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Alte Landi kaufen, Steuern senken

Die lebhaft verlaufene Gemeindeversammlung vom 5. Dezember hat alle Geschäfte im Sinne des Gemeinderates entschieden. Grünes Licht also für den Kauf der alten Landi, die zur neuen Asyl-Unterkunft werden soll. Grünes Licht fürs Budget 2020 mit einem tieferen Steuerfuss (neu: 103%). Grünes Licht für Sanierung des roten Allwetterplatzes und für neue Nebenanlagen der Sportanlage Ländli. Grünes Licht für Umbau und Dachsanierung des Gemeindehauses.

Eine Steuersenkung hat’s beim Stimmvolk leicht. Diese Binsenweisheit hat sich an der Einwohnergmeind einmal mehr bewahrheitet. Mit grossem Mehr, bei 20 Gegenstimmen, wurde der Voranschlag für 2020 gutgeheissen.

Obwohl die Investitionen in den kommenden Jahren die angepeilten durchschnittlich 3 Millionen Franken pro Jahr deutlich übersteigen werden und eine höhere Verschuldung zu erwarten ist, folgte das Stimmvolk dem Gemeinderat. Der und auch die Finanzkommission halten eine Steuersenkung um 3 Prozentpunkte für vertretbar. Umso mehr als im kommenden Jahr hohe ausserordentliche Einnahmen zu erwarten sind: Nach- und Strafsteuern eines einzigen Steuerpflichtigen von 1,3 Millionen Franken und 400 000 Franken aus dem Verkauf des Hauses einer verstorbenen Würenloserin, das mangels Erben an die Gemeinde und den Kanton gefallen ist. Zudem dürfte die Rechnung 2019 wesentlich besser ausfallen als budgetiert – allein die Aktiensteuern dürften laut Mitteilung des Kantons der Gemeinde rund eine Million Franken mehr einbringen. 

Trotzdem hat die Finanzkommission den Warnfinger erhoben. Laut Kommissionspräsident Thomas Zollinger (SVP) wird der finanzielle Spielraum der Gemeinde immer enger. Jede Investition sei künftig mit einem Preisschild zu versehen, damit die Auswirkungen der Ausgabe klarer zu Tage träten – dass zum Beispiel andere Budgetposten reduziert oder eben die Steuern zu erhöhen seien. Der Gemeinderat müsse die jetzige Schuldenbremse und den Finanzplan überarbeiten und die Finanzkommission in diese Arbeit eng einbinden. Dieser Forderung will der Gemeinderat laut Finanzvorstand Lukas Wopmann nachkommen.

Gemeinderat und Finanzkommission gehen davon aus, dass wohl schon 2023 der Steuerfuss wieder angehoben werden muss. Davon ist der Stimmbürger Franz Müller nicht überzeugt. Vergleiche man Budgets und Rechnungen über längere Zeit, so sei die Finanzlage der Gemeinde weit besser als sie seit Jahren dargestellt werde. 

Am meisten zu reden gab der Kauf der alten Landi. Zwei Votanten (Luzia Aubry und Karl Wiederkehr) halten den Preis von 1,2 Millionen Franken für die knapp 650 Quadratmeter grosse Liegenschaft mit einem 90-jährigen Gebäude drauf für übersetzt. Das findet die SVP zwar nicht, doch ihr Sprecher Pascal Pfeffer stellte den Antrag, den Kredit von 250 000 Franken für den Umbau der Ladenräume in eine Asylunterkunft zu streichen. Für jene Flüchtlinge, die eine Schule besuchten oder eine Lehre absolvierten, stünden ja die beiden Wohnungen im Gebäude zur Verfügung. 

Bei einem Ja zu diesem Antrag hätten die meisten Asylbewerber weiterhin in der unterirdischen Zivilschutzunterkunft wohnen müssen. Das kann – wie neben dem Gemeinderat auch mehrere Votanten meinten – keine Dauerlösung sein. Dieser Ansicht war glücklicherweise auch die Versammlung. Mit grossem Mehr wurde der SVP-Antrag abgelehnt und der gemeinderätliche Antrag gutgeheissen.

Der Kauf kann erst im nächsten Frühjahr über die Bühne gehen, da auch die Landi-Gremien ihm noch zustimmen müssen. Doch laut Gemeindeammann Toni Möckel ist mit der Landi bereits ein Mietvertrag abgeschlossen worden. Somit können die ersten Asylbewerber schon bald in die beiden Wohnungen einziehen. Es sind solche, die lernen und arbeiten wollen, um möglichst bald finanziell auf eigenen Füssen zu stehen. Ich zweifle nicht daran, dass sie sich dem neuen Zuhause würdig erweisen werden.

Nicht ohne Nebengeräusch zugestimmt wurde dem Kredit von 1,9 Mio. Franken für den Umbau des Gemeindehauses einschliesslich dringlicher Dachsanierung.  Umgebaut werden jene Räume, die durch den Umzug von Bauamt und TBW in den neuen Werkhof Tägerhard frei werden. In zwei Etappen (2020 und 2021) sollen sie hergerichtet werden für die räumliche Erweiterung der Bauverwaltung und der Einwohnerdienste sowie die Jugend- und Familienberatung. Nicht zu Unrecht kritisierte Markus Städler (Mitglied der Finanzkommission) die wenig transparente, teilweise unlogische Darstellung der Kosten. Zudem beruhe der 1,9-Mio-Kredit offenbar auf recht groben Kostenschätzungen – was doch erstaunen mag. 

Diskussionlos gutgeheissen wurden:

  • ein Kredit von 900 000 Franken für die Sanierung und Vergrösserung des roten Allwetterplatzes bei der Schulanlage sowie den Bau eines Fussweges zwischen Matten- und Büntenstrasse (Schwimmbad) und einer Weitsprung-/Kugelstossanlage neben dem Sportplatz Ländli.
  • die Beteiligung der Technischen Betriebe Würenlos an der e-sy AG. Die soll im Hinblick auf die weitere Liberalisierung des Strommarktes für aargauische Stromversorger/Gemeindewerke  eine neue Mess-Infrastruktur (digitales Smart-metering) aufbauen.

Raus aus dem Untergrund

Eine menschenwürdigere Unterkunft für «unsere» Flüchtlinge rückt in greifbare Nähe. Der kommenden Gemeindeversammlung wird ein Kredit für den Kauf und Umbau der alten Landi an der Ecke Land-/Bahnhofstrasse unterbreitet. Der Gemeinderat will das Gebäude als neue Unterkunft für die Asylsuchenden nutzen und die ungeheizten Lagerräume Gewerbetreibenden zur Verfügung stellen.

Die alte Landi soll die neue Bleibe für die Würenloser Flüchtlinge werden.

Vor drei Jahren, Ende November 2016, bezogen die ersten Asylbewerber die unterirdische Zivilschutzanlage Wiemel. Seither hausen hier stets 26 oder 27 jungen Männer aus ganz verschiedenen Herkunftsländern, viele von ihnen tun dies von Beginn weg. 1000 Nächte im Massenlager, ohne Tageslicht, ohne Privatsphäre. Zur Gemeinschaft gezwungen mit Schicksalsgenossen aus anderen Ecken der Welt, mit denen man sich oft nur notdürftig verständigen kann. würenblicker hat mehrfach (hier und hier) hier darauf hingewiesen, dass die Zivilschutzanlage auf Dauer keine Lösung sein kann.

Unterirdische Anlagen gelten unter Fachleuten als schlechteste aller Möglichkeiten. Mit dem Bezug der Unterkunft im Wiemel waren Probleme vorprogrammiert. Sie liessen nicht auf sich warten – auch wenn unsere Bevölkerung davon wenig mitbekam. Befürchtungen im Vorfeld, die Sicherheit im Dorf werde durch die Asylsuchenden gefährdet, erwiesen sich als unbegründet. Doch unten in der Unterkunft sah es weniger gemütlich aus: Ausraster einzelner Bewohner, die auch mal blutig endeten, sinnlose Zerstörungen des Mobiliars, Klauereien, Alkoholexzesse – Leidtragende waren jene Bewohner, die sich an die Regeln hielten. Nun ergibt sich mit dem Landi-Gebäude endlich die Chance die Migranten besser unterzubringen und so jene Probleme zu lösen, die durch die bisherige Unterbringung verschärft oder gar verursacht wurden. Wegen Landi-internen Abläufen kann der Kauf erst im Frühjahr 2020 über die Bühne gehen, bis dahin will der Gemeinderat offenbar die Liegenschaft mieten, um einen raschen Unterkunftswechsel zu ermöglichen.

Doch der Kauf der Landi-Liegenschaft erfolgt nicht wegen der Asylsuchenden. Der Gemeinderat will das Landi-Haus primär aus strategischen Überlegungen erwerben. Das 1928 erstellte Gebäude nehme im heutigen Strassenbild eine wichtige Stellung ein, schreibt er im Traktandenbericht. Es sei wichtig, dass die Gemeinde grösstmöglichen Einfluss darauf nehmen könne, wie dieser «Eingangsbereich» zum Dorfzentrum und zum Bahnhofsbereich aussieht. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusehen, dass dieser «Eingangsbereich» in 20, 30 Jahren ein grundlegend anderes Gesicht haben wird. Doch bis dann ist die Unterbringung der Asylanten sowie die Vermietung der Lagerräume ans Gewerbe eine sinnvolle Zwischennutzung.

Zwei bestehende kleinere Wohnungen im Haus wären bestimmt für Asylsuchende mit geregelter Tagesstruktur (Schule, Berufslehre, Arbeitsstelle). Ja, solche  gibt es! Sie  haben den widerwärtigen Wohnverhältnissen getrotzt und die Chance gepackt, die ihnen unser Land bietet. Der zweijährige Integrationskurs an der kantonalen Schule für Berufsbildung in Baden oder Aarau ist ein gutes Angebot und öffnete einigen «unserer» Migranten Türen.

Täuscht der Eindruck aus der jüngsten Info-Veranstaltung des Gemeinderates nicht, so hat eine besserer Wohnsituation für solche Flüchtlinge in der Bevölkerung breiten Rückhalt. Kritischer gesehen wird die Unterbringung der«Wiemel-Sorgenkinder» im Landi-Gebäude. Es ist aber richtig, dass der Gemeinderat die Asylunterkunft im Wiemel ganz aufgeben will. Damit ist auch eine Hoffnung verbunden: Nämlich die, dass Würenlos künftig unproblematischere Flüchtlinge zugewiesen werden. Es mache den Eindruck, dass «Aarau» wegen der schlechten Unterkunft gerne solche Asylsuchende nach Würenlos geschickt habe, die andernorts untragbar geworden seien, sagte Gemeindeammann Toni Möckel an der Info-Veranstaltung. Die  Freiwilligengruppe, die sich im Rahmen ihrer beschränkten Möglichkeiten um die Wiemel-Bewohner kümmert, teilt diese Einschätzung. Sie hat im Falle eines besonders problematischen Bewohners auch schon bei dem für die Zuteilung der Asylsuchenden zuständigen Leiter des kantonalen Sozialdienstes interveniert.

Für die meisten Asylsuchenden sollen die bisherigen Landi-Verkaufsräume als Logis hergerichtet werden – zweckmässig, aber keinesfalls besonders komfortabel. Laut Möckel erwägt man, auch Asylsuchende für einfache Arbeiten zu beschäftigen. 250 000 Franken sind für den Ausbau budgetiert. Vergleichbare andere Gemeinden investieren wesentlich mehr in ihre Asylunterkünfte. So hat Fislisbach für seine 24 Flüchtlinge soeben neue Pavillons erstellen lassen. Kostenpunkt: Eine halbe Million Franken

«Unsere» Migranten sind vorläufig Aufgenommene. Asyl haben sie nicht erhalten, aber ein vorläufiges Aufenthaltsrecht. Wegen der Situation in ihren Herkunftsländern ist ihnen eine Rückkehr vorderhand – in der Praxis heisst das oft auf Dauer – nicht zuzumuten oder eine Rückschaffung ist nicht möglich. Sie dürfen hier arbeiten. Wenn dank des neuen Logis nur einigen mehr von ihnen der Einstieg ins Arbeitsleben gelingt, sind die Ausbaukosten gut investiert. Denn die Kostenuhr tickt: Für die Lebenskosten der meisten Flüchtlinge wird schon in drei, vier Jahren nicht mehr der Bund, sondern die Gemeinde aufkommen müssen. Jeder Flüchtling der dann ganz oder teilweise für seinen Lebensunterhalt selber aufkommt, entlastet unser Sozialhilfe-Budget um Tausende von Franken jährlich.

Beim Rüeblischälen miteinander ins Gespräch kommen


Es leben noch immer junge Flüchtlinge in der unterirdischen Zivilschutzanlage Wiemel beim Schwimmbad. Und es sind noch weitgehend die gleichen, welche die Unterkunft schon im Spätherbst 2016 bezogen haben.

Viele leben also bald zwei Jahre im Würenloser Untergrund. Offiziell wenigstens. Denn mittlerweile scheint sich die Zahl jener, die ständig in der Zivilschutzanlage übernachten, auf ein gutes Dutzend reduziert zu haben.

Die anderen haben irgendwo anders einen Unterschlupf gefunden, die meisten bei Kollegen oder Verwandten, die wenigsten bei hiesigen Familien oder Einzelpersonen. Manche erscheinen gerade noch einmal wöchentlich in der Würenloser Unterkunft, um beim Betreuer der von der Gemeinde beauftragten Firma ORS (früher ASB) das ihnen zustehende Wochengeld abzuholen. Mit dem wenigen Geld berappen sie vor allem Lebensmittel, Kleider, Handygebühren und weitere persnliche Auslagen.

Dank der Auswärtsübernachtungen und weil seit wenigen Monaten ein dritter Schlafraum der Zivilschutzanlage zur Verfügung steht, hat sich die unbefriedigende Wohnsituation leicht entschärft. Aber solange Auswärtsübernachter nicht offiziell einer anderen Gemeinde zugeteilt sind und ihren Lebensunterhalt selber bestreiten können, gibts für die Gemeinde und ihre Steuerzahler keine Entwarnung: Diese Leute sind in wenigen Jahren von der Gemeinde Würenlos aus eigenen Mitteln zu unterstützen. Das Ziel, den jungen Leuten mit einer menschenwürdigeren Unterkunft den Einstieg ins Arbeitsleben zu erleichtern, muss also weiterhin ganz oben auf der Pendenzenliste des Gemeinderates stehen.

Vereinzelt hat das inoffizielle auswärtige Logis damit zu tun, dass die betreffenden Männer nur an weit entfernten Orten eine Arbeit gefunden haben. So arbeiten von zwei Bewohnern, die im Gemüsebau als Hilfskräfte tätig sind, der eine in Wohlen, der andere gar in Laufenburg. Orte, die von hier aus mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur schwer bzw. frühmorgens gar nicht zu erreichen sind.

Warum arbeiten die denn nicht bei den Gmüeslern im Furttal? Weil vorläufig Aufgenommene, und um solche handelt es sich hier, nicht ohne Weiteres ausserhalb des zugewiesenen Wohnkantons arbeiten dürfen. Dazu braucht es Ausnahmebewilligungen, was für den Arbeitgeber mit Mehraufwand verbunden ist. Die «Verwaltung der Asylsuchenden» treibt zuweilen seltsamste Bürokratieblüten. Das spüren vor allem Gemeinden und Regionen nahe der Kantonsgrenze.

Noch immer hat ein beträchtlicher Teil der Wiemel-Bewohner keine Lohnarbeit Darunter sind auch solche, die sich überhaupt nicht um einen Job und um einen Platz in unserer Gesellschaft bemühen – sei es, weil sie zu bequem dazu sind, sei es, weil sie von unserer Kultur restlos überfordert und längst in Depression oder Drogensucht abgestürzt sind.

Aber es gibt eben auch nicht wenige, die hier vorwärts kommen wollen – allen Widerwärtigkeiten zum Trotz. Als freiwillige Helfer am Kreisturnfest und an der diesjährigen Bundesfeier haben sie sich von ihrer besten Seite gezeigt. Und dennoch tun sich mit der Stellensuche selbst jene oft schwer, die länger eine Schule besucht haben und leidlich gut deutsch sprechen.

Aber es gibt Erfolgsmeldungen: Zum Beispiel von Sh, einem jungen, stets freundlichen Afghanen. Seinerzeit hatte er einen Job im hiesigen Döner- und Pizzalokal beim Bahnhof gefunden, diesen durch einen Wirtewechsel aber bald wieder verloren. Doch er liess nichts anbrennen, schon nach wenigen Tagen konnte er dank Eigeninitiative eine neue Stelle in der gleichen Branche antreten.

Oder von M. Der Eritreer hat mit Erfolg den zweijährigen Integrationskurs an der Kantonalen Schule für Berufsbildung absolviert. Vor wenigen Wochen konnte er eine Ausbildung als Storenmonteur antreten in einer Firma, die neu in Würenlos ansässig ist.

Gute Deutschkenntnisse sind bei der Stellensuche hilfreich, aber kein absolutes Muss. Auch Solidarität in der eigenen Volksgruppe spielt eine Rolle, wie das Beispiel von Mu. zeigt. Der Kurde aus Syrien hat Arbeit gefunden in der Firma eines anderen Kurden, obwohl er bisher nicht einmal einen Deutschkurs besucht hat. In seiner Heimat hat er als Eisenleger im Betonbau gearbeitet, nun bricht er als Taglöhner auf Zürcher Grossbaustellen Betonschalungen ab.

Liebe Leserin, lieber Leser – Interesse, einige dieser liebenswerten Menschen näher kennzulernen? Bald bietet sich eine vortreffliche Gelegenheit dazu. Am Samstag, 22. September organisiert das Team der freiwilligen Betreuer zusammen mit der darauf spezialisierten Organisation «Jass» ein gemeinsames Kochen und Essen mit Bewohnern der Wiemel-Unterkunft im Gmeindschäller. Der Anlass wird vom Gemeinderat, beiden Kirchgemeinden und von Swisslos unterstützt. Siehe oben.

    Der nächste aktuelle Beitrag auf würenblicker erscheint ferienbedingt voraussichtlich erst Anfang Oktober. Danke für das Verständnis.