Politische Makulatur und anderes Altpapier

Eine fragwürdige SVP-Initiative und das Fazit einer Umfrage zu den Altpapier- und Kartonsammlungen.

Die SVP Würenlos will ein schuldenfreies Würenlos mit tieferen Steuern. Für ein Initiativbegehren mit dieser Forderung hat sie Unterschriftenbögen an alle Haushaltungen verteilt. Rund 410 Unterschriften sind nötig, damit die Initiative an der nächsten Gemeindeversammlung behandelt werden muss. Das Initiativbegehren scheint aber unausgegoren zu sein. 

Mit einer Initiative will die SVP das Stimmvolk zur Ausgabendisziplin
zwingen. Flyer (mit Unterschriftenbogen auf der Rückseite). Plakate
an der Land- und Schulstrasse liess der Gemeinderat inzwischen entfernen.

Die «Limmatwelle» hat recherchiert und berichtet in ihrer neusten Ausgabe (Link), dass der Initiativtext nicht in allen Teilen dem geltenden Recht entsprechen soll. Wenn dem so ist, reibt man sich die Augen. Denn als treibende Kraft hinter dem Initiativbegehren  zu vermuten ist Thomas Zollinger – nicht nur Präsident der SVP-Ortspartei, sondern auch Präsident der Würenloser Finanzkommission. 

Darum geht es. Die SVP will Investitionen im Verwaltungsvermögen «mit nicht zwingendem Charakter» auf maximal 20 Prozent des jährlichen Ertragsüberschusses (Rechnung 2021: 1,965 Mio. Franken) beschränken. Mit 80 Prozent des Ertragsüberschusses wären Schulden abzubauen.

Gegen den Schuldenabbau ist an sich nichts einzuwenden. Heikel ist, dass der Initiativtext festschreibt, was mit den verbleibenden 20% des Ertragsüberschusses geschehen soll: «Die aus dieser Quote resultierenden Mittel werden einem Reservefonds für nicht zwingende Investitionen zugewiesen». Und weiter: «Der Reservefonds kann auch ausserhalb der offiziellen Buchhaltung geführt werden.» 

Doch genau dies ist laut «Limmatwelle» nicht zulässig. Das Blatt zitiert dazu erstens Gemeindeammann Toni Möckel: «Das geht so nicht und ist eigentlich schon fast kriminell.»  Und zweitens den Chef der Gemeindeabteilung im kantonalen Departement Volkswirtschaft und Inneres, Martin Süess: «Einen Reservefonds ausserhalb der offiziellen Buchhaltung zu führen ist so nicht möglich.» 

Eine Initiative, die uns auf illegale Wege führen will, kann eigentlich nur abgelehnt oder – was klüger wäre – von den Initianten gar nicht erst eingereicht bzw. zurückgezogen werden. Denn sonst  muss an der nächsten Gemeindeversammlung über die Initiative mit dem offenbar unzulässigen Inhalt abgestimmt werden. Am Text einer mit der nötigen Anzahl Unterschriften eingereichten Initiative darf nicht herumgeschräubelt werden. Bei einer Annahme tritt sie genau so in Kraft, wie sie ursprünglich formuliert worden ist. 

Doch selbst wenn die Initiative inhaltlich hieb- und stichfest wäre, ich würde sie nie und nimmer unterstützen. Sie beruht auf einem Staatsverständnis, das ich nicht teile. Für die Initianten ist ein Staatswesen nur dann ein gutes Staatswesen, wenn es finanziell möglichst kurz gehalten wird. Schon ohne diese SVP-Initiative ist der Anteil der gebundenen Ausgaben am Gemeindebudget sehr hoch. Mit Annahme der Initiative würde der finanzielle Spielraum der Gemeinde noch weiter beschnitten. Wenn letztlich nur noch über Selbstverständlichkeiten (Ersatz löchriger Kanalisationen) oder Pflichtübungen (Bauabrechnungen) frei entschieden werden kann, wird die direkte Demokratie zur Farce.

Das Gemeinwesen soll haushälterisch mit den Steuergeldern umgehen, aber es soll mit mehr als dem absoluten Notbedarf ausgestattet werden. Nur so haben die Stimmberechtigten die Möglichkeit, ihre Gemeinde so zu gestalten, dass sie ihnen lebens- und liebenswert erscheint.  

Wenn eine Mehrheit der Stimmberechtigten sich mehr als das absolut Notwendige leisten will, so soll sie sich das leisten dürfen. Vor dem Entscheid aber soll über die Vorlage gestritten werden. Da hat die SVP in Würenlos als politisch aktivste aller Ortsparteien in den letzten Jahren eine durchaus positive Rolle gespielt. 

Mit ihrer Initiative nun misstraut die SVP dem Stimmvolk zu Unrecht. Es hat in den letzten Jahren weissgott nicht alles geschluckt, was ihm vorgelegt wurde: Ein erstes Sportplatzprojekt mit Kunstrasen, der erweiterte Umbau des Gemeindehauses, eine Aula für die Schule: All dies wurde nach lebhaften Debatten an der Urne abgelehnt

                                                                               ♦♦♦

Auf eine Anregung aus der Leserschaft hin hat würenblicker eine Umfrage durchgeführt zum Thema Altpapier- und Kartonsammlungen. Das Thema scheint die Würenloserinnen und Würenloser nicht gerade unter den Nägeln zu brennen. 61 von ihnen haben sich bis heute (28.10.2022) an der Umfrage beteiligt.

– 38 Teilnehmende (62%) finden die Anzahl Haussammlungen von Altpapier und Karton gerade richtig. 2022 wird an 9 Tagen im Jahr gesammelt.
– 9 Teilnehmende (15%) fänden auch 6 Sammlungen ausreichend.
– 8 Teilnehmende (13 %) gaben an, regelmässig mit dem Auto in eine Sammelstelle ausserhalb unserer Gemeinde zu fahren, um Altpapier und Karton zu entsorgen.
– je 3 Teilnehmende (je 5%) fänden entweder 12 Sammlungen pro Jahr für Altpapier und Karton besser oder fänden 12 Sammlungen pro Jahr für Karton und nur 6 für Altpapier besser.

Teilnehmende haben auch Kommentare geschrieben. Besonders interessant sind jene, die sich mit der Entsorgung in Würenlos generell befassen. So ist die  Frage durchaus berechtigt, wie sinnvoll und wirtschaftlich es ist, wenn in Einfamilienhausquartieren vor jedem Haus ein Gebührensack steht, der dann von Hand in den Kehrichtwagen geworfen werden muss. Auch ich würde es für zumutbar halten, wenn Sammelplätze für jeweils 10 – 20 Einfamilienhäuser zur Regel  würden.

8 Gedanken zu „Politische Makulatur und anderes Altpapier“

  1. Die Initiative schreibt nicht vor, wo der Reservefonds zu führen ist. Auch die Aussage, dass eine Initiative wortgetreu umgesetzt werden muss, stimmt nicht. Es handelt sich hierbei um eine allgemeine Anregung und nicht um einen ausgearbeiteten Gesetzesentwurf. Die Initiative ist primär ein Denkanstoss und der Gemeinderat soll dies dann gesetzeskonform umsetzen… Die Stadt Aarau setzt ebenfalls eine ähnliche Initiative um. Dort heisst es Schwankungstopf anstelle von Reservefonds. Zitat von Herr Feigenwinter, Leiter Finanzaufsicht Gemeinden des Kanton Aargau: “Grundsätzlich ist es möglich, dass eine Gemeinde eine finanzpolitische Selbstbindung einführt (etwa im Sinne einer Schulden- oder Defizitbremse).”

    Übrigens, die im letzten Absatz erwähnten Geschäfte wurden von der Gemeindeversammlung allesamt angenommen. Nur dank den Referenden der SVP (teils mit Hilfe der FDP) kamen die Geschäfte überhaupt an die Urne. Diese Initiative soll verhindern, dass solche Geschäfte überhaupt erst an eine Gemeindeversammlung kommt. Denn ein Referendum kostet viel Geld und auch Zeit. Beides haben wir als kleine Ortspartei nur begrenzt zur Verfügung.

    Der Denkanstoss hat übrigens ja scheinbar bereits Erfolg. Anscheinend streicht man jetzt aus dem heiteren Himmel wieder Geschäfte aus dem Finanzplan und möchte die Steuern senken. Aber ich bin ja mal gespannt ob es sich hier nicht nur um Augenwischerei handelt. Schlussendlich müsste man ja noch 3% mit dem Aufwand runter. So wollte es die Mehrheit an der letzten GV. Wird dies nicht eingehalten, wäre dies ein Missachten des Volkswillen. Das wäre dann ja schon fast kriminell… 😉

    Wie sagt ein schönes Sprichwort: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen…

    1. Werte SVP. Tolle Initiative lanciert ihr da.
      Und als Begründung betreffs kritischen Finanzausgaben ist die Tagesstruktur genannt.
      Ich bin ja nicht mehr im aktiven Arbeitsprozess integriert, aber soviel ich weiss, müssen bei vielen Familien heute beide Elternteile arbeiten gehen. Denke das gilt auch für Würenlos bei diesen Wohnungskosten! Aus meiner Sicht ist damit die Tagesstruktur genau so wichtig wie die Ausgaben für ein Alterszentrum!

      1. Herr Rohrbach, die Tagesstrukturen sind aufgelistet, weil es mit über 4 Mio. ein grosser Posten im Finanzplan ist. Es steht nirgends, dass dieser Punkt gestrichen werden soll. Eine kritische Betrachtungsweise sollte bei jedem Geschäft aber zwingend sein. Alles andere wäre fahrlässig. Und vielleicht kommt man bei der kritischen Betrachtung ja zum Schluss, dass die Ausgaben bzgl. Tagesstrukturen gerechtfertigt sind. Und genau darum geht es hier schlussendlich. Die Verschuldung soll nicht durch unnötige Investitionen noch weiter angefeuert werden, damit man sich dann eben notwendiges wie vielleicht die Tagesstruktur auch weiterhin leisten kann. Das ist einfachste Milchbüchlein-Rechnung.
        Ihr Beispiel hat übrigens einen Denkfehler. Ich bin übrigens im Arbeitsprozess integriert,habe zwei schulpflichtige Kinder und meine Frau hat in der Schweiz keine Familie, die jemals unsere Kinder hätte hüten können. Wie auch immer: Niemand zügelt nach Würenlos und bemerkt dann, dass wegen angeblich hohen Wohnkosten nun beide Elternteile arbeiten müssen. Ich behaupte jetzt mal, dass in Würenlos der Grossteil der Doppelverdiener nicht wirklich auf ein zweites Einkommen angewiesen ist und dies aus anderen Gründen tut. Zudem sind das Problem ja primär die Kosten für einen Kitaplatz und nicht dass es keinen Platz hätte. Ich gehe mal davon aus, dass die geplanten Investitionen in die Infrastruktur fliessen und nicht in irgendwelche Sozialleistungen. Somit ändert sich an ihrem erwähnten Problem rein gar nichts.

      2. Sehr geehrter Herr Rohrbach. Darum setzt sich die SVP für tiefere Steuern und Abgaben ein, damit ein Lohn hoffentlich bald wieder wie früher (bevor wir mehrheitlich von Links, Grün und Kommunisten regiert wurden) für die ganze Familie reicht. Zudem kennen Sie das Angebot der Kinderoase? Hort und Krippe inkl. Mittagstisch funktionieren an einem zentralen Standort in Würenlos hervorragend. Ein Neubau der Tagesstruktur ist somit weder notwendig, noch dringlich und zurzeit auch nicht finanzierbar.

        1. Werter Herr Pfeffer, die Tagesstruktur hat doch nichts mit der Kinderoase zu tun. Das sind doch andere Altersstrukturen. Übrigens, der Kanton Appenzell Ausserrhoden hat die Tagesstruktur im Schulgesetz integriert.
          Und schon wieder ein Seitenhieb von SVP auf Linke und Grüne – die Kommunisten lassen wir mal weg. Ich sehe keine.

  2. Pascal Pfeffer, Würenlos wurde nie von Linken und Grünen und schon gar nicht von Kommunisten regiert, das tönt fast schon beleidigend. Alle Anträge für Investitionen kommen an eine Gemeindeversammlung. Es ist uns Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern überlassen, den Anträgen zuzustimmen oder sie abzulehnen. Wird ein Antrag angenommen, so sind diejenigen, welche nicht an der Gemeindeversammlung teilnehmen, bei den Zustimmenden. So ist die direkte Demokratie. Für Geldausgaben der Gemeinde bestimmt die Gemeindeversammlung. Eure SVP- Initiative ist somit überflüssig.

    1. Vielleicht doch nicht ganz überflüssig. Die Anträge wurden allesamt „durchgewunken*.
      Übrigens, die im letzten Absatz erwähnten Geschäfte wurden von der Gemeindeversammlung allesamt angenommen. Nur dank den Referenden der SVP (teils mit Hilfe der FDP) kamen die Geschäfte überhaupt an die Urne. Diese Initiative soll verhindern, dass solche Geschäfte überhaupt erst an eine Gemeindeversammlung kommt. Denn ein Referendum kostet viel Geld und auch Zeit. Beides haben wir als kleine Ortspartei nur begrenzt zur Verfügung.

    2. Ich habe nirgends behauptet, dass Würenlos von Linken, Grünen und Kommunisten regiert wird bzw. wurde. Ich bitte freundlich, nicht meine Aussagen zu verdrehen. Die Stimmberechtigen, welche nicht an der Gemeindeversammlung teilnehmen, sind im Abstimmungsergebnis nicht enthalten, weder bei den Zustimmenden noch bei den Ablehnenden.

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