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Auch das Dörfliche hat seinen Preis

«Das Dörfliche soll bleiben», «Würenlos soll nicht um jeden Preis wachsen» – so und ähnlich lauten die behördlichen Kommentare zur Gesamtrevision der allgemeinen Nutzungsplanung (Link zu BT-Bericht). Am 15. Juli startet das öffentliche Mitwirkungsverfahren zu dieser Planungsvorlage, die das künftige Gesicht von Würenlos prägen wird. 

Einkaufsfreuden im Dorf von einst: Auslage mit Frischprodukten und Personal (Paula Lienhammer, links, und Rösli Günter) vor dem früheren Kaufhaus Konkordia an der Bachstrasse, vor 1962. (Bild: Familienbesitz Dahinten)

Die Stossrichtung der Revision – weder Einzonungen noch Aufzonungen in grösserem Ausmass –  dürfte der vorherrschenden Stimmung in der Bevölkerung Rechnung tragen. Es war jedenfalls der Tenor an den öffentlichen Workshops zur Nutzungsplanung. In der Würenblicker-Langzeit-Umfrage zur Bevölkerungsentwicklung (siehe rechte Randspalte) finden gar über die Hälfte der 329 bis heute Antwortenden, das der Nutzungsplanrevision zugrundegelegte Wachstumsziel von 7300 Einwohnern in 15 Jahren sei zu hoch. Dabei erwartet der Kanton in seiner Bevölkerungsprognose, welche die allgemeine Dynamik im Raum Limmattal berücksichtigt, für Würenlos eine Bevölkerungszunahme auf fast 7600 Einwohnerinnen und Einwohner im gleichen Zeitraum.

Dörflicher Charakter eines Ortes ist gut und recht, aber was ist eigentlich darunter zu verstehen? Ganz Unterschiedliches, wie die Würenloser Bevölkerung mit ihrem Verhalten zeigt.

Für die einen ist es vor allem der bauliche Charakter. Die “Häuschen-Schweiz”, aus der Kindheit vertraute Giebeldächer, gepflegte Vorgärten, gemütliche Gässchen und Ecken. Ob es noch die Wurst vom Dorfmetzger und den Sonntagszopf vom Dorfbeck gibt, ist ihnen egal. Man deckt sich ohnehin im Tägi oder Shoppy ein.

Andere verstehen unter dem Dörflichen vor allem ein bestimmtes soziales Zusammenleben. Man grüsst sich auf der Strasse, man kennt das halbe Dorf. Man verbringt die Freizeit im eigenen Verein und an geselligen Anlässen anderer Vereine.

Für andere wiederum ist das Funktionale wesentlich. Man kann im Dorf fast alles kaufen, was man fürs tägliche Leben so braucht. Wenn der Wasserhahn rinnt oder wenn der Zahn schmerzt, ist der Fachmann oder die Fachfrau nicht weit. Die Schulwege sind kurz, und zum Spielen sind die Kinder nicht auf das sterile Spielplätzchen hinter dem Haus angewiesen, irgendwo im Dorf warten auf sie grössere Abenteuer. 

Natürlich bedingen sich diese verschiedenen dörflichen Aspekte ein Stück weit gegenseitig. Doch für ein Lebensgefühl in pitoreskem Dorfbild hat man ja sein Chalet im Bündnerland. Und wer einen netten Pool im Garten hat, kann auf das dörfliche Schwimmbad pfeifen. Wer lieber zurückgezogen lebt, verzichtet noch so gern auf den zeitraubenden Schwatz mit Kretipleti beim Einkaufen. Und wer sein Kind ohnehin mit dem SUV zur Schule karrt, dem sind die Schulwege anderer Kinder schnurz. Kurzum: Jede und jeder kann auf seine Art glücklich werden. Und dies ist eigentlich das pure Gegenteil des Dörflichen. Denn schon vor Jahrhunderten hiess es: Stadtluft macht frei!

Dass jetzt der Dorfkern vermehrt Beachtung finden soll, ist bemerkenswert.  Denn einen Dorfkern nach landläufiger Auffassung hatte Würenlos nie. Die frühere Siedlung zog sich drei wichtigen Strassenzügen entlang – der Land, Schul- und Dorfstrasse und mittendrin die Zentrumswiese. Dichter war die Bebauung auch noch an der Mühlegasse und am mittleren Teil des Furtbachs. An der Land- und Schulstrasse ist der dörfliche Charakter von früher nur noch bruchstückhaft ablesbar.

Es hat also schon seine Richtigkeit, dass, wer durch unser Dorf fährt (oder geht!), gar nicht richtig mitbekommt, wo eigentlich das Zentrum liegt. Das Dorfzentrum muss neu erfunden werden. Doch was gehört in ein Dorfzentrum des 21. Jahrhunderts? Mehr Einkaufsläden – die immer mehr vom Online-Shopping konkurrenziert werden? Mehr Beizen – wo schon einige der bestehenden kaum über die Runden kommen? Die Post – wo wir um die bestehende fürchten müssen? Mehr Gesundheits- und Wohlfühlpraxen – ob wir uns das auch künftig leisten können? 

Die Nachfrage nach Wohnraum übersteigt heute schon das Angebot beträchtlich. Wohnen in Würenlos ist sehr teuer geworden. Sollte der Boom anhalten und sollten sich die Baulandreserven und Verdichtungsmöglichkeiten trotz Revision der Nutzungsplanung frühzeitig erschöpfen, würde es noch viel teurer werden. Dieser Preis wäre nicht in Geld zu bezahlen und hätte einen Namen: Gentrifizierung – einkommensschwächere würden durch wohlhabendere Haushalte aus der Gemeinde verdrängt. Gut zu beobachten im Kanton Zug, in Ausserschwyz, an beiden Zürichseeufern. 

Das Leben in Würenlos und dessen dörflicher Charakter sind heute stark geprägt von einer sehr gemischten Bevölkerung und einem breiten Mittelstand. Sollte dessen einkommensschwächere Teil aus der Gemeinde vertrieben werden, weil er sich das Wohnen hier nicht mehr leisten kann, dann wäre der Preis des Dörflichen endgültig zu hoch

Kampfwahl um Gemeinderatssitze

Am 29. September kommt es bei der Gesamterneuerungswahl des Gemeinderates zu einer Kampfwahl: Die wählerstärkste Ortspartei, die SVP, will auch wieder im Gemeinderat vertreten sein und hat den 40-jährigen Steven Schraner als Kandidat nominiert. Dies hat dieser selbst in der Facebook-Gruppe «Du bisch vo Würelos» bekannt gegeben. Bankfachmann Schraner ist bekannt geworden durch seinen Kampf gegen die Maskenpflicht an aargauischen Primarschulen. Nun setzt er sich für den Bau eines Pumptracks (Piste mit Buckeln und Steilwänden für BMX-Bikes) in Würenlos ein und hat dafür einen Verein mitbegründet.

Nun meldet das “Badener Tagblatts” am 29. Juni, dass auch die FDP beschlossen hat, ihren durch Rücktritt von Markus Hugi (FDP) auf Ende der Amtsperiode freiwerdenden zweiten Sitz zu verteidigen. Neben dem bisherigen Nico Kunz kandidiert für die FDP deren Ortsparteipräsident Consuelo Senn (58). Ausserdem kandidieren erneut Gemeindeammann Toni Möckel (parteilos) sowie Barbara Gerster Rytz und Lukas Wopmann (beide Die Mitte (ehemals CVP).

(Dieser Textkasten ersetzt eine frühere Meldung über die SVP-Kandidatur.)

Das Eglihaus stand der Mühlegasse gut an

Flachmaler Joseph (Sepp) Egli, der langjährige Mieter, vor dem Häuschen an der Mühlegasse.
Wer kann sich noch an das Egli-Haus erinnern? Es war rund 200 Jahre alt, stand an der Mühlegasse und wurde vor mehr als 40 Jahren abgebrochen. Wie die sogenannte Chilemetzg, die nun einem Ersatzbau weichen soll, gehörte es der katholischen Kirchgemeinde. Der Abbruch dieses Hauses hat den Charakter der Mühlegasse nachhaltig verändert. Dabei gab es einen interessanten Vorschlag, es zu erhalten.

Der oberste Teil der Mühlegasse. Am Ende des Trottoirs, wo die Treppe hinaus zur Kirche beginnt, stand das Egli-Haus. Rechts das Haus “Zur alten Schmiede”, auch Markwalder-Haus genannt.
So sähe die obere Mühlegasse heute aus, wenn das Häuschen stehen geblieben wäre. (Zeichnung H. Arnold)
Ich bin der Geschichte dieses kleinen Häuschens nachgegangen und wollte herausfinden, ob es wegen der Erweiterung des Friedhofes der katholischen Kirchgemeinde weichen musste, oder weil dort ein Trottoir gebaut werden sollte, oder weil es auf das Nachbarhaus Schatten warf.

In einem Artikel im «Aargauer Volksblatt» vom 13. Dezember 1974 ist unter dem Titel: “Wird das «Egli-Haus» zum Denkmal?” folgendes nachzulesen: «Beispielhaftes spielt sich in Würenlos ab: Im Zuge der Friedhoferweiterung hätte auch das durch die katholische Kirchgemeinde von der Familie Markwalder erworbene Haus «Egli» abgerissen werden sollen. Einige heimatschutzbewusste Würenloser fanden es aber schade, dass das 200jährige Haus an der Mühlegasse dem Trax weichen sollte. Das Kunststück gelang und das alte Haus wurde vorderhand verschont.»

Weiter kann in diesem Artikel nachgelesen werden, dass sich die Denkmalpflege für den Erhalt des Hauses einsetzte. Das Architekturbüro Moser und Reize in Baden stellte fest, dass unter dem Verputz des Hauses eine schöne Riegelkonstruktion vorhanden sei und machte einen Vorschlag, wie das Haus erhalten und genutzt werden könnte, z.B. als Ortsmuseum.Diese Pläne sind nicht realisiert worden und das Haus wurde 1974/5 abgebrochen, es musste der Erweiterung des Friedhofes weichen. Heute steht dort die Friedhofmauer mit einem Trottoir, das zur Kirchenaufgangstreppe führt. Mit dem Abbruch des Hauses ist aus einer Gasse leider eine gewöhnliche Strasse mit breitem Trottoir entstanden.

Im «Aargauer Volksblatt» wird erwähnt, dass es sich ursprünglich um ein Riegelhaus handle, was vermutlich nicht ganz richtig ist. Das Haus war, gemäss Auskunft eines Fachmannes eine Holz-Ständerkonstruktion, die auf dem gemauerten Gewölbekeller stand. Diese Holzkonstruktion wurde mit Steinen ausgemauert und innen und aussen verputzt. Diese Bauart war zur Zeit, als das Haus erstellt wurde, eine übliche Bauweise. Mit einigem Aufwand und Kosten wäre es möglich gewesen, daraus ein «Riegelhaus» zu konstruieren. Viele der heutigen Riegelhäuser waren früher ganz einfache Ständerkonstruktionen. Im Zuge einer Renovation wurden die Ständerbalken mit 50mm starken Bohlen abgedeckt, mit Ochsenblut angemalt und die Zwischenräume verputzt. Das Ochsenblut hatte nebst der farblichen Wirkung noch die Eigenschaft, das Holz zu imprägnieren.

Als es um die Erweiterung des Friedhofes ging, stand dieses Häuschen dem Vorhaben im Wege. Die katholische Kirchgemeinde verhandelte mit der Eigentümerin, der Familie Markwalder über den Erwerb der Liegenschaft. Es mussten mehrere Anläufe unternommen werden, bis sich die Besitzer bereit erklärten, es für 27’000 Franken zu verkaufen. Frau Markwalder tröstete sich über den Verlust hinweg und meinte, nun stehe es ihr nicht mehr vor der Sonne, wenn sie sich in der Küche ihres benachbarten Hauses «Zur alten Schmiede» aufhalte.

«Egli-Haus» ist eigentlich nicht der richtige Name, denn das Haus gehörte nicht dem Maler Egli, sondern eben der Familie Walter Markwalder im Haus «Zur alten Schmiede» gegenüber an der Mühlegasse. Dass das Haus nach dem Mieter benannt wurde und nicht nach dem Eigentümer, hatte sicher mit der Person des Malers zu tun.

Es dürfte sich also lohnen, dieser Geschichte nachzugehen. Sepp Egli kam von Nussbaumen, wo er ein Malergeschäft besass, nach Würenlos. Hier heiratete er Emma Hunziker, mit der er zwei Kinder hatte, Elsbeth und Bernhard. Er mietete dieses Häuschen an der Mühlegasse. Klein und bescheiden war es. Im 38 Quadratmeter grossen Wohngeschoss gab es drei Räume, eine Stube, ein Schlafzimmer und einen kleinen Nebenraum. Die Küche war im Wohnzimmer hinter einem Vorhang verborgen. Eine Treppenleiter führte in den Dachraum, wo Sohn Bernhard hauste. Das WC, ein Plumpsklo, befand sich neben dem Hauseingang. Um es zu nutzen, musste man also bei Kälte, Schnee und Regen das Haus verlassen. Eglis Frau Emma war oft krank. Man vermutete, dass dies auf die schlechten Wohnbedingungen (feucht und kalt) zurückzuführen sei. Geheizt wurde mit einem kleinen Gussofen. Das Holz dazu holte Egli mit seinen Kindern im Würenloser Wald. Der monatliche Mietzins betrug anfangs 35 Franken, später wurde er auf 45 Franken erhöht.

Egli fehlte der rechte Arm. Dieser war ihm im Alter von etwa 10 Jahren wegen einer Blutvergiftung amputiert worden. Seine Behinderung war vielleicht der Grund, dass der Pfarrer dem Buben die Prognose stellte, er werde es nur zum Hausierer schaffen. Dies nahm Egli dem Pfarrer übel und er trat aus der Kirche aus. Vielleicht wollte er später beweisen, dass er trotz seiner Behinderung mit Geschick und Kraft alles tun konnte.

Egli war Flachmaler. Das Malergeschäft, das er von Nussbaumen nach Würenlos gezügelt hatte, verkaufte er 1947 an Walter Schlup. Er blieb aber weiterhin als Maler tätig und arbeitete auch gelegentlich für das Malergeschäft Schlup.

Nebst normalen Malerarbeiten zeichnete er und malte Familienwappen oder bemalte und beschriftete Tafeln. Eine seiner Spezialitäten war das Maserieren und Marmorieren. Dafür wurde er ein gefragter Spezialist. Zusammen mit seinem Schwager, dem Kunstmaler Robert Ketterer, arbeitete er oft für die Denkmalpflege bei der Restaurierung von alten Bürgerhäusern und Schlössern. Egli verstarb 1980.

Das «Egli-Haus» war nicht das einzige Gebäude, das der Friedhoferweiterung weichen musste. Das «Wiederkehr-Haus» erlitt das gleiche Schicksal. Es stand an der Ecke Dorfstrasse/Mühlegasse, parallel zur Dorfstrasse.

Auch das “Wiederkehr-Haus” an der Dorfstrasse musste der Friedhoferweiterung weichen. Bild vom Abbruch im November 1974.

Bei den Nachforschungen zu dieser Geschichte waren mir behilflich:
Willi Günter mit Fotos
Robert Berger, Schwiegersohn, Ehemann der Egli-Tochter Elsbeth
Walter Markwalder, Sohn der ehemaligen Eigentümer
Hedy Schlup

Kleine Fasnächtler unterwegs im Dorf – einst und jetzt

2016 auf der oberen Dorfstrasse.

Wilde Indianer, schöne Prinzessinnen, unheimliche Gschpängschtli. Endlich wieder Fasnacht. Und das in Würenlos, das man nicht als fasnächtlichen Hotspot bezeichnen kann.

Bereits in den 1980er-Jahren hatten angefressene Fasnächtler schon einmal am Patienten Fasnacht kräftig Herzmassage betreiben müssen. Von ihren Anstrengungen  blieb später einzig der Kinderumzug erhalten, bis auch er vor einigen Jahren mangels Organisatoren sanft entschlief. Jetzt hat ein initiatives Team der Eltermitwirkung Würenlos erneut einen Anlauf unternommen, Und was sich da am Nachmittag des Samstags, 30. Januar, angefeuert durch die Klänge der Würenloser Gugge Chriesischtei-Knakker und der Gastgugge Göpfischränzer aus Glattfelden durchs Dorf bewegte, brauchte den Vergleich mit früheren Kinderumzügen nicht zu scheuen. Überzeugen Sie sich selbst. würenblicker bringt exklusiv den fotografischen Vergleich: Kinderfasnachtsumzüge 1988, 1990 und 2016.

Was der Zuschauer am Strassenrand etwas bedauert hat Die vielen bunten Kostüme und Maskeraden  wären noch schöner zur Geltung gekommen, wenn die Grossen sich etwas mehr im Hintergrund gehalten oder – noch besser – sich ebenfalls maskiert hätten. Aber Hauptsache, allen hat’s Spass gemacht.

Gleicher Ort (beim Schulhaus 1) , 1988 und...

Kinderumzug 1988 beim Schulhaus 1 (oben) und nun, 28 Jahre später, am gleichen Ort (unten).

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Weitere Bilder vom aktuellen Kinderumzug in der Galerie unten. Zum vergrössern einfach anklicken.

Weitere Bilder von 1988 und 1990 zum Abschluss.

Weder Ballenberg noch Disneyland

Vor zwei Wochen erschien zu meinem Beitrag «Altes weicht Neuem» ein Kommentar von Guido Müller. Er vertritt die Meinung, dass der Abbruch erhaltenswerter Häuser erleichtert werden sollte, wenn das Äussere des Ersatzbaues einigermassen dem Vorgängerbau entspricht.

Ich fände das nicht gut. Solche Ersatzbauten befriedigen architektonisch oft nicht, ihr historischer Wert ist gering. Wiederaufbau statt Sanierung lässt zwar keinen Ballenberg entstehen, dafür aber ein Disneyland – es wird einem etwas vorgegaukelt. Auf diese Art sind schon zu viele erhaltenswerte Gebäude in Würenlos verschwunden. Die historische Bausubstanz und das Bild unseres Dorfes hat übermässig gelitten. Obwohl die Ortsteile, um die es geht, oft in der sogenannten Dorfzone mit Bauvorschriften liegen, die strenger sind als für die übrigen Bauzonen.

Oft machen eben Details und verborgene Kostbarkeiten, wie ein Gewölbekeller oder ein Kachelofen, das Cachet eines alten Hauses aus. Sie lassen spätere Generationen nachvollziehen, wie früher in solchen Häusern gewohnt und gearbeitet wurde. Ersatzbauten können das selten. Und wenn, dann sind es Rekonstruktionen, die sehr, sehr teuer sind, indem zum Beispiel auf Normbauteile oder moderne Baustoffe verzichtet wird und spezialisierte Handwerker zum Zuge kommen.

Was erinnert an den früheren bäuerlichen Charakter der Dorfstrasse? Die unschönen, billigen Palisadenzäune ganz sicher nicht.
Blieb hier die Eigenart der einstigen Dorfstrasse erhalten?  Mit den beliebigen Spitzgiebeln wohl kaum und der scheusslich-billigen Sichtschutzwand ganz sicher nicht.

Statt eines halbbatzigen Ersatzbaus, der auf hilflose Weise versucht, doch noch irgendwie einem Bauernhaus zu ähneln, und sei es auch nur mit einem putzigen Ziegeldächli über der Rampe zur Tiefgarage, wäre ein moderner Neubau oft ehrlicher und überzeugender. Natürlich müsste er von hoher architektonischer Qualität sein und sich in die Umgebung einfügen – mit moderner Formensprache, ohne Anbiederung. In einer solchen Umgebung kämen auch die verbliebenen alten Bauten besser zur Geltung.

Die Sichtweise der Denkmal- und Ortsbildpflege hat sich verändert. Das zeigt sich am Wakkerpreis, mit dem seit 1972 alljährlich eine Ortschaft mit vorbildlichem Ortsbild ausgezeichnet wird. Wurden im ersten Jahrzehnt ab 1972 noch Postkartenidyllen wie Stein am Rhein, Guarda oder Ernen (VS) ausgezeichnet, so erhielt 2002 Turgi den begehrten Preis, weil es seine Verantwortung für das frühindustrielle Bauerbe und für hochwertige zeitgenössische Architektur erkannt habe. Und 2011 folgte die Gemeinde Fläsch im Churer Rheintal. Fläsch hat seinen Charakter als Weinbaudorf vorbildlich zu erhalten gewusst, indem es auch auf architektonisch qualitätsvolle, zeitgemässe Neubauten setzte.

In unseren alten Dorfteilen dagegen ist zu viel Geschmäcklerisches und Überangepasstes entstanden, aber zu wenig architektonisch Qualitätsvolles. Dabei hatte es mit dem mutigen Bau der neuen katholischen Kirche vor bald 79 Jahren so gut begonnen. Aber schon 1995, als in der Buchreihe «Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau» der Band VII erschien, stand da, die Würenloser Kernzone habe wesentliche Teile ihrer Altsubstanz durch Hausabbrüche oder einschneidende Umbauten verloren und sei «mit neuen, zum Teil sehr fragwürdigen Gebäuden» durchsetzt. Trotzdem, so wurde damals festgestellt, sei «die einstige Struktur der Kernzone an einer Anzahl intakt gebliebener Landwirtschaftbauten noch ablesbar».

So marode, dass es fast schon pitoresk wirkt: Das seit Jahrzehnten schamlos dem Verfall preisgegebene Bauernhaus am Furtbach, oberhalb der Dorfstrassen-Brücke.
So marode, dass es fast schon pitoresk wirkt: Das seit Jahrzehnten schamlos dem Verfall preisgegebene Bauernhaus am Furtbach, oberhalb der Dorfstrassen-Brücke.

Heute ist sie es kaum noch. Denn seit 1995 sind viele der Landwirtschaftsbauten verschwunden und weitere werden in absehbarer Zeit wohl noch folgen. Eine aussterbende Gattung sind die für Würenlos einst typischen «Mittertenderhäuser» – Kleinbauernhäuser, die unter einem Dach Wohntrakt, Stall und dazwischen das Tenn vereinen. Während einzelne wenige Eigentümer ihre Gebäude mit viel Liebe in Schuss halten, haben andere «zielstrebig nichtstuend» ihre Häuser bis zur Abbruchreife verlottern lassen.

 

Entstanden sind anstelle der platt gemachten Bauten meist relativ simple Mehrfamilienhäuser.  Die Dorfzone soll, so die Bauordnung,  «wertvolle Ortsteile in ihrer baulichen Einheit und Eigenart erhalten». Dieser Zweck wurde oft krass verfehlt. Die in der in der Bauordnung für die Dorf- und für die Kernzone vorgeschriebenen Satteldächer haben sich eher als Handidcap erwiesen. Weil die grösstmögliche Dachneigung von 50 Prozent aus Rentabilitätsgründen fast überall ausgenützt wurde, ergab sich ein Siedlungsbild, das mit dem früheren,  von ganz unterschiedlich hohen Gebäuden  geprägten wenig mehr gemeinsam hat und viel uniformer wirkt. Einigermassen ihren Zweck erfüllt haben die Spezialvorschriften der Dorfzone nur im Gebiet Mühlegasse/Dorfstrasse (ab Speicher bis Schulstrasse), beidseits des Furtbachs oberhalb der Dorfstrassenbrücke und grösstenteils im Kempfhof.

Dorfstrasse: Abgebrochen worden ist soeben das Haus, in dem einst der Konsum (heute Coop) untergebracht war, bevor er in die heutige Kinderoase umzog.
Dorfstrasse: Abgebrochen worden ist soeben das Haus, in dem einst der Konsum (heute Coop) untergebracht war, bevor er in die heutige Kinderoase umzog.

Die «bauliche Einheit und Eigenart» verloren hat die Dorfstrasse zwischen Land- und Haselstrasse. Hier gehört die eine Strassenseite zur Kern- und die andere zur Dorfzone – an sich schon eine Fragwürdigkeit.

Wie in der Dorfzone  gebaut werden darf, offenbart sich am augenfälligsten ausserhalb des Dorfzentrums, wo vor allem frühere Obstgärten und überflüssüg gewordene landwirtschaftliche Bauten dran-glauben mussten: An der Schulstrasse (einst der ausgesiedelte Bauernhof Markwalder) und an der Bachstrasse im Kempfhof stehen nun hohe Wohnblöcke mit spitzen Giebeln militärisch stramm in Kolonne – unter einem Dorf stellt man sich etwas ganz anderes vor.

Die Vorschriften für die Kern- und für die Dorfzone  sind revisionsbedürftig. Sie entstanden in der Zeit, als das Dorf noch ein anderes war. Laut Bauordnung ist die  Dorfzone unter anderem für die  Landwirtschaft bestimmt.  Anders als damals, als diese Definition verfasst wurde, gibt es aber in der gesamten Dorfzone nur gerade noch einen aktiven Landwirtschaftsbetrieb – jenen von Isidor Moser bei der Kempfhof-Barriere. Alle anderen noch bewirtschafteten Landwirtschaftsbetriebe liegen ausserhalb des Baugebietes oder im streng geschützten Weiler Oetlikon.

Neubauten an der Schulstrasse in Reih und Glied: Oed und langweilig, als stünden sie in der ehemaligen DDR.
Neubauten an der Schulstrasse in Reih und Glied: Oed und langweilig, als stünden sie in der ehemaligen DDR.

Wenns der Liebe Hergott bzw. die katholische Kirchgemeinde will, läutet auch für das einsrückliche und seltene Hochstudhaus mit dem heutigen Blumenladen (ehemals Chilemetzg) dereinst auch das Totenglöcklein.
Wenns der Liebe Hergott bzw. die katholische Kirchgemeinde will, läutet auch für das eindrückliche  Hochstudhaus mit dem  Blumenladen (ehemals Chilemetzg) das Totenglöcklein.

Die Nagelprobe kommt für die Dorfzone, wenn die katholische Kirchgemeinde ihre Absicht in die Tat umsetzen will, das Hochstudhaus (ehemals Chilemetzg) an der Schulstrasse durch einen Neubau zu ersetzen. Das ehemalige Doppelbauernhaus bildet mit den Kirchenbauten eines der reizvollsten Ensembles im ganzen Dorf; neben dem Haus Dorfstrasse 19 (mit Speicher) ist es sicher das imposanteste ehemalige Bauernhaus im alten Dorf. Ein Ersatzbau wird architektonisch alles, was in der Dorfzone je neu gebaut worden ist, um Klassen übertreffen müssen, wenn die Verantwortlichen der Kirche und der Baubehörden nicht direkt ins Fegefeuer wandern wollen.

Profilstangen beim Steinhof-Kopfbau un der daneben stehenden Scheune zeigen: Hier soll sich was tun.
Profilstangen beim Steinhof-Kopfbau un der daneben stehenden Scheune zeigen: Hier soll sich was tun.

Auch ausserhalb der Kern- und Dorfzone stehen Gebäude, die fürs Dorf wichtig und identitätsstiftend sind., wie der der  Steinhof (in der Wohn- und Gewerbezone). Er soll bis auf den Kopfbau mit dem Restaurant ebenso wie die  daneben stehende Scheune abgerissen werden. Auch hier ist es fraglich, ob zum Beispiel der Ersatzbau für die Scheune  dieser in der Form unbedingt ähneln soll (wie ein gestelltes Bauprofil andeutet), oder ob nicht ein spannender baulicher Gegensatz die ganze Gebäudegruppe aufwerten würde.

(Im würenblicker wird die Planung im Dorfzentrum  2016 einen thematischen Schwerpunkt bilden.)

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