanton (es brauchte aktuell deren 2, weil die erste beim Kanton durchfiel), öffentliche Informationsveranstaltungen, Einwendungsentscheide (aktuell waren es 73) usw.
Aufgegleist war die jetzige Totalrevision durchaus besser als die früheren. Die Mitwirkung breiter Kreise, insbesondere der Grundeigentümer, war in der Organisation nicht nur eingeplant, sondern funktionierte in der Anfangszeit leidlich gut. Das Interesse an freiwilliger Mitarbeit in der Spezialkommission und in Arbeitsgruppen war überraschend gross. Doch je mehr Zeit verstrich, desto mehr haperte es bei der Transparenz. Die Covid-Pandemie mag dazu beigetragen haben, die Hauptursache war sie gewiss nicht.
Als die jetzt gross auftrumpfenden kritischen Grundeigentümer vorerst noch als Einzelkämpfer ihre Probleme den Planungsverantwortlichen darlegten, seien sie nicht Ernst genommen worden, sagen sie. Warum wurden ihnen nicht nachträglich Sitze in der sogenannten Resonanzgruppe angeboten? Warum wurden nicht mehr öffentliche Informationsveranstaltungen als geplant durchgeführt? An denen hätten Kritikpunkte allgemein verständlich und ehrlich erläutert sowie diskutiert werden können.
Ein Grossteil der Meinungsbildung passiert v o r der Gemeindeversammlung. Der Gemeinderat muss kommunikationsmässig dringend über die Bücher. Er muss zur Präsentation solcher Monstervorlagen Kommunikationsprofis beiziehen, die alle Info-Kanäle zu bespielen und Info-Veranstaltungen attraktiv zu inszenieren wissen. Schickt der Gemeinderat ein so wichtiges Geschäft wie eine BNO ins Rennen , darf nichts dem Zufall überlassen werden. Es braucht strategisches Denken, um sich nicht von cleveren Gegnern übertölpeln zu lassen. Beim Alterszentrum, bei der Aushubdeponie Steindler und nun bei der abgelehnten BNO haben gewiefte Gegnerschaften die politische Agenda bestimmt.
Wie stimmte der Autor?
Bis zum Rückweisungsantrag war ich unentschieden, ob ich die BNO in einer Schlussabstimmung annehmen oder ablehnen würde. Dafür wusste ich im Voraus, wie ich zu einzelnen Abänderungsanträgen stimmen würde. Abgelehnt hätte ich einen kompletten Verzicht auf die Grünziffer oder auf jegliche Umzonungen. Bei den Arealüberbauung hätte ich für die minimale Grösse von 2000 m3 gestimmt. – Weil ich diese differenzierte Meinung wegen des Rückweisungsantrags abstimmungsmässig nicht zur Geltung bringen konnte, lehnte ich die totale Rückweisung ab. Alle Änderungsanträge zum Traktandum 3 « Ausgleich von Planungsvorteilen» habe ich abgelehnt und dem betreffenden Reglement in der gemeinderätlichen Fassung wie die Mehrheit zugestimmt.
Der Artikel spricht einen wichtigen Punkt an: Würenlos steht vor grossen planerischen Herausforderungen. Dennoch verdienen zentrale Aspekte eine deutlich kritischere Betrachtung.
Viele Stimmberechtigte fühlten sich im Planungsprozess weder gehört noch ernsthaft einbezogen. Kritische Rückmeldungen aus der Bevölkerung, aus den Arbeitsgruppen und von Fachpersonen blieben unbeachtet, Einwände wirkten wie Alibiübungen. Die Zusammenarbeit mit dem Planungsbüro war nicht konstruktiv, insbesondere das Auftreten von der Arcoplan klg wurde vielerorts als unzugänglich und kompromisslos wahrgenommen. Der Gemeinderat versäumte es, den Prozess aktiv zu steuern und Warnsignale rechtzeitig aufzugreifen. Der Misserfolg der BNO-Revision ist deshalb nicht nur inhaltlich begründet, sondern Ausdruck eines tiefgreifenden Vertrauensverlusts in die Planungsführung.
Eine künftige Planung muss dringend einen anderen Ton und eine neue Haltung finden – partizipativ, respektvoll und lösungsorientiert. Und vor allem muss der Fokus auf einem echten Mehrwert für die Bevölkerung liegen – nicht auf einer schleichenden Enteignung.
Wenn dieser Mehrwert erkennbar ist, braucht die Gemeinde weder Kommunikationsberater noch Krisenstrategien und ein BNO-Entwurf lässt sich nicht mit einfachsten Mitteln in kürzester Zeit zu Fall bringen.
Auch wenn acht Jahre Planung lang erscheinen mögen: Sie verblassen im Vergleich zur Tragweite einer BNO, die das bauliche, ökologische und gesellschaftliche Leben in der Gemeinde für 20 bis 25 Jahre prägen wird. Deshalb darf es nicht darum gehen, einen Entwurf einfach „fertig“ zu machen – sondern darum, ihn richtig zu machen.
Den 745’000 Franken an Planungskosten steht ein potenzieller Verlust von Millionen an Liegenschaftswerten gegenüber – ausgelöst durch überrissene Vorschriften, steigende Auflagen und wachsender Verwaltungsaufwand. Diese Rechnung geht weder ökonomisch noch politisch auf.
Die Bevölkerung hat ein klares Signal gesetzt: So nicht. Es braucht einen echten Neuanfang – nicht nur inhaltlich, sondern auch im Prozess und in der Haltung gegenüber der Bevölkerung.