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Das Virus und ich (2)

Die dritte Woche im Lockdown. Meine persönliche Zwischenbilanz aus Sicht eines Rentners: Bis jetzt war’s auszuhalten. Am meisten genervt hat mich bisher die drängelnde Ungeduld einzelner profilsüchtiger Bundesparlamentarier, die es gewaltig zu ärgern scheint, dass sie im Schatten des souverän handelnden Bundesrates stehen. Sie würden in der Öffentlichkeit (jetzt noch) gescheiter den Mund halten.

Es kam, wie ich es vorausgesehen habe, zwei Tage nach Publikation der ersten Folge von «Das Virus und ich» ist das Video unserer älteren Tochter in der Mailbox gelandet: Die ersten selbständigen Schritte unserer Enkelin. Gewiss – ein kleiner Schritt für die Menschheit, für uns in dieser Zeit aber doch ein riesiger Aufsteller. Am 1. April dann der 1. Geburtstag der Kleinen. Grossmami und Grosspapi sind nach Zürich-Höngg gefahren, ausgiebiges Winken und Rufen von der Strasse aus zum Fenster des Kinderzimmers im 1. Stock. Camille hat gelacht – sie kennt uns noch! Dann heftiges Winken quer über die Strasse, wo unsere jüngere Tochter auch zur Gratulationstour erschienen ist und in gebührendem Abstand wartet, bis die Alten von der Risikogruppe das Feld räumen. Familienleben in ausserordentlicher Lage eben.

Ansonsten verlaufen die Tage schon in seltsamer Eintönigkeit. Selbst das Wetter sorgt ja nicht für viel Abwechslung. Mit Einkaufen als typische Rentnerbeschäftigung ist’s auch nicht weit her. Verhungern und ohne Blumenschmuck auskommen muss auch in Würenlos niemand. In einer solchen Pandemie zeigt sich rasch, wer vom örtlichen Handel und Gewerbe einen drauf hat und wer nicht. Uns besorgt immer noch die liebe Nachbarin die meisten Lebensmittel, obwohl sie auch noch ein anderes Rentnerpaar und eine Nachbarin mit Gipsbein versorgt. Doch ein Spaziergang zum Hoflädeli von Markwalders Wiemelhof darf bei gebührender Vorsicht auch für uns noch drinliegen. Das denken offenbar auch Langfinger. Neuerdings bittet im Hoflädeli ein Zettel darum, die Einkäufe doch ehrlich zu bezahlen. Es sei viel ohne Bezahlung weggekommen. Ausgerechnet jetzt…

Am Tag nach dem kuriosen Familientreff steht wieder ein Höhepunkt auf dem Tagesprogramm. Jetzt geht`s im Auto nach Neuenhof, Getränke holen bei Aelligs. Wie erwartet wurden wir schon bei der telefonischen Bestellung freundlich und zuvorkommend bedient. Wollen wir die Ware selber abholen oder liefern lassen? Eine Frage des Vertrauens. Wir waren bisher zwar nicht Kunde, aber beim Dorffest vor acht Jahren hat die damals noch junge Firma der Familie  mit Wohnsitz in Würenlos als Haupt-Getränke-Lieferantin einen so tiptopen Job gemacht, dass sie gefahrloses Selbstabholen auch hinkriegen werden. So ist’s denn auch. Wir fahren vor, bleiben im Auto sitzen, der Chef himself, begrüsst uns, er müsse nur noch schnell einen anderen Kunden zu Ende bedienen. Doch dann gehts flugs. Im Nu verstaut Rolf Aellig die bestellte Ware im Kofferraum, legt die Rechnung oben drauf. Danke und uf widerluege!. 

Wir kehren nicht gleich nach Hause zurück, sondern spazieren noch der Limmat entlang bis zum Stauwehr des EWZ – Blick auf Wettingen für einmal von der anderen Seite. Es braucht nicht unbedingt einen Interkontinentalflug, um auf Entdeckungsreise zu gehen. Diesen Spaziergang haben wir in fast 40 Jahren Würenlos noch nie unter die Füsse genommen. Lohnend, wenngleich vielleicht nicht über die kommenden Ostertage. Dürfte ziemlich eng werden da, wie auch auf vielen anderen nahen Spazierwegen, etwa jenen dem Furtbach entlang oder auf den Altberg.

Glücklich, wer zu Hause einen geräumigen Balkon oder Sitzplatz hat. Und wie herrlich ruhig es da ist! Gerade ein einziger Swiss-Flieger reisst mich aus dem stundenlangen Dösen auf dem Liegestuhl an der Frühlingssonne. 

Sogar dafür ist gesorgt, dass ich nicht wie einst Waldorf und Statler in der Muppet Show von meiner Loge aus griesgrämig das Leben um mich herum (oder was davon übrig geblieben ist)  kommentieren muss. Von der Terrasse aus geniesse ich den exklusiven Blick auf die first and only Formel1-Piste in Würenlos. Rund um einen serbelnden Apfelbaum haben sie die Buben der Nachbarschaft auf der angrenzenden Wiese gebaut. Tagelang haben sie geschuftet und geschaufelt. Sogar eine kleine Boxenstrasse wurde gezimmert, aus welcher die Piloten ihre ferngesteuerten Mini-Rennwagen direkt auf die tollkühne Berg- und Talbahn rund um den Apfelbaum steuern können. Unglaublich, was die kleinen Gefährte dabei auszuhalten haben – hinein in die metertiefe Grube, mit keinem Reifen auf dem Boden wieder oben landend und weiter fräsen.

Der Apple-Tree-Racing-Course der jungen Würenloser Formel1-Piloten.

Als Nicht-Pädagoge bin ich überzeugt: Was diese Piloten bei ihrem Tun mit Schaufel und Fernbedienung und bei ihren darum jeweils entbrennenden heftigen Diskussionen in einer Woche lernen, wiegt einen Monat Unterricht im Klassenzimmer locker auf. Dennoch ist zu hoffen, dass das Homeschooling nicht allzu lange dauern wird. Sonst reicht die  Piste, an der tagtäglich weitergebaut wird, noch vor dem neuen Schuljahr bis zum Schulhaus hinunter…
(Fortsetzung folgt)

Fluglärm – ein verflixtes Thema

Das Thema Fluglärm ist in der Region wieder einmal aktuell. Soeben hat auch eine Würenloserin eine Online-Petition «Schluss mit Lärmbelastung im Kanton Aargau» gestartet. würenblicker reiht sich nicht ein in die Anti-Fluglärm-Front. Denn er schreibt nicht gerne über Dinge, die so kompliziert sind, dass er ihre Tragweite beim besten Willen nicht abschätzen kann.

Ein Blog ist verführerisch. Zu allem, wirklich allem, kann ein Blogger seinen Senf dazu zu geben, ohne auf das Wohlwollen anderer, zum Beispiel irgendwelcher Redaktionen, angewiesen zu sein. Fragt sich nur, ob man auch alles tun soll, was man tun kann. Soll man also zu allem seinen Senf  geben? Auch wenn man dabei Gefahr läuft, notgedrungen aus dem hohlen Bauch heraus argumentieren zu müssen?

Der  Fluglärm ist für mich so ein Thema, bei dem ich wohl ewig im Blindflug unterwegs sein werde und von dem ich darum lieber die Finger lasse. Zu komplex, zu technisch alles! Mehr als 25 Jahre meiner aktiven Journalistenzeit habe ich mich mit dem Grossraum Zürich befasst. Und da kochte  die Themen Flughafen und Fluglärm immer wieder hoch. Gut, wusste stets eine Kollegin oder ein Kollege auf der Redaktion im Thema tausendmal besser Bescheid.

Meine Leserinnen und Leser mögen vielleicht mitbekommen haben, dass – und jetzt bitte 300prozentige Konzentration! – ein „Anhörungsverfahrens zu den neuen Festlegungen im angepassten Objektblatt zum Flughafen Zürich des Sachplans Infrastruktur der Luftfahrt SIL“ läuft. Das liest sich nicht nur gottvergessen kompliziert – es ist es auch. Weder nach der Lektüre unserer Regionalpresse noch der zum Thema veröffentlichten Unterklagen auf der offiziellen Website des Flughafens Zürich habe ich den Durchblick. Und so mögen meine Leserinnen und Leser vielleicht auch verstehen, weshalb ich zweifellos wichtige Thema nicht rascher aufgegriffen habe.

Die neuen Festlegungen stehen im Zusammenhang mit einem zu ändernden Abflugverfahren. Wenn ich auch nur einigermassen richtig verstanden habe, geht es  unter anderem darum, dass irgendwann mal die Hauptabflugroute nach Westen ab der Piste 28 (Pistenschwelle bei Rümlang) geändert werden soll. Dies aber offenbar auch erst, nachdem die besagte Piste verlängert worden ist – ein im Standortkanton Zürich hoch umstrittenes Vorhaben. Die Flugzeuge sollen künftig entlang der Lägern bis Wettingen fliegen (wo die Routen aufgefächert werden), statt wie gegenwärtig schon auf der Höhe Buchs in Richtung Limmattal und Heitersberg abzudrehen.

Ostaargauische Politiker wehren sich dagegen, eine Motion im Grossen Rat fand breite Unterstützung.. Auf dem Portal «petitio.ch» der AZ Medien wurden Online-Petitionen lanciert, soeben eine auch von der Würenloserin Marianne Steiger. Nach fünf Tagen hatte sie allerdings erst vier Unterstützer gefunden. Link zu dieser Petition hier.

Würde Würenlos  in Zukunft viel häufiger direkt überflogen,  und wäre die Lärmbelastung effektiv grösser als heute? In einer Mitte Dezember veröffentlichten Pressemitteilung schreibt der Gemeinderat, unsere Gemeinde sei vom neuen Abflugregime «negativ betroffen», der Fluglärm werde sich stark in den Aargau verlagern. Der aargauische Baudirektor Stephan Attiger aber wies in der in der «AZ»  darauf hin, dass gewisse aargauische Gebiete auch entlastet würden, so Spreitenbach. Und Spreitenbach liegt ja nicht weiter von Würenlos entfernt als Wettingen. Zudem wird unser Dorf  zeitweise von startenden Flugzeugen auch direkt überflogen und das seit langer Zeit. Die Flugzeuge sind leiser geworden. Viele Würenloser haben noch die alten, lauten Flieger – etwa die Coronados, Caravelles oder DC 9 im Ohr und empfinden den heutigen Fluglärm als weniger störend. Wer unlängst aus einer Gegend mit wenig Fluglärm hierher zog, mag das anders empfinden.

Am störendsten finde ich heute die paar schweren Langstreckenmaschinen im Tiefflug, die unser Dorf seit Jahrzehnten regelmässig um 23 Uhr oder später beglücken. Nachtflüge seien, so der Gemeinderat in seiner Stellungnahme zuhanden des Bundesamts für Zivilluftfahrt, auf das absolute Minimum zu beschränken. Keinesfalls dürfe der Nachtbetrieb gar ausgeweitet und dazu benützt werden, um  Verspätungen abzubauen, die im regulären Tagesbetrieb entstehen. Diese Forderung halte ich für gerechtfertigt.

Darüber hinaus mag ich ich mich aber nicht an dem auch im Aargau beliebten Spiel beteiligen, den Schwarzen Peter Fluglärm anderen Gebieten unterzujubeln. Beispiel: Soll doch die reiche Zürcher Goldküste mehr Südabflüge bekommen, zumal sie schwächer besiedelt sei als der Ostaargau (so SP-Grossrat Jürg Caflisch, Baden). Wie wenn bei einem Südstart nicht unmittelbar nach der Pistenschwelle das dichtest besiedelte Gebiet Wallisellen/Zürich-Schwamendingen überflogen würde.

Nein – das Thema ist zu komplex, als dass ich eine klare Meinung formulieren könnte. Solange Würenlos und der Ostaargau als Wirtschaftsraum vom nahen Flughafen enorm profitieren und nicht nachgewiesen ist,  dass Aargauer häufiger  auf Ferien-, spassige Städte- und unnötige Geschäftsflüge verzichten als andere Schweizer, hat für mich die Parole «weniger Fluglärm für den Aargau» etwas Heuchlerisches. So, damit sei das Thema wenigstens für mich einstweilen erledigt.

Sicher gibt es aber Leserinnen und Leser, die in diesem Thema mehr Durchblick haben. Von guten Argumenten und leicht verständlichen Erklärungen lasse ich mich gerne überzeugen. Benützen Sie die Kommentarfunktion unter der Titelzeile!