Schlagwort-Archive: Einfamilienhaus

«Hüsli»-Schweiz pur?

Man kann Würenlos durchwandern und hat das Gefühl, da reihe sich Einfamilienhaus an Einfamilienhaus.  Doch trifft das Bild eines ausgeprägten Einfamilienhaus-Dorfes noch zu? Ist Würenlos ein Dorf der typischen Hüsli-Schweiz, überwuchert von einem Einfamilienhaus-Teppich?

DSC_0004
Wegen des damit einhergehenden Landverbrauchs geisselt etwa Publizist und Architekturkritiker Benedikt Loderer seit langem das «Hüsli» als Landeskrankheit. Er ist kein einsamer Rufer in der Wüste mehr. Auch Bund und Kantone setzen in ihrer Raumplanung Zeichen gegen die Zersiedelung und den galoppierenden Landverbrauch.

Die 6067 Menschen, die zu Beginn dieses Jahres in Würenlos lebten, wohnten in rund 2600 Wohnungen. Von all diesen Wohnungen sind 38.5 Prozent Einfamilienhäuser. Dieser Einfamilienhausanteil ist, betrachtet man den ganzen Bezirk Baden, in der Tat überdurchschnittlich hoch. In 13 Bezirksgemeinden – die meisten davon im Limmattal – leben die Menschen häufiger in Mehrfamilienhäusern als bei uns. In Killwangen und Oberrohrdorf ist der Einfamilienhausanteil gleich hoch wie in Würenlos, höher ist er in 10, meist deutlich ländlicheren Bezirksgemeinden*.

Künftig werden wohl immer mehr Würenloserinnen und Würenloser in einem Mehr- statt in einem Einfamilienhaus wohnen. Es werden tendenziell weniger neue Einfamilienhäuser bewilligt als früher. Wie dem soeben erschienenen Rechenschaftsbericht 2014  der Gemeinde  zu entnehmen ist, wurden letztes Jahr gerade mal noch 5 neue Einfamilienhäuser bewilligt, das ist der tiefste Wert seit 2008. Schon 2013 war die Zahl der bewilligten Einfamilienhäuser nur noch halb so gross wie im Vorjahr. Immer mehr  neu bezogene Wohneinheiten befinden sich in Mehrfamilienhäusern, so etwa in den Überbauungen Hürdli, Rosenpark, Flüehügel, oder Gatterächer West.

Ist diese Entwicklung nun gut oder schlecht? Aus meiner Sicht überwiegen die Vorteile – nicht nur, weil meine Kinder in Mehrfamilienhäusern aufgewachsen sind und davon keinen Schaden davon getragen haben. Nein, die Entwicklung darf auch als Zeichen gesehen werden für einen haushälterischeren Umgang mit unserem in jeder Hinsicht kostbaren Boden. Ein grösseres Angebot an Wohnungen begünstigt zudem die Verjüngung der in die Jahre gekommenen Einfamilienhausquartiere: Ältere Ehepaare, deren Kinder flügge geworden sind, können vermehrt aus Einfamilienhäusern in praktischere Wohnungen wechseln und  jungen Familien Platz machen . Architektonisch gut gestaltete Mehrfamilienhäuser  beeinträchtigen zudem das Ortsbild nicht mehr als das vielerorts anzutreffende Mischmasch aus verschiedensten Einfamilienhaustypen mit minimal-Umschwung und überdimensionierten Flächen für die Autoparkierung. Und sie erzeugen weniger dorfinternen Autoverkehr.

Die Entwicklung kann für die Gemeinde auch finanziell interessant sein kann. Denn ausgedehnte Einfamilienhausquartiere verursachen generell höhere Kosten, etwa für Strassenunterhalt und Schneeräumung, Wasser- und Kanalisationsleitungen. Interessant wirds auch, wenn man die Einfamilienhausquote mit der Steuerkraft pro Einwohner vergleicht. Da zeigt sich in den beiden anderen Bezirksgemeinden mit ähnlich hohem Einfamilienhausanteil wie in Würenlos ein ganz unterschiedliches Bild. In Bergdietikon ist die Steuerkraft mit 4518 Franken um die Hälfte höher als in Würenlos (2013: 3037 Franken), in Killwangen ist sie mit 2656 Franken um fast 15 Prozent tiefer. Nur in vier der 10 Bezirksgemeinden, in denen anteilsmässig mehr Leute in Einfamilienhäusern wohnen als in Würenlos ist die Steuerkraft höher. Und in fünf von 13 Gemeinden mit tieferer Einfamilienhausquote ist sie höher als bei uns. Womit die alte Mär widerlegt sein dürfte, wonach die Finanzlage einer Gemeinde sich automatisch bessere, wenn vor allem Einfamilienhäuser gebaut würden.

*Gemeinden im Bezirk Baden mit höherem Einfamilienhaus-Anteil: Bellikon, Bergdietikon, Birmenstorf, Freienwil, Künten, Mägenwil, Remetschwil, Stetten, Wohlenschwil, Würenlingen.