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Dümmer geworden?

Die Bezirksschule in Wettingen.

Ein Bericht der «Schweiz am Wochenende» hat womöglich Würenloser Eltern verunsichert. Es geht um den Anteil der Schüler, die nach der 6. Primarklasse an die Bezirksschule übertreten. Dieser Anteil ist in den letzten Jahren im Bezirk Baden gesamthaft gestiegen, in Würenlos aber gesunken. Sind die Würenloser Schüler schwächer oder die Schule schlechter geworden?

Der Bericht vom 21. April wirft im Fall Würenlos mehr Fragen auf als er beantwortet. Eigentlich ging der Journalist Pirmin Kramer der Frage nach, ob der Wechsel von 5 auf 6 Jahre Primarschule den Bezirksschüler-Anteil signifikant verändert hat. Signifikant änderte sich nichts, wie aus dem bisher unveröffentlichtem Zahlenmaterial hervorgeht, das Statistik Aargau dem Autor zur Verfügung gestellt hat. Der Bezschüler-Anteil ist über den ganzen Bezirk Baden betrachtet minim gestiegen, von 44,7 % auf 46,7 %. Der Anstieg erstaunt Elisabeth Abassi, Präsidentin des Aargauer Lehrerverbands. Man habe wegen der Abschaffung der Aufnahmeprüfung, welcher sich «Zweifelsfälle» stellen konnten, eher eine sinkende Quote erwartet, sagte sie der «Schweiz am Wochenende».

Etwas Anderes, Erstaunliches offenbarte aber das Zahlenmaterial: Riesige Unterschiede beim Anteil der Bezirksschüler in den einzelnen Gemeinden. Ein geradezu absurder Ausreisser ist das Steuerparadies Bergdietikon: In den Jahren 2015 – 17 traten nicht weniger als 81 % aller Oberstufenschüler an die Bezirksschule über. In den beiden Jahren zuvor waren es erst 54,4% gewesen. Am unteren Ende der Skala steht Neuenhof mit einem Bezschüler-Anteil von gerade mal 24,7 %; immerhin hat sich hier die Quote wie im ganzen Bezirk um 2 Prozentpunkte erhöht.

Anders in Würenlos. Mit einem um 2,4 Prozentpunkte auf 42,6 % gesunkenen Bezschüler-Anteil liegt unsere Gemeinde nun unter dem Bezirksdurchschnitt und in der hinteren Hälfte aller 26 Bezirksgemeinden: 16 Gemeinden haben einen höheren Bezschüler-Anteil, nur gerade 9 einen tieferen. In den letzten beiden Jahren mit dem alten System (5 Jahre Primar-/4 Jahre Oberstufe) lag Würenlos mit einem Bezschüleranteil noch knapp über dem Bezirksdurchschnitt; nur 11 Gemeinden hatten einen höheren Bezschüler-Anteil.

Die Bezquote sinkt, wie den Rechenschaftsberichten der Einwohnergemeinde zu entnehmen ist, in Würenlos seit längerem, wenn auch nicht dramatisch. Besuchten im Schuljahr 2009/10 noch 46 % aller Oberstufenschüler die Bez, so sind es jetzt noch 42,6 %. Pro Jahrgang sind einige wenige Schüler betroffen. Aber weshalb ist der Bezschüler-Anteil in Wettingen um 9 Prozentpunkte auf 51,6% gestiegen oder in Ehrendingen um 6 Prozentpunkte auf 50,8%? Um nur zwei Gemeinden zu nennen, die Würenlos überflügelt haben.

Lehrerverbands-Präsidentin Abassi führt den leicht höheren Bezschüler-Anteil im Bezirk darauf zurück, dass Eltern ihre Kinder je länger je mehr in die die höhere Schulstufe pushen – mit Zusatzunterricht an Privatschulen und Nachhilfestunden. Dies darum, weil sie überzeugt seien, die Bez werde einen direkten Einfluss auf den späteren Lebensstandard ihrer Kinder haben.

Sind Würenloser Eltern weniger ambitioniert? Oder vielleicht auch bloss vernünftiger, weil es nur allzu rasch zu einer Überforderung der Kinder führen kann, wenn sie auf Teufel komm raus in den obersten Schultyp gepusht werden? Aber was, wenn sich zusätzlich geförderte Kinder in der Bez halten können? Muss man dann nicht an der Begabtenförderung in der Primarschule oder am Selektionsverfahren zweifeln?

Dass Gemeinden mit hohem Ausländeranteil und relativ vielen günstigen Wohnungen wie Neuenhof und Spreitenbach am unteren Ende der «Rangliste» stehen, überrascht wenig. Der Neuenhofer Schulpräsident Jürg Amrein weist in der «Schweiz am Sonntag» zu Recht auf den höheren Anteil von Kindern aus bildungsfernen Familien an seiner Schule hin. Kinder aus bildungsfernen Familien sind an der Bez (und auch an Mittelschulen) untervertreten.

Je teurer der Wohnraum, desto bildungsnäher die Familien und desto höher der Bezschüler-Anteil? Ein Trugschluss, wenigstens im Falle von Würenlos. Das Wohnen hier ist ziemlich teuer, teurer jedenfalls als in Ehrendingen oder Fislisbach. Dort ist die Bez-Quote aber höher als bei uns. Sind Fislisbacher oder Ehrendinger Kinder gescheiter als die unsrigen? Ist unsere Bevölkerung gar nicht so toll, wie wir gerne meinen?

Doch zurück zu politisch korrekteren Fragen. Der Wettinger Schulpflegepräsident Thomas Sigrist sieht einen Grund für die in seiner Gemeinde kräftig angestiegene Bez-Quote darin, dass seit ein paar Jahren alle 5.- und 6.-Klässler zentral in einem Schulhaus unterrichtet werden. Der vermehrte Austausch der Lehrer und der Schüler untereinander habe einen positiven Einfluss auf das Niveau, vermutet er. – In Würenlos werden die Primarschüler seit Jahrzehnten zentralisiert unterrichtet. Die Bez-Quote liegt dennoch 9 Prozentpunkte tiefer als Wettingen.

Liegt’s womöglich an der Bez Wettingen, die im Vergleich mit anderen Bezirksschulen als ziemlich streng gilt? Schicken Würenloser Eltern und Primar-Lehrpersonen die Kinder deshalb lieber in die Sek? Aber die Kinder könnten ja wie die Bergdietiker auch die Bez Spreitenbach besuchen. Die Bergdietiker Familien schätzen diese Schule offensichtlich – stellt sie vielleicht etwas weniger hohe Anforderungen?

Wie gesagt, Fragen über Fragen.

«Sozialismus in Reinkultur»

«Amtliche Post in meinem Briefkasten. Zum einen das Couvert für die Abstimmungen vom 12. Februar. Zum andern ein Schreiben des Bundesamts für Statistik: ich gehöre zu den mindestens 200 000 Personen in der Schweiz, die in der jährlichen Strukturerhebung befragt werden, zum Beispiel darüber, in welcher Sprache in unserem Haushalt gesprochen wird oder ob ich mit dem Skateboard zur Arbeit fahre.

Die Stimmzettel muss ich von Hand ausfüllen und per Post einsenden oder direkt zur Urne tragen. Das finde ich gut. Im E-Voting, das gewisse Nerds so vehement verlangen, sehe ich mehr Nach- als Vorteile. Warum auch kompliziert, wenn’s einfach geht? Wem zur Erfüllung der Bürgerpflicht ein Gang zum nächsten Briefkasten noch zu mühsam ist, übt sich vielleicht besser in Stimmabstinenz. Zwischen Online-Einkauf und Youtube-Filmchen gucken noch schnell über die Unternehmensteuerreform abstimmen – mir graut’s vor einer solchen Klick-Demokratie.

Die beiden Fragebögen zur Strukturerhebung – und das legt man mir im Begleitbrief sehr ans Herz – kann ich auch online auszufüllen. Nichts da! Ich fülle sie von Hand aus und werfe das Rückantwortcouvert auf der hiesigen Post ein. Je mehr Briefe die netten Postdamen abends ins Briefzentrum schicken können, desto länger wird es die Post im Dorf noch geben, hoffe ich. Auch im Manor oder im Denner stelle ich hin und wieder ein bereits behändigtes Produkt rasch zurück ins Regal: «Nein, diesen Rasierschaum kaufe ich zu Hause im Volg oder in der Drogerie.» Man muss doch seinen persönlichen Beitrag leisten im Kampf gegen das Lädeli- oder das Poststellensterben und seine Macht als Konsument nutzen. Strukturerhalterlis spielen gibt einem ein saugutes Gefühl – wenigstens im Moment.

Nicht selten folgt später die Ernüchterung. Da verschwindet zwar (noch) nicht gleich die Drogerie, aber immerhin der Rasierschaum aus ihrem Sortiment. Den würden ja ohnehin alle im billigeren Grossverteiler kaufen. Gegen menschliches Schwarmverhalten ist als Einzelkämpfer offensichtlich schwer anzukommen.

Das gilt noch mehr bei Post-, Bahn- oder Bankschaltern, die scheint’s immer seltener frequentiert werden. Unser Nachbardorf Hüttikon hatten einst eine klitzekleine Post. Um dem netten Posthalter die Stelle zu erhalten, brachte ihm Bea, meine Frau, Jahre lang kartonweise den ganzen Briefversand einer grösseren Weiterbildungsorganisation an den Schalter. Das muss das Postvolumen in Hüttikon substanziell erhöht haben. Genützt hat’s nichts. Die Poststelle 8115 ist längst Geschichte.

Ich ein Don Quijote, der gegen Windmühlen kämpft. Dieses Gefühl habe ich oft genug auch an Sonntagen, wenn Abstimmungs- oder Wahlresultate verkündet werden. Womit wir wieder bei der Abstimmung vom 12. Februar wären. Zu drei eidgenössischen und sechs kantonalen Vorlagen dürfen wir unsere Meinung sagen. Zwei der kantonalen Vorlagen haben direkte Auswirkungen auf Würenlos. Die geänderte Aufgabenteilung zwischen dem Kanton und den Gemeinden sowie die Neuregelung des Finanzausgleichs.

Die zwei zu einem Paket geschnürten Gesetze, gegen die das Referendum ergriffen worden ist, werden Würenlos um rund 200 000 Franken oder ein Steuerprozent mehr belasten, wie das «Badener Tagblatt» vorgerechnet hat. Wir gehören trotz hoher Verschuldung halt zu den Gemeinden mit relativ hoher Steuerkraft. Entlastet werden vor allem grössere, finanzschwache Gemeinden wie Neuenhof, wo viele von Sozialhilfe leben und/oder viele Schulpflichtige wohnen. Diese Gemeinden erhalten heute – und das ist eine Ungerechtigkeit – aus dem Finanzausgleichstopf kaum etwas. Ganz im Gegensatz zu kleinen Landgemeinden, die dank dem Zustupf erstaunlich tiefe Steuerfüsse haben. Ist es ungerecht, wenn sie nun massiv mehr belastet werden sollen?

Die Mehrbelastung von Würenlos ist gering und sollte kein Grund für ein Nein sein. Es ist auch für uns auf längere Sicht nur von Vorteil, wenn die lange ignorierte Schlechterstellung von Agglomerationsgemeinden im Finanzausgleich korrigiert wird. Und wundern darf man sich schon, mit welchen Argumenten das von Ammännern stark betroffener Gemeinden angeführte Referendumskomitee gegen den neuen Finanzausgleich ins Feld zieht. «Die Vorlage beinhaltet klar sozialistische Tendenzen», ja sie sei «Sozialismus in Reinkultur», schreibt das Komitee im Abstimmungsbüchlein.

Dazu nur so viel: Die beiden Vorlagen werden vom Regierungsrat und  vom Grossen Rat mit 96 zu 32 bzw. 96 zu 30 Stimmen zur Annahme empfohlen. Kantonsregierung und -parlament sind klar bürgerlich dominiert. Will uns die bürgerliche Mehrheit geradewegs in den Sozialismus führen? Lächerlich!

Keine Insel mehr im Flüchtlingsstrom

Würenlos steht vor einer Herausforderung. Der Kanton will unserer Gemeinde ab 2. November bis zu 22 zusätzliche Asylsuchende zuweisen. Untergebracht werden sie in der unterirdischen Zivilschutzanlage Wiemel beim Feuerwehrmagazin. Eine Informationsveranstaltung für die Anwohner und die ganze Bevölkerung stiess auf  grosses Interesse und verlief erfreulich ruhig.

Alles andere als eine Luxusbleibe: Schlafraum in der Zivilschutzanlage Wiemel.
Alles andere als eine Luxusbleibe: Schlafraum in der Zivilschutzanlage Wiemel.

Es musste schnell gehen: Am 27. September beschied der Kanton unserer Gemeinde, dass sie ab 2. November bis  zu 22  Asylsuchende aufnehmen muss.  Bisher lebten gerade mal deren 4 in der Gemeinde. Unverzüglich hat der Gemeinderat abgeklärt, wo so viele Menschen untergebracht werden können. Kurzfristig bot sich laut Sozialvorsteher und Vizeammann Toni Möckel  einzig  die Zivilschutzanlage an. Die Anwohner im Büntenquartier hat man  am 4. Oktober mit einem Brief informiert, die übrige Bevölkerung zwei Tage darauf mit einer Mitteilung in der «Limmatwelle». Und nun also noch die Veranstaltung vor Ort, an der sich schätzungsweise 80 Personen näher informieren liessen.

Würenlos wird künftig  keine Insel im Flüchtlingsstrom mehr sein. Dabei hatte man auf der sicheren Seite gewähnt – dank einer Vereinbarung, die Würenlos und weitere Regionsgemeinden 2015 mit Neuenhof abgeschlossen hatten. Da Neuenhof weit mehr Asylsuchende beherbergt, als es gemäss kantonalem Verteilschlüssel aufnehmen müsste, hofften die Vertragspartner, so auf eigene Unterkünfte verzichten zu können. Der Kanton vertritt nun aber die Auffassung, Würenlos und drei weitere Gemeinden könnten sich mit diesem Vertrag nicht von der Aufnahmepflicht befreien. Eine Beschwerde gegen die Verfügung aus Aarau, wie sie der Gemeinderat offenbar erwägt, hat keine aufschiebende Wirkung. Die 22 Plätze müssen bis 2. November bereitgestellt werden. Ausser, man würde sich freikaufen, ganz nach dem schlechten Vorbild der Gemeinde Oberwil-Lieli unter ihrem SVP-Gemeindeammann, dem Scharfmacher Andreas Glarner,

Die Bezahlung einer Ersatzabgabe  kommt für unseren Gemeinderat löblicherweise nicht in Frage. Man will sich solidarisch zeigen mit allen anderen Gemeinden, die auch Asylsuchende aufnehmen, . Eine solche Ersatzabgabe ginge finanziell überdies ins dicke Tuch. Würenlos müsste 883 300 Franken pro Jahr bezahlen. Die Aufnahme der Leute mit Unterbringung in der Zivilschutzanlage wird laut  Toni Möckel einen Bruchteil davon kosten. Vorläufig gehe man von jährlichen Kosten um die 120 000 Franken aus.

Soeben gab der Kanton bekannt, dass nach Würenlos ausschliesslich männliche Asylsuchende kommen werden. Aus welchen Ländern sie stammen werden, steht noch nicht fest. Und  am 2. November werden wohl nicht gleich 22 im Wiemel einziehen. Ausschliesslich Männer sind es wohl auch darum, weil für Familien, die als weniger problematisch gelten, unterirdische Unterkünfte denkbar ungeeignet sind. Jeder Schweizer, der im Militärdienst schon mal das Vergnügen hatte, eine Woche oder zwei in einer unterirdischen Zivilschutzanlage zu hausen, weiss: Auch für Männer ist das kein Schleck, erst recht, wenn sie viele Monate darin zubringen müssen.

Darum will der Gemeinderat die Asylsuchenden nicht einfach sich selbst überlassen, Eine professionelle und erfahrene Betreuungsperson  soll die Unterkunft leiten. Und allenfalls werden sich  für gewisse Betreuungsaufgaben auch Freiwillige aus dem Dorf finden. Auch Sport- und andere Vereine könnten um Mithilfe gebeten werden, so ein Vorschlag aus dem Publikum.

Die  unterirdische Wohnsituation entschärfen will der Gemeinderat mit einem oberirdischen Aufenthaltsraum aus Bürocontainern samt abgegrenztem Umgelände auf dem hintersten Teil des Schwimmbad-Parkplatzes  (das Baugesuch soll noch in diesem Monat ausgeschrieben werden). Für die Asylunterkunft wird nur ein Teil der Zivilschutzanlage benötigt. Kleinere bauliche Anpassungen sind geplant im Duschraum, wo es künftig auch Warmwasser geben soll, sowie in der Küche, wo die Asylsuchenden auf Rechauds selber kochen werden. Einkaufen (jeder erhält rund 8 Franken pro Tag für den täglichen Bedarf)., Kochen, Waschen und Reinigen der Unterkunft sind willkommene Beschäftigungen für Asylsuchende, die noch keiner bezahlten Arbeit nachgehen dürfen. Den Leuten eine Tagesstruktur zu geben, wird wichtig sein. So sinkt das Risiko, dass sie auf Langeweile einfach irgendwo «herumhängen».

Aus dem Kreis der Bevölkerung wurden am Informationsabend zahlreiche kritische oder skeptische Fragen gestellt.  Wird die Gemeinde mit dieser Aufgabe nicht überfordert sein? Gibt es einen Sicherheitsdienst oder zumindest häufigere Polizeipatrouillen?Werden sich Frauen im Dorf noch unbehelligt bewegen können?  An wen wird man sich bei Problemen wenden können? Da offenbarten sich Ängste, wie sie praktisch immer zum Ausdruck kommen, wenn irgendwo eine Asylunterkunft entstehen soll. Und glücklicherweise erweisen sie sich in den meisten Fällen als unbegründet oder übertrieben.

Während die baulichen Fragen  schon geklärt seien, müssten für viele betriebliche Fragen Lösungen erst erarbeitet werden.  Klar sei aber, sagte Toni Möckel, dass vor Inbetriebnahme klare Regeln aufgestellt sein müssten, an die sich die Asylsuchenden zu halten hätten (z.B. wann sie sich abends in der Unterkunft einzufinden haben).

Möckel warnte aber auch zu Recht davor, hinter jedem der Asylsuchenden einen Kriminellen oder gar Terroristen zu sehen. Und Susanne Voser, Gemeindeammann in Neuenhof, versicherte,  man beherberge in ihrer Gemeinde über 100 Asylsuchende und das ohne grössere Probleme,  – Es ist wahrscheinlich schon so, wie auch einige Stimmen aus dem Publikum meinten: Je offener wir diesen Menschen begegnen, desto wohlwollender werden auch sie uns gegenüber treten. Es soll nichts schön geredet werden. Die kulturellen Unterschiede zwischen uns und den meisten dieser Asylsuchenden sind gross, Missverständnisse  und wohl auch Enttäuschungen im Zusammenleben werden unvermeidlich sein. Wir haben diese Menschen nicht gerufen. Doch die meisten befinden sich – was immer auch ihr Fluchtgrund gewesen sein mag – in einer prekären,  belastenden Situation.

Der ruhige Verlauf der Informationsveranstaltung lässt hoffen, dass das Verständnis dafür in unserer Bevölkerung vorhanden ist.Und so bin ich zuversichtlich, dass es Würenlos gelingen wird, was vielen anderen Gemeinden schon gelungen ist: Diese Herausforderung  mit Anstand und Menschlichkeit zu meistern.

Spitex auf Solotour

Die Spitex in den Nachbargemeinden Killwangen, Neuenhof, Spreitenbach und Wettingen soll zu einer Organisation verschmolzen werden. Die Fusion kommt in Killwangen und Spreitenbach an die Winter-Gemeindeversammlungen, sie ist heftig umstritten. Eine Würenloserin hat sich schriftlich beim Gemeinderat erkundigt, weshalb Würenlos sich nicht am Projekt der Nachbargemeinden beteiligt habe.

Der Würenloserin war aufgefallen, dass die fast doppelt so grosse Gemeinde Spreitenbach 2014 für die ambulante Krankenpflege rund 400’000 Franken bezahlte, das kleinere Würenlos aber annähernd 500’000 Franken. Eine ziemlich erklärungsbedürftige Differenz – auch wenn neben der Einwohnerzahl noch viele andere Faktoren (zum Beispiel das Angebot bei den nicht kassenpflichtigen Leistungen, die Alters- oder Siedlungsstruktur  einer Gemeinde) die Spitexkosten beeinflussen.

Seit längerem ist in der ganzen Schweiz eine Welle von Fusionen in der öffentlichen (nicht gewinnorientierten) Spitex zu beobachten. Auch im Aargau haben sich zahlreiche lokale Spitex-Organisationen zu grösseren Einheiten zusammengeschlossen, so etwa in der Regionen Brugg, Heitersberg, Mutschellen und Suhrental.

Die Fragestellerin hat Antwort bekommen in einem ausführlichen, von Gemeindeammann Hans Ueli Reber und Gemeindeschreiber Daniel Huggler unterzeichneten Schreiben. Zudem nahm nun Gemeinderat Nico Kunz, der auch den Spitex-Verein Würenlos präsidiert, in der AZ Stellung. Link zum Artikel. Die Stellungnahme des Gemeinderates lässt sich so zusammenfassen: Vom Fusionsprojekt habe man sich ferngehalten, weil die Gemeinde mit der Spitex Würenlos über eine Organisation verfügt, die eine sehr gute Leistung erbringt und eine sehr zufriedene Kundschaft hat. Es sei nicht erwiesen, dass die Gemeinde bei einer Beteiligung an der regionalen Spitex sparen könnte. Statt einer Fusion werde die betriebliche Integration der Spitex Würenlos ins Alterszentrum angestrebt. Sollte dieses nicht zustande kommen, könne sich die Gemeinde später immer noch an einer regionalen Spitex beteiligen.

Die betriebliche Integration der Spitex in das Pflegezentrum ist eine in der Schweiz nicht sehr verbreitete, aber denkbare Organisationsform. Nur scheint es mir ziemlich risikoreich zu sein, die weitere Entwicklung der Spitex mit dem Schicksal des Alterszentrums zu verknüpfen. Bis ein Alterszentrum den Betrieb aufnehmen wird, dürfte noch viel Wasser den Furtbach hinab fliessen. Und die sehr dynamische Entwicklung im Gesundheitswesen kann durchaus schon früher zu Handlungsbedarf bei der Spitex führen. Spitex-Strukturen dürfen nicht unantastbar sein.

Es sind nicht allein die Spitexdefizite, welche die Fusionswelle ausgelöst haben. Ebensosehr sind es höhere betriebliche und fachliche Anforderungen, die etwa in der kantonalen Pflegeverordnung an die Spitex-Organisationen gestellt werden (z.B. Pflegeangebot auch in den Abendstunden, Psychiatriepflege, Ausbildungspflicht). Ins Kraut geschossen ist zudem die Bürokratie im Verkehr zwischen Spitex und Krankenkassen.

Zu Unrecht werde oft davon ausgegangen, dass sich mit Fusionen Kosten sparen liessen, erklärte der Organisationsexperte Johannes Zuberbühler, der auch das Fusionsprojekt in unserer Nachbarschaft begleitet, schon vor einigen Jahren in der Fachzeitschrift «Schauplatz Spitex». Die Summe aller Beiträge , welche die beteiligten Gemeinden an die Spitex zu bezahlen haben, sinkt nach einer Fusion kaum. Meistens ist es auch so, dass einige Gemeinden nach der Fusion mehr und andere dafür weniger bezahlen müssen. An diesem Umstand scheitern Fusionsprojekte nicht selten.

Grösster Ausgabenposten ist das Personal. Da eine fusionierte Spitex  ja nicht weniger Klienten und Klientinnen zu versorgen hat als zuvor die kleineren Organisationen zusammen, lässt sich mit Fusionen kaum Personal in grösserem Stil abbauen. In der Region Brugg fiel nach der Fusion gerade mal eine Stelle in der Administration weg.

Doch ein Zusammenschluss kann eben positive Effekte nicht finanzieller Art haben – selbst dann, wenn eine lokale Spitex sehr gut geführt ist und alles daran setzt, ihre Leistungen auch effizient zu erbringen. Der Bericht der Steuergruppe für das regionale Spitexprojekt in unserer Nachbarschaft zählt solche Vorteile auf. Link zum Bericht. Bei Fusionsentscheiden werden diese  Effekte gerne untergewichtet, andere  dafür zu stark gewichtet. So ist es für die allermeisten Klienten völlig unwichtig, ob sich der Spitex-Stützpunkt in der eigenen oder in einer Nachbargemeinde befindet. Und wie viele verschiedene Pflegekräfte eine Klientin oder einen Klienten betreuen, hängt nicht von der Grösse der Spitex-Organisation ab, sondern von deren Betriebskonzept.

Der Würenloser Alleingang lässt sich im Moment ausreichend begründen. Interessant wäre es aber schon gewesen, wir hätten bei der Fusionsvorbereitung mitgemacht und wüssten nun– wie die Spreitenbacher oder Killwangener – , was uns die ambulante Pflege im Rahmen einer fusionierten Spitex kosten würde. Wird das Fusionsprojekt in Killwangen und Spreitenbach abgelehnt, hätte Würenlos zwar keine Chance vertan. Kommt’s aber zur Fusion, wird die Spitex Würenlos künftig  unter schärferer Beobachtung stehen. Wird sie leistungs- und kostenmässig mithalten können?