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Gesamtkunstwerk zu verkaufen

Das Haus von Ugo Rondinone am Furtbach, projektiert von den Zürcher Architekten Andreas Fuhrimann und Gabrielle Hächler.
Das Haus von Ugo Rondinone am Furtbach, projektiert von den Zürcher Architekten  Fuhrimann und  Hächler.

Ugo Rondinone, der bekannte Schweizer Künstler, kehrt Würenlos schon wieder den Rücken. Sein 2012 erstelltes Haus am Furtbach, an der untersten Bachwiesenstrasse, steht zum Verkauf.

Wer die von der beauftragten Immobilienagentur auf «homegate.ch» als «Gesamtkunstwerk» angepriesene Villa mit japanischem Flair erwerben möchte, muss  ziemlich tief in die Tasche greifen: 5,28 Millionen Franken will der aus dem Urnerland stammende, hauptsächlich in New York lebende Künstler haben. würenblicker hat schon zweimal  (hier und hier) über das Haus berichtet, das bezüglich Lage, Architektur und Innengestaltung sicherlich eines der bemerkenswertesten in unserer Gemeinde ist. Aufmerksamen Spaziergängern aufgefallen ist, dass die weisse Baumskulptur, der Abguss eines knorrigen Olivenbaums, bereits aus dem Garten verschwunden ist. Aufgestellt worden war das Kunstwerk anlässlich der letzten Kunstmesse Art Basel. Damals waren auch in der Villa selbst viele Werke Rondinones ausgestellt,  und interesserte Kunstfreunde wurden von Rondinones Galerie zur Besichtigung eigens von Basel nach Würenlos gekarrt.

Der weisse Olivenbaum

Was haben der Battery Park in New York und die Bachwiesenstrasse in Würenlos gemeinsam? Unter freiem Himmel aufgestellte  Baumskulpturen des Schweizer Künstlers Ugo Rondinone. Gleich mehrere Exemplare waren es 2007 in New York, eines ist’s  nun in Würenlos.

Skulptur im Garten des Hauses Rondinone an der Bachwiesenstrasse.
Skulptur im Garten des Hauses Rondinone an der Bachwiesenstrasse.

Neugierig äugten neulich zwei ältere Frauen durch die Hecke entlang der Bachwiesenstrasse und versuchten einen Blick zu erhaschen auf das schneeweisee Etwas, das da seit Kurzem im Garten des Hauses Rondinone steht. Als hätte es Hans Arnold geahnt: In seinem würenblicker-Beitrag «Zwei Künstler im Schattenloch» stellte er im Mai einen Bezug her zwischen den alten, teils knorrigen Bäumen rund ums Haus Rondinone und den Baumskulpturen des Hausherrn Ugo Rondinone, mit denen er die Schweiz schon an der Biennale von Venedig 2007 vertreten hat. Der rund 1,5 Tonnen schwere Aluminium-Abguss eines Olivenbaums, der nun in seinem Garten steht,  dürfte die kostbarste Skulptur sein, die je auf Würenloser Boden stand. Rondinone gilt nicht nur als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler der Schweiz, er erzielt mit seiner Kunst auch Höchstumsätze.

Die Skulptur wurde nicht zufällig gerade jetzt in Würenlos aufgestellt . Während der Art Basel, der grossen Kunstmesse, die am Sonntag zu Ende ging, stand Rondinones Studio House in Würenlos Kunstinteressierten an wenigen Tagen zur Besichtigung offen. An drei Tagen betrieb die Zürcher Galerie Eva Presenhuber, die Rondinone in der Schweiz vertritt,  einen Shuttle-Dienst von Basel nach Würenlos, am ersten Tag konnte das Haus frei besichtigt werden. Nur wusste das kaum jemand, hatte die Galerie  doch nur mit Flyern an der Art Basel und in ihren Zürcher Raumlichkeiten darauf aufmerksam gemacht.

Das Haus erfüllte so einige Tage lang den Zweck, für den es eben auch gebaut worden sein dürfte: um einer potenten Käuferschaft Werke Rondinones in stilvollem Ambiente zeigen zu können. Nur als temporäre Absteige für den hauptsächlich in New York lebenden Künstler und seine Gäste wäre das Gebäude reichlich überdimensioniert. Das von den Zürcher Architekten Andreas Fuhrimann und Gabrielle Hächler zusammen mit dem Bauherrn entworfene, mit Eternit verkleidete Holzhaus ist, wie ein Rundgang der beiden würenblicker-Blogger Arnold und Früh zeigte, extravagant und voller Gegensätze. Wer sich das auf Fotos ansehen möchte, findet solche hier auf der Homepage der Architekten Fuhrimann und Hächler.

Verschwenderisch grosse Räume kontrastieren nicht nur mit viel kleineren, intim wirkenderen Zimmern, sondern auch mit dem betont schlichten Ausbaustandard. Statt Lampen leuchten durchwegs nur Glühbirnen, die meisten Stromleitungen sind offen, über dem Putz verlegt, die Böden bestehen aus schlichten Planken, die weissen WCs mit schwarzen Brillen könnten aus einem Wohnblock der Siebzigerjahre stammen. Vieles ist Understatement. Es ist erlesen und kostet viel, nur sieht man’s nicht. So verbirgt ein Chuchichäschtli mit Knaufgriffen an den Schubladen, wie es unsere Grosseltern kannten, modernste Küchenbautechnik.

Das Wohnzimmer istso gross wie eine Turnhalle,  zwei Geschosse hoch mit riesiger Fensterfront ins Grüne. Winzig  dagegen die mit einem Vorhang abgetrennte Schlafkoje des Künstlers, der sich von aussen nicht erkennbar ein grosszügiges Badezimmer mit Sauna anschliesst. Geradezu intim auch die Bibliothek mit Schreibtisch. Über 100 Quadratmeter gross  wiederum ein Gästezimmer im Obergeschoss. In dieses hinauf führt vom Erdgeschoss  eine giftgrün gespritzte Holztreppe.  Als Besucher staunt man immer wieder über den Mut zur frechen Kombination.

Die Art Basel ist vorbei. Nun wird das Haus wohl wieder in den Dornröschenschlaf versinken. Der weisse Olivenbaum soll aber noch eine Zeitlang stehen bleiben, so die Auskunft einer Angestellten der Galerie Presenhuber.

 

Zwei Künstler im Schattenloch

Die Gegend am untersten Furtbach scheint Künstler besonders anzusprechen.  Jedenfalls liessen auf dem gleichen Grundstück nacheinander gleich zwei bekannte Persönlichkeiten aus der Schweizer Kulturszene jeweils ein Haus bauen.

In einem Cadillac-Cabriolet fuhr Rudolf Bernhard in Würenlos  vor, um das Baugesuch einzureichen.
In einem Cadillac-Cabriolet fuhr Rudolf Bernhard in Würenlos vor, um das Baugesuch einzureichen.

Unter «Ein Gerücht geht um» war in den «Würenloser-Blätter 1990» in einem Beitrag von Silvia Haab zu lesen: «Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf damals die Würenloser Bevölkerung die Botschaft, dass einer der populärsten Schweizer Männer ins Dorf ziehe und dann erst noch in einem ausgesprochenen Schattenloch sein Zuhause einrichten wolle.»  Als der Prominente das Baugesuch einreichte, so erinnern sich ältere Würenloser, sei er mit einem roten Cadillac-Cabrio vorgefahren und habe das Auto auf dem Schulhausplatz parkiert. Dass alle Schüler um das besondere Auto herumstanden und es bestaunten und befühlten, ist anzunehmen. 

Rudolf Bernhard.
Rudolf Bernhard.

Rudolf Bernhard war einer der beliebtesten Komiker und Schauspieler der Schweiz. Er spielte in zahlreichen Schweizerfilmen mit, schrieb Drehbücher und führte Regie. 1942 eröffnete er ein eigenes Theater in Zürich wo er und viele bekannte Schauspieler auftraten. Das Bernhardtheater existiert noch heute. Viele seiner Aufführungen wurden früher im Radio gesendet und waren ein beliebtes Unterhaltungsprogramm an Samstagabenden.

Dass Rudolf Bernhard gerade diesen «schattigen» Ort wählte für sein «Wochenend- und Ferienhaus mit Gartenhalle und Autoschutzhütte» (so die Bauauschreibung) hatte vielleicht damit zu tun, dass er fast täglich im Rampenlicht stand. Von 1950 bis zu seinem Tod 1962 war Würenlos die zweite Heimat Bernhards.

Das Haus von Rudolf Bernhard (Zeichnung von Richard Benzoni aus Würenloser Blätter 1990).
Das Haus von Rudolf Bernhard (Zeichnung von Richard Benzoni aus Würenloser Blätter 1990).

Weniger Aufsehen erregte es, als 50 Jahre später ein anderer Künstler offensichtlich Gefallen fand an dem «Schattenloch» und hier an Stelle des Bernhard-Hauses ein Wohn-Atelier baute. Längst nicht alle Würenloser wissen, dass hier ein Künstler von internationalem Format gelegentlich wohnt und arbeitet: Ugo Rondinone.

Das Haus von Ugo Rondinone am Furtbach, projektiert von den Zürcher Architekten Andreas Fuhrimann und Gabrielle Hächler.
Das Haus von Ugo Rondinone am Furtbach, projektiert von den Zürcher Architekten Andreas Fuhrimann und Gabrielle Hächler.

Rondinone wuchs in Brunnen SZ auf und studierte an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Seit 1990 lebte er in Zürich, seit 1998 besitzt er in New York ein Atelier. In den wenigen Monaten, die er jeweils in der Schweiz verbringt, wird er wohl hier in Würenlos wohnen.

Rondinone arbeitet als Konzept-, Medien- und Installationskünstler, mit grossformatigen Holzschnitten, abstrakter Malerei, Skulpturen, Fotografien und Comics. Zu seinen zentralen Themen gehört die Auseinandersetzung mit räumlichen Aspekten sowie die Visualisierung von Zeit und Vergänglichkeit. Er wirkt auch als Kurator von Ausstellungen, die er als eigenständige künstlerische Ausdrucksform bezeichnet.

Weltweit waren seine Werke an 46 Kunstausstellungen zu sehen. 2010 war eine grosse Auswahl seiner Werke im Kunsthaus Aarau ausgestellt. 1991, 94, 95 erhielt er den Eidgenössischen Preis für freie Kunst. 1998 wurde eines seiner Plakate als Plakat des Jahres prämiert. 2013 stellte er vor dem New Yorker Rockefellercenter seine monumentalen Steinfiguren aus und erregte damit auf dem renommiertesten Platz der Welt grosses Aufsehen. Einen guten Einblick in das Schaffen Rondinones gibt die Website seiner Zürcher Galeristin Eva Presenhuber (Link).

Im Internet ist über das «Artist’s House, Würenlos» unter anderem zu lesen, es stehe in einer Waldlichtung und auf seinem Grund befände sich ein markanter Baum. Schaut man sich Rondinones Baumskulpturen an, könnte man meinen, dass dieser Baum der Grund für seine Wahl gewesen sein könnte – sei es dass er ihm gefiel oder, wer weiss, er daraus eines Tages eine Baumskulptur schaffen könnte.

Skulptur von Ugo Rondinone.
Skulptur von Ugo Rondinone.
Baumgruppe im Garten des Hauses Rondinone.
Baumgruppe im Garten des Hauses Rondinone.