Kandidatin unterschlagen

Am 3. September schrieb ich, wenn ich niemanden übersehen habe, so sei Gemeinderat Lukas Wopmann  der einzige Nationalratskandidat aus Würenlos. Und jetzt wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass ich tatsächlich jemanden übersehen habe. Und erst noch eine junge Frau und Bloggerkollegin. Auf der Liste 2b, das ist jene der Juso (Jungsozialisten), kandidiert auf Platz 15 Darja Keller. Sie studiert seit einem Jahr an der Uni Zürich Germanistik, Philosophie und Slawistik  und schreibt über ihre Uni-Erfahrungen als Bloggerin auf «NZZ Campus» (Link zum Blog). Ich entschuldige mich für den Lapsus.

Darja Keller.
Darja Keller. (Bild NZZ-Campus)

Und weil ich vor einem Monat verraten habe, auf welchem Platz Lukas Wopmann bei mir im Vimentis-Kandidatencheck gelandet ist (158.)  möchte ich die Plazierung von Darja Keller den Leserinnen und Lesern nicht vorenthalten: Zu meiner nicht geringen Überraschung finde ich sie schon auf dem 41. Platz von insgesamt 288 Kandidierenden. Aber checken Sie doch selber,  welche Kandidatinnen und Kandidaten am besten zu Ihnen und ihren Ansichten passen. Hier ist nochmals der Link zum interaktiven Fragebogen.

Zum Schluss noch eine Information in eigener Sache: Ende August überschritt würenblicker eine magische Marke. Erstmals verzeichnete der Würenlos-Blog innert zwöf Monaten, also von September 2014 bis August 2015,  über 100 000 Besuche. Zum Vergleich: Im ersten vollen Betriebsjahr (von November 2013 bis Oktober 2014) waren es erst gut
55 000 Besuche gewesen. Ein rechter Sprung nach oben also! Die wachsende Leserschaft ist für die würenblicker-Blogger natürlich ein grosser Ansporn. Dass die Würenloserinnen und Würenloser sich gerne online über Lokales informieren, zeigt auch dies: Die Betreiber der App «Würenlos Info» konnten dieser Tage melden, soeben sei die App zum 2000. Mal heruntergeladen worden. Herzliche Gratulation an Jürgen und Petra Berger-Russi.  würenblicker finden Sie auf der App übrigens unter Vereine/Lokalpolitik, Parteien.

Wahlschlacht

P1020166Wahlplakate in eindrücklicher Serie «zieren» momentan die Ortseingänge beim Bickacker und beim Steinbruch-Kreisel. Auch vis-à-vis des Steinhofs sowie aufgehängt an Laternenmasten (anderswo macht man das mit Regimegegnern)  zeigen uns Frauen und Männer, dass sie unbedingt nach Bern wollen.  Die Forderung, der  temporären Verschandelung von Dörfern und Landschaft mit Fotoshop-aufgepeppten Dauergrinsern sei mit einem Verbot Einhalt zu gebieten, finde ich übertrieben. Drei Monate nach dem Wahltag wird ja auch die letzte Partei ihr Werbematerial wieder engesammelt haben. Zudem könnte sich das Problem von selbst erledigen, wird  die Wirksamkeit der Kandidaten-Masseneinwanderung am Strassenrand doch  masslos überschätzt. Wer mit 50 km/h dahergefahren kommt, kann ja kaum erkennen, für wen da eigentlich geworben wird. Ist ja auch egal. Zumindest auf den Plakaten sind die Strahlemänner und -frauen und ihre hohlen Slogans ja austauschbar.

Clevere Wahlkampfmanager hecken sich da schon Originelleres aus. Was aber nicht ganz leicht ist, denn  fast alles haben wir schon gesehen: Von der Duschmittel verteilenden späteren Bundesrätin bis zu Jungsozialisten im Adams- und Evaskostüm.  Auf einer Reise durch das Hochland von Peru  vor einem Jahr (dort standen Regionalwahlen  bevor) habe ich aber doch einige schöne  Ideen aufgeschnappt, die ich hiesigen Wahlkämpfern nicht vorenthalten möchte.

P1010176Idee Nr. 1: Zustupf für die vom Staat schamlos ausgebeuteten Haueigentümer (Eigenmietwert!).  Hat Ihr Eigenheim nicht schon lange eine Fassadenauffrischung nötig? Ersparen Sie sich die Kosten für Maler und Farbe. Stellen Sie ihre Hausfassade der Partei Ihrer Wahl zur Verfügung. Und Sie kriegen Sie ein kleines Entgelt, das sich elegant am Steueramt vorbeischmuggeln lässt.

 

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Idee Nr. 2: Nutzen Sie die Werbekraft Ihres Sprösslings auf dem Schulweg. Ersetzen Sie reflektierende Warnstreifen, Schulthek und Regenjacke  ihrer Tochter oder Ihres Sohnes eine Zeit lang durch die fröhliche Ganzkörperwerbung im Dienste der Demokratie. Sparbewusste Schulpflegen bessern  ihre Budgets durch Verleih ganzer Klassen auf (Parteienproporz beachten!).

 

P1010512Idee Nr.3: Schaffen Sie dauerhafte  Werte. Ersparen Sie sich die Kosten für Prospekte, die gleich im Altpapier landen, oder für Plakate, die keiner ansehen will. Investieren Sie in Werbemittel, die nützlich sind und länger als Ihre mögliche Amtsdauer von Ihrer Grosszügigkeit und Weitsichtigkeit zeugen. Fast jede peruanische Bauernfamilie hat hinterm Haus das gleiche Hüsli stehen.  Kleine Präsente aus früheren Wahlkämpfen seien das, hört man. Der Spender ist zwar längst aus Amt und Würden gejagt, sitzt gar hinter Schloss und Riegel, doch gesch… wird in seinem Hüsli noch lange.

 

Was sich südlich des Bahnhofs tun soll

Der Gemeinderat hat den Entwicklungsrichtplan für die Gebiete Bahnhof, Gewerbe Grosszelg und Im Grund sowie Wohngebiet Steinhof /Im Grund veröffentlicht. Mit dem Planwerk sagt der Gemeinderat, wie sich dieses Baugebiet, das teils stark unternutzt, teils noch nicht überbaut ist, in den nächsten Jahrzehnten entwickeln soll. Diese Zielvorstellung spurt nächste Planungsschritte vor.

Der Entwicklungsrichtplan betrifft fast das ganze Gebiet zwischen Bahnlinie (oben), Landstrasse (rechts) und Hürdlistrasse (unten). (Bild aus der Publikation der Gemeinde).
Der Entwicklungsrichtplan betrifft fast das ganze Gebiet zwischen Bahnlinie (oben), Landstrasse (rechts) und Hürdlistrasse (unten). (Bild aus der Publikation der Gemeinde).


Das Wichtigste in Kürze:

Nutzung (Download Richtplankarte : entwicklungsrichtplan_im_grund_nutzungen_zonen_ortsbild:

  • Wohn- und Gewerbezone WG3 im vorderen Areal Steinhof (entlang Landstrasse). Gasthof-Kopfbau und Gartenwirtschaft sollen erhalten bleiben.
  • Wohnzone im hinteren Areal Steinhof und im angrenzenden Gebiet Im Grund, dreigeschossig, in einem Streifen links und rechts der Grundstrasse zweigeschossig (je plus Attika). Damit wird die Siedlungsstruktur des Quartiers Hürdli grossomodo übernommen. Das Land westlich der Grundstrasse müsste aber erst eingezont werden.
  • Gewerbezone Bahnhof sowie Grosszelg. Vorrangig bleibt die gewerbliche Nutzung. Wohnungen dürfen nur für Hauswarte bzw, Betriebsinhaber gebaut werden. Im Dreieck südlich des Bahnhofs (heute Tankstelle und Lagerschuppen) soll die neue Landi gebaut werden.

Verkehr–Download Richtplankarte Mobilität, Verkehr, Parkierung und Erschliessung: entwicklungsrichtplan_im_grund_mobilitaet_verkehr_erschliessung_parkierung

  • Ganzes Gebiet Bahnhof (mit P&R und neuer Landi) + Gewerbegebiet Grosszelg: Zu- und Wegfahrt via Bahnhofstrasse.
  • Gebiet Steinhof: Zu- und Wegfahrt ab Landstrasse mit neuer Stichstrasse. Parkplatz Gasthof wie bisher.
  • Wohngebiet Im Grund: Zu- und Wegfahrt ab Landstrasse via Lättenstrasse-Hürdlistrasse.
  • Neue Fusswege zwischen Hürdlistrasse und Bahnhof, zwischen Juch- und Lättenstrasse sowie Unterführung für Langsamverkehr bei der SBB-Barriere.
  • Neue Streckenführung des Ortsbusses: ab Bahnhof via Grosszelgstrasse-Grundstrasse-Hungerbühlstrasse-Lättenstrasse in die Landstrasse. Alternative: Ab Hungerbühlstrasse via Juchstrasse.
  • Als blosse Option: Bahnüberführung Grundstrasse – Tägerhardweg für Velos und allenfalls Busse.

Der Entwicklungsrichtplan enthält auf den ersten Blick viele vernünftige Ideen und  Anordnungen. So werden für fürs Wohngebiet Im Grund sowie das gesamte Steinhof-Areal Sondernutzungspläne (Erschliessungs- und Gestaltungspläne) vorgeschrieben. Die Parkierung soll hier unterirdisch sein und es ist Raum für einen Kindergarten (allenfalls Kindertagesstätte) vorzusehen. Download Bestimmungen: entwicklungsrichtplan_im_grund_bestimmungen

Der nun vorgelegte  Entwicklungsrichtplan ist der Versuch, möglichst allen der sich teilweise widersprechenden Interessen Rechnung zu tragen.  Damit soll wohl eine noch längere Blockierung von Bauvorhaben in einzelnen Gebieten (z.B. Steinhof) vermieden werden. Der Kompromiss hat Schwachstellen. So sollen bestehende Wohngebiete durch den entstehenden Mehrverkehr möglichst wenig belastet werden. Mit der Erschliessung des neuen Wohngebiets im Grund (via Hürdlistrasse) geschieht aber genau das im Quartier Hürdli. Wäre aber die an sich sinnvollere Verkehrserschliessung via Bahnhof- und Grosszelglistrasse gewählt worden, hätte wohl die Landi ihren Grossmarkt nie bauen können. Auch so wird sie zuwarten müssen, bis für die schwierige Verkehrssituation bei der Einmündung der Bahnhof- in die Landstrasse eine Lösung nicht nur gefunden, sondern auch realisiert ist. .

Überhaupt: Die Verkehrserschliessung ist – wie schon wiederholt dargestellt – die Krux bei diesem Planungsvorhaben. Die schwierigen Rahmenbedingungen und auseinandergehenden Meinungen von Gemeinderat und Kanton erschweren den Planungsprozess wohl auch weiterhin.

Der Entwicklungsrichtplan hat eine längere Vorgeschichte. Im Rahmen eines sogenannten Testplanverfahrens machte ein Expertenteam schon 2010 Vorschläge für die bauliche Entwicklung in diesem Gebiet. Dem Gemeinderat passten diese Ideen aber nicht und er beauftragte die Zürcher Raumentwicklungsfirma SwissSpaGroup (Ex-Würenloser Rolf Wieland ist Mitglied der Geschäftsleitung) mit der Ausarbeitung des Entwicklungsrichtplans.

Mitgeredet hat eine 14-köpfigen Arbeitsgruppe unter Vorsitz von Gemeindeammann Hans Ueli Reber. Ihre Besetzung ist beachtenswert: Dabei waren je zwei Vertreter des Bauamtes, der Planungskommission, des mit der Ortsplanung beauftragten Büros Minikus Vogt & Partner AG,  je ein Vertreter der Steinhof-Grundstücke und des Expertenteams im Testplanverfahren sowie – man staune – volle vier  Landi-Interessenvertreter (wobei bei einem im Bericht der SwissSpaGroup die enge Beziehung zur Landi unerwähnt bleibt.)

In einem sogenannten Mitwirkungsverfahren können nun Landeigentümer und Anstösser, denen das Planwerk an einer Versammlung vorgestellt wurde, bis 1. Oktober schriftlich Stellung nehmen. Die Eingaben werde der Gemeinderat bewerten und beurteilen und im Entwicklungsrichtplan berücksichtigen, heisst es in der Mitteilung auf der Gemeinde-Homepage. In einem Mitwirkungsbericht wird der Gemeinderat sagen, wie er die Eingaben bewertet hat.

Den Entwicklungsrichtplan beschliessen kann der Gemeinderat. Damit wird der Plan für den Gemeinderat, nicht aber für die Grundeigentümer verbindlich. Der Regionalplanung und dem Kanton wird er zur Kenntnisnahme unterbreitet. Die Gemeindeversammlung kommt erst zum Zug, wenn die Bauordnung und der Zonenplan abgeändert oder Projektierungs- und Baukredite nötig werden (z.B für Strassen).

Der Kandidat

Am 18. Oktober wird gewählt. 288 Aargauerinnen und Aargauer wollen in den Nationalrat. Neu hat der Aargau 16 Sitze. Auf den 22 Listen steht – wenn ich niemanden übersehen habe – gerade mal ein Name aus Würenlos.

Lukas Wopmann.
Lukas Wopmann.

Arithmetisch sind wir untervertreten. Gemessen an der Einwohnerzahl müsste Würenlos zwei bis drei Kandidaten stellen. Wenigstens tritt einer an. Und erst noch ein Junger, von denen es stets zu wenige hat in Bern. Stutzig macht höchstens, dass dieser eine gewiss nicht an Unterbeschäftigung leidet. Er hat einen Führungsjob auf dem Flughafen, präsidiert die Bezirkspartei Baden der BDP und spielt leidenschaftlich Laientheater. Und nicht zuletzt ist Lukas Wopmann ja auch Gemeinderat und hat eben das anspruchsvolle Amt des Finanzvorstands übernommen, garniert mit der nicht minder heiklen Verantwortung für die Altersbetreuung  (Alterszentrum).

Seine Agenda muss sehr voll sein. Gelegentlich hört man Klagen aus offiziellen Gremien über Absenzen und dass es schwer sei, Termine mit ihm zu finden. Nun gut, Wopmann ist voll berufstätig und der einzige Gemeinderat, dessen Arbeitsplatz sich nicht in der engsten Region befindet.

Jetzt will er also noch ins Bundeshaus. Der junge Mann ist ja auch schon Alt-Grossrat. 2012, als seine kurz zuvor gegründete Partei auf Anhieb sechs Grossratssitze eroberte, war er ins Kantonsparlament gewählt worden. Doch bald darauf auch noch zum Gemeinderat gewählt, sah er ein, dass beides nicht drin lag. Er entschied sich für den Gemeinderat und trat, kaum war er vereidigt, als Grossrat auch schon wieder zurück. Jene seiner Wähler, die explizit mehr Junge im Grossratssaal sehen wollten, mag er so enttäuscht haben.

Doch sein damaliger Entscheid verdient Respekt. Wopmann entschied sich für das schwierigere Mandat, welches mit mehr persönlich zu tragender Verantwortung verbunden ist und mehr Präsenz erfordert. (Im Grossen Rat kann man sich notfalls ganz bequem in den hinteren Bänken verstecken.)

Mit seiner jetzigen Kandidatur leistet er vor allem seiner Partei einen Dienst. Kandidaten mit etwas politischer Erfahrung stehen der BDP nicht im Überfluss zur Verfügung. Zudem schadet eine neuerliche Kandidatur gewiss nicht Wopmanns späteren Politkarriere.

Doch wie würde er das viel Zeit raubende Nationalratsmandat überhaupt mit seinen anderen Pflichten unter einen Hut bringen? Ich habe ihn per Mail angefragt und auch sehr rasch eine Antwort bekommen. Danke!

Er sieht es realistisch. Seine Chancen, nach Bern gewählt zu werden, sind nicht sehr gross. Seine Partei, die BDP, muss um ihren einzigen Aargauer Sitz im Nationalrat kämpfen. Der Amtsinhaber, Bernhard Guhl, kandidiert wieder, mit dem Vorteil des Bisherigen. Zudem ist er auch Ständeratskandidat, was Publizität verspricht und mehr Nationalratsstimmen bringt. «Eine grosse Änderung seit meinem Rücktritt aus dem Grossen Rat gab es so nicht», schreibt Wopmann. Trotz der nicht sehr grossen Wahlchance habe er aber mit seinem Arbeitgeber gesprochen. Eine konkrete Lösung sei aber nicht vereinbart worden. Doch werde der Arbeitgeber bei einem Nationalratsmandat zu Zugeständnissen eher bereit sein.

«Für mehr Sachpolitik statt Selbstinszenierung» lautet das Motto von Lukas Wopmann im BDP-Kandidatenprofil. Schauen wir doch, wie weit sich unsere persönlichen sachpolitischen Präferenzen, Meinungen und Wünsche mit den seinen decken. Im Internet gibt es dafür Instrumente. Ich empfehle für den Kandidaten- (und Parteien-)Check den von «Blick» angebotenen interaktiven Vimentis-Fragebogen mit 73 zu beantwortenden Sachfragen. Das Erstellen dieses Ratings erfordert vom Wähler einiges Nachdenken, aber das darf doch sein. Dafür spuckt mir der Computer eine individuelle Rangliste aller Kandidaten und Listen aus sowie einen Wahlvorschlag mit jenen 16 Kandidaten, die meine Interessen in Bern am ehesten vertreten dürften.

Natürlich möchten Sie jetzt wissen, was  herausgekommen ist. So viel sei Ihnen verraten: Wäre ich ausschlaggebend, so würde Lukas Wopmann die politischen Sporen weiterhin nur auf Gemeindebene abverdienen. Von allen 288 Kandidaten rangiert er für mich erst an 158. Stelle, seine BDP-Liste erst an 14.  (von 22). Sorry.

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