Schlagwort-Archive: Mobility

Mobility verlässt Würenlos

Obwohl eher als Meinungsplattform konzipiert, hat würenblicker dank aufmerksamen Lesern und Mit-Bloggern auch bei lokalen News  immer wieder die Nase vorn. Heute gleich zwei Beispiele:

Mit einer Botschaft, die viel aussagt übers Mobilitätsverhalten der Würenloser (und die zur angedrohten Schliessung der Poststelle passt) wartet die erfolgreiche Car-Sharing-Organisation Mobility auf. Sie informiert ihre Kundschaft darüber, dass ihr Fahrzeug-Standort beim Bahnhof Würenlos im September aufgehoben wird. Wer künftig ein Mobility-Auto benützen will, wird sich an die nächstgelegenen Standorte in Killwangen oder Wettingen bemühen müssen.

Der Standort Würenlos war laut Mobility seit etwa 2,5 Jahren defizitär. Erstaunlich, berichten doch Trendforscher immer wieder vom weltweiten Siegeszug der Sharing-Economy (nutzen statt besitzen). Und Mobility ist längst keine Firma mehr vorwiegend für Grüne, die halt doch nicht ganz aufs Autofahren verzichten wollen. Mobility-Autos ersetzen immer häufiger den Zweitwagen oder ganze Firmenflotten.

Rund 3000 Mobility-Fahrzeuge – vom Kleinwagen bis zum Mini-Van oder Audi-Cabriolet – stehen in der ganzen Schweiz zur Verfügung. Eines pro 2700 Einwohnern also. Auf 5500 Einwohner kommt ein Standort. Rein rechnerisch wäre Würenlos also längstens gut für einen Standort und zwar nicht nur mit einem Auto (wie jetzt noch), sondern mit deren zwei bis drei!

Entsetzt schrieb Matthias Rufer, Mobility-Genosenschafter und Mitglied der Planungskommission, an Mobility. Momentan seien hier zwei grössere Arealentwicklungen im Gange, die eine im Gebiet Steinhof , die andere im Dorfzentrum (Alterszentrum).. Vielversprechend – wegen der künftigen Mieter der Alterswohnungen – sei womöglich ein Standort im Zentrum. Ob die Genossenschaft deshalb eine Chance sehe, hier oder  im Gebiet Steinhof einen Standort einzurichten, erkundigte sich Matthias Rufer bei Mobility . Und hat bereits eine Antwort erhalten: Man danke für den Hinweis, sehe aber im Moment in Würenlos kein Potential, einen neuen Standort ins Auge zu fassen.

Haltestelle Altwiesen der Buslinie 11: Künftig bequemerer Ein- und Ausstieg.

Auf fruchtbareren Boden gefallen ist eine Anregung des Lesers  Heinz Ernst. Er schlug vor einem Jahr in einem Mail an Bauamt-Chef Markus Roth vor, im Zuge der anstehenden Sanierung der Altwiesenstrasse sei die Bushaltestelle Altwiesen so zu gestalten, dass der Ein- und Ausstieg von Menschen mit körperlicher Behinderung oder mit Kinderwagen sowie von Senioren leichter zu bewerkstelligen sei. Eine Planskizze legte Heinz Ernst auch gleich bei.

Nun freut sich Heinz Ernst:«An der Altwiesenstrasse entsteht die erste behindertengerechte Bushaltestelle in Würenlos!» Markus Roth habe  es nicht versäumt und die erforderlichen Schritte veranlasst, um die Umsetzung seines Vorschlages im laufenden Projekt zu prüfen. Vorausschauend habe der Bauamt-Chef nach einer Lösung einer Aufgabe gesucht, die sowieso angepackt werden müsste und jetzt  sicher kostengünstiger erledigt werden könne (bis 2023 sind alle ÖV-Haltestellen an die Anforderungen des Behindertengleichstellungsgesetzes anzupassen).

Neue (und hoffentlich behindertengerechte) Bushaltestellen soll es auch an der sanierten Landstrasse zwischen SBB-Barriere und Steinbruchkreisel geben. Für das ganze Sanierungspaket hat die Gemeindeversammlung schon 2009 einen Kredit von 2,845 Millionen Franken bewilligt. Jetzt hat die Gemeindeversammlung vom Donnerstagabend, 8. Juni, einen Zusatzkredit von 1,16 Millionen bewilligen müssen. Denn das Ganze wird viel teurer als einst vom Ingenieurbüro errechnet. Das zeigte sich schon 2013 bei der Arbeitsvergabe, worauf die ganze Übung abgebrochen wurde. Doch nun drängte der Kanton erneut auf die Sanierung, Ein Grund, dass der Kanton vorwärts machen will, ist offenbar der Umstand, dass der Bund nur noch bis Ende 2018 Beiträge an «Flüsterbeläge» zahlt, wie hier einer eingebaut werden soll. Selbst wenn die Gemeindeversammlung den Zusatzkredit abgelehnt hätte, hätte der Kanton den Strassenbelag erneuert und  die Gemeinde hätte gemäss Kantonsstrassendekret einen Beitrag an diese Kosten leisten müssen.

An der Orientierungsversammlung vom 31. Mai waren noch Zweifel an der Dringlichkeit des Projektes laut geworden. Denn als dringlich wurde die Sanierung schon vor acht Jahren bezeichnet,  doch seither ist der Verkehr auf der Strasse gerollt, wie wenn nichts wäre. Der schlechte Strassenzustand ist weder sicht- noch für Fahrzeuginsassen spürbar. Auch die Situation für die Velofahrer ist auf diesem Strassenabschnitt  weniger gefährlich als auf dem Abschnitt SBB-Barriere – Kreisel Raiffeisenbank. Bis auf die zu klein dimensionierte Abwasserleitung sind auch die Werkleitungen nicht erneuerungsbedürftig.  Doch würde man die Leitungen jetzt im Boden belassen und erst in einigen Jahren ersetzen,  müsste man dann die Strasse erneut aufreissen.

Zudenken gibt mir das aber schon: Da lamentieren Regierungsrat und Grosser Rat an einem fort über die leere Staatskasse und fügen Sparprogramm an Sparprogramm   – für nicht besonders dringliche Strassensanierungen aber reicht die Knete  allemal .

Die Einwohnergemeindeversammlung  vom 8. Juni hat auch alle anderen Vorlagen im Sinne des Gemeinderates gutgeheissen. (Artikel nach der Gemeindeversammlung aktualisiert).

Ziemlich aufs Auto fixiert

Es geht auch ohne Auto. Der öffentliche Verkehr ist gut ausgebaut, zumindest in den Agglomerationen boomt er.  Immer mehr junge Menschen erlernen das Autofahren nicht. Erste autofreie Wohnsiedlungen entstehen.  In Würenlos allerdings ist man noch ziemlich aufs eigene Auto fixiert.  

Ein halbes Auto pro Würenloser - ob Säugling oder Urgrossmutter.
Ein halbes Auto pro WürenloserIn – ob Säugling oder Urgrossmutter.

Man stelle sich vor: 1200 Personenwagen, Stossstange an Stossstange. Auf der Landstrasse von der der Furttalkreuzung bis zur Kantonsgrenze bei Oetwil und auf der Schulstrasse vom Raiffeisenkreisel bis zum Grenzstein bei Hüttikon würden sie stehen, auf einer Gesamtlänge von 5 Kilometern. Warum gerade 1200 Autos? Soviele weniger wären in Würenlos zugelassen, wenn wir die gleich geringe Autodichte hätten wie die Stadt Zürich.

In Würenlos entfallen auf jeden Einwohner – ob Säugling oder Urgrossmutter – mehr als die Hälfte (0,55) eines Personenwagens. In der Stadt Zürich ist es bloss ein Drittel ( 0,34) . In Würenlos waren 2013 (neue Zahlen nicht veröffentlicht) insgesamt 3262 PWs zugelassen. Bei einer Autodichte wie in Zürich wären es bloss 2000 PWs, also 1200 Autos weniger als in Wirklichkeit. Das reibt man sich die Augen!

Der Verkehr durch unser Dorf ist zu einem schönen Teil hausgemacht. Natürlich besagt der Besitz eines Autos nicht alles: Die jährliche Fahrleistung spielt auch eine grosse Rolle. Doch noch immer benützen sehr viele Würenloserinnen und Würenloser das Auto für den täglichen Arbeitsweg. Nicht umsonst wird in Immobilienanzeigen die verkehrsgünstige Lage von Würenlos angepriesen. Viele Arbeitsplätze sind aber von uns aus noch immer wesentlich schneller mit dem Auto zu erreichen als mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Man denke etwa an die gesamte Flughafen-Region oder das Freiamt .

Auch vom Lebensstil und -gefühl seiner Bewohner her ist Würenlos noch immer eine ziemlich autolastige Gemeinde. Man legt Wert, auf mindestens ein eigenes Auto pro Haushalt. So hält sich auch das Interesse am Car-Sharing in engen Grenzen. Seit Jahr und Tag ist am Bahnhof Würenlos ein einziges Mobility-Fahrzeug stationiert (zwischenzeitlich waren es  einmal zwei). Die gesamtschweizerische Mobility-Flotte umfasst mittlerweile 2900 Autos, durchschnittlich eines pro 2900 Einwohner. In Würenlos kommt ein Mobility-Auto auf momentan 6300 Einwohner.

Je dichter ein Ort bebaut, je städtischer er ist, desto weniger Autos haben heute die Leute. Und das nicht nur deshlab, weil sich mit dem Auto im Stadtverkehr kaum vorwärtskommen lässt und die Abstellplätze sündhaft teuer sind. In seinem Plädoyer für autofreie Siedlungen hat Hans Arnold mit Recht darauf hingewiesen, dass gerade bei jungen Städtern der Autobesitz kaum noch eine Prestigeangelegenheit ist.

Gemäss dem soeben vorgestellten neuen  Leitbild des Gemeinderates zur Entwicklung unserer Gemeinde soll Würenlos in den nächsten 15 Jahren «moderat» auf maximal 7300 Einwohner wachsen. Das wird nicht ohne bauliche Verdichtung gehen, Wachstum auf Kosten des Kulturlandes wird nur noch sehr beschränkt möglich sein. Schon heute ist an Neubauten die Entwicklung weg vom dörflichen Gepräge ablesbar. Sie liesse sich nur aufhalten, wenn die Nachfrage nach Wohnraum und damit auch die Bodenpreise drastisch sinken würden. Und wer in unserer Gemeinde mit ihren vielen Eigenheimbesitzern wünscht sich einen derartigen Vermögensschwund?

Fast zwangsläufig wird sich so das Verkehrsverhalten der Würenloser jenem der städtischen Bevölkerung annähern. Im neuen Leitbild  äussert sich der Gemeinderat auch zum Verkehr. Seine Stossrichtung ist richtig: Anstreben will der Gemeinderat einen gestalteten Strassenraum, in dem sich der Individualverkehr «siedlungsverträglich» abwickeln kann, ein dichtes und vielfältiges Wegnetz für den Fuss- und Veloverkehr, einen öffentlicher Verkehr, der einen «möglichst grossen Verkehrsanteil» bewältigt. Ob dies mehr als Lippenbekenntnisse sind, wird sich bei hängigen Planungsgeschäften zeigen.

In der Vergangenheit ist Einiges falsch gelaufen, Vieles aber auch richtig. Fast schon vergessen ist, dass Würenlos eine der ersten Gemeinden weit und breit war mit Tempo 30 auf nahezu allen Quartierstrassen. Soll nun die Gemeinde, wie das Hans Arnold anregt, wieder pionierhaft vorangehen, indem sie bei gewissen Ein- und Umzonungen  nur noch autofreie Siedlungen zulässt? Autofreies Wohnen funktioniert wohl nur,  wenn sowohl Bauherren wie Bewohner die Autofreiheit wollen – sprich, wenn ein Markt für diese Wohnformvorhanden ist. In den Städten spielt dieser Markt schon. Angesichts der hohen Autodichte und-abhängigkeit vermute ich aber, dass es  in Würenlos noch nicht so weit ist.

Was noch nicht ist, kann noch werden. Darum finde ich, dass bei der anstehenden Revision der Bau- und Nutzungsordnung die Möglichkeit autofreien Wohnens rechtlich verankert werden soll.  Bauherren  von Mehrfamilienhäusern und grösseren Überbauungen  sollen weniger Autoabstellplätze erstellen müssen als eigentlich vorgeschrieben wären, wenn sie Autofreies Wohnen gemäss einem bewährten Konzept anbieten wollen. Das stünde meiner Meinung nach im Einklang mit dem kantonalen Baugesetz (§55). Im gemeinderätlichen Leitbild lautet ein Punkt der Stossrichtung bezüglich Verkehr: «Wir lassen unkonventionelle Lösungen zu.» Voila!