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Verlängerte Sommerpause und ein Wahllisten-Unfug

Dick wie ein Telefonbuch: Die “Broschüre” mit den 52 Nationalrats-Wahllisten.

Da soll noch jemand sagen, Würenlos reagiere nicht entschlossen genug auf den Klimawandel. Weil sich die Sommertage weit in den Oktober hinein erstrecken, scheint das Gemeindehaus die traditionelle Informations-Sommerpause bis kurz vor den Samichlaustag verlängern zu wollen.

Oder mag man sich an politisch relevantere Informationen in den letzten Monaten erinnern als etwa an jene zur Jungbürger:innenfeier? Die ja nicht gerade der Beteiligungsknüller gewesen ist. 12 oder 13 neu Volljährige nahmen teil, je nach Bericht der Limmatwelle oder der Rundschau. 77 waren eingeladen. Dieses Jahr – eine gute Idee der Letztjährigen – auch solche ohne Schweizer Pass. Schliesslich sind sie oft ebenso rege am Dorf- und Vereinsleben beteiligt.

Auffallend wenig neuen Gesprächstoff lieferte die Lokalpolitik. Fast unheimlich still blieb es um die beiden grössten Brocken, mit denen es nicht vorangehen will.

1. Die Gesamtrevision der Allgemeinen Nutzungsplanung (Kernstück: Bauordnung und Zonenplan), an der Dutzende von Bürger/innen in einer Spezialkommission und in Arbeitsgruppen mitgedacht und -gearbeitet haben. Ob der zuletzt genannte früheste Termin für die Behandlung an der Gemeindeversammlung – im Dezember dieses Jahres – eingehalten werden kann? Wohl kaum. Denn bevor ein solches Geschäft an der Gmeind behandelt wird, sollte es an Informationsveranstaltungen breit erläutert und diskutiert werden. Irgendwo scheint der Wurm drin zu sein. Ist die Gemeinde auch bei der zweiten Vorprüfung durch den Kanton durchgefallen?

2. Dass es zum Alterszentrum seit Anfang Jahr nichts Neues zu melden gab, erstaunt weniger: Im kuriosen Rechtsmittelverfahren um die verweigerte Baubewilligung (Klägerin: gemeindeeigene Alterszentrum Würenlos AG, Beklagte: Gemeinde Würenlos) gilt es den Entscheid des Regierungsrates abzuwarten.

Trügt der Eindruck, dass generell Würenloser Geschäfte in der Kantonshauptstadt nicht eben mit hoher Dringlichkeit behandelt werden? Aber eben: Konkretes weiss man nicht.

Bis zum 22. Oktober dominiert ja ohnehin nur ein Thema: Die National- und Ständeratswahlen. Und die Nachfolge von Alain Berset im Bundesrat.

713 Frauen und Männer wollen einen der 16 Aargauer Sitze im Nationalrat ergattern. Neuer Rekord. 2015 waren es für gleich viele Sitze noch 289 Kandidaturen.

Wer ausser Telefonbuchfetischisten mag ein solch dickes Wahllisten-Paket ernsthaft studieren? Man weiss: Allzuviele ähnliche Produkte in den Supermarkt-Regalen überfordern die Kundschaft und schmälern den Umsatz.

Pro 1006 Aargauerinnen und Aargauer entfällt nun also eine Kandidatin oder ein Kandidat für die Grosse Kammer. Würenlos kann bei dieser Kandidat:innen-Dichte nicht mithalten. Nur eine Frau und zwei Männer stellt unser Dorf. Schämen müssen wir uns deswegen nicht. Denn die Geschichte mit den 52 Wahllisten ist ein unwürdiges Affentheater.

2019 kamen die Strategen der ums Überleben ringenden CVP (jetzt die Mitte) auf die Marketing-Idee, mit einer Hauptliste und acht Unterlisten auf Stimmenfang zu gehen. Die CVP holte den angestrebten Sitz. Auch SP und EVP waren mit mehr als einer Unterliste erfolgreich. Nur für die GLP und die damalige BDP ging diese Taktik nicht auf. 2023 nun hechelten auch noch die Grünen und die FDP wie die Lemminge hinterher. Das Resultat: 10 Listen der Mitte-Partei, je 8 der Grünliberalen und der winzigen EVP, 7 der SP, 6 der FDP, 3 der Grünen. Ob die Parteien damit der Demokratie einen Dienst erweisen, wird die Wahlbeteiligung am 22. Oktober zeigen: Sinkt sie unter die 44,73 % von 2019 ist es höchste Zeit, mit dem Listen-Unfug wieder aufzuhören.

Nationalratswahlen sind Proporzwahlen und damit primär Partei- und nicht Personenwahlen. Indem eine Partei für wenige Sitze unsinnig viele Personen zur Wahl empfiehlt, drückt sie sich vor einem harten parteiinternen Selektionsprozedere und verkauft uns Wählende für dumm. Wir nehmen es diesen Viellistenparteien doch nicht ab, dass sie in ihren Reihen 50, 120 oder gar 160 Personen haben, die im Bundesparlament mehr als eine Hinterbänklerrolle einnehmen können. Im Vergleich zu den Kandidaturen auf oberen Plätzen der Hauptliste liegen die Wahlchancen der meisten Kandidaturen auf Unterlisten bei nahezu 0. Solche Leute zu wählen heisst, mit der Stimme womöglich einer Person auf der Hauptliste zum Sitz zu verhelfen, die man eigentlich vom Bundeshaus fernhalten möchte.

Mitleid verdienen unsere Stimmenzählerinnen und -zähler. Vor allem wenn wir viel kumulieren oder panaschieren. Nur schon Kandidierende mit gleichem oder ähnlichem Namen auseinanderzuhalten und der richtigen Liste zuzuordnen, stelle ich mir als Herkulesarbeit vor: 14 aargauische Meier oder Meyer wollen in den Nationalrat, 10 Suter oder Sutter, 8 Schmid oder Schmied, 7 Keller. Auch ungültige Stimmen gilt es erkennen. Zum Beispiel einen panachierten Donald Duck, Würenlos, auf Liste 04c. Doch Achtung: Frau Holle auf Liste 05b, die gibt es.