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Brückenbauer oder Hardliner?

Am 26. April findet die Ersatzwahl für die zurücktretende Gemeinderätin Karin Funk Blaser statt. Es kandidieren:

Markus_Hugi–neuMarkus Hugi (FDP die Liberalen): 64-jährig, Doktor der Physik. Geschieden, zwei erwachsene Kinder. Früher Mitglied der Schulpflege (Präsident 1994 – 97), der reformierten Kirchenpflege (2006 – 14) sowie im Kader der Zivilschutzorganisation Würenlos/Limmattal.

Thomas ZollingerThomas Zollinger (SVP): 39-jährig. Eidg. dipl. Finanzanalytiker und Vermögensverwalter. Verheiratet, drei Kinder im Alter von 4 bis 6 Jahren. Präsident der SVP-Ortspartei, seit 2014 Mitglied der Finanzkommission.

Wir haben eine echte Auswahl. Beide sind absolut keine Verlegenheitskandidaten. Sie wissen, worauf sie sich einlassen und haben lokalpolitische Erfahrung. Beide könnten sich – ohne viel Einarbeitungszeit –sofort voll im Kollegium einbringen. Beide kann man sich auch im frei werdenden Finanzressort vorstellen. Und – obwohl Parteimitglieder – wirken beide unabhängig. Interessenverstrickungen geschäftlicher oder familiärer Art sind nicht auszumachen. Beide sind keine Blender.  Sie werden wohl überlegte, gewissenhafte Arbeit liefern und nicht mit anbiedernder Jovialität punkten wollen. Das ist schon mal gut. 

Vier Fragen an beide:

1. Welche Ihrer Eigenschaften oder Fähigkeiten wäre für das Gemeinderatskollegium besonders wertvoll?

Markus Hugi: Mein privates und berufliches Umfeld sagt mir nach, ich sei teamfähig, könne aufmerksam zuhören und schlichtend vermitteln. Ich habe Respekt vor der Meinung anders Denkender. Meine Aufgaben versuche ich systematisch anzugehen und ich bemühe mich um ein überlegtes Handeln. Ich bin es gewohnt zu schreiben und besitze ein Flair für Zahlen. Aus meiner beruflichen Tätigkeit bringe ich die Erfahrung in der Leitung komplexer Projekte mit. Dass ich in den vergangenen Jahren in Würenlos bereits mehrere öffentlicher Ämter bekleidet habe (so als Präsident der Schulpflege, Dienstchef der Zivilschutzorganisation Würenlos und Limmattal, reformierter Kirchenpfleger) empfinde ich ebenfalls als einen persönlichen Vorteil.

Thomas Zollinger: Die Umstände, erst 2009 nach Würenlos gezogen zu sein, erlauben es mir, politische Themen in der Gemeinde unvoreingenommen und unbelastet anzugehen. Ich erlaube mir, zu hinterfragen, bin pragmatisch und konzentriere mich gerne aufs Wesentliche.

2. Wie bringen Sie die zeitliche Belastung mit anderen Verpflichtungen (in Beruf, Familie usw.) in Einklang?

Hugi: Dass ich im kommenden Jahr regulär in Pension gehen werde, hat bei meinem Entscheid, für den frei werdenden Sitz im Gemeinderat zu kandidieren, eine bedeutende Rolle gespielt. Bis dahin habe ich die Zusicherung meines Arbeitgebers, dass falls ich gewählt werde, ich die auferlegten Verpflichtungen in einem vertretbaren Umfang auch während der normalen Arbeitszeit wahrnehmen kann. Im Privatleben bin ich unabhängig: Meine beiden erwachsenen Kinder haben das Elternhaus verlassen und ich führe meinen eigenen Haushalt. 

Zollinger: Ich bin es gewohnt, mich ausserhalb von Familie und Beruf stark für die Gesellschaft zu engagieren. In den letzten Jahren wendete ich im Schnitt mehrere Stunden wöchentlich für Vereine und Politik auf. Das hat jeweils gut funktioniert, auch für die Familie. Diese Aktivitäten haben sich aber mittlerweile auf ein Minimum reduziert. Selbstverständlich erfordert ein Gemeinderatsamt insgesamt mehr Aufwand. Mit meiner Arbeitgeberin konnte ich glücklicherweise eine Lösung finden, die passt.

3. Was schätzen Sie an Würenlos am meisten?

Hugi: In erster Linie, dass ich mich in meinem Dorf wohl und zu Hause fühle! Trotz beträchtlichem Wachstum während der vergangenen Jahre ist Würenlos der sympathische Charakter einer ländlich-orientierten Dorfgemeinschaft erhalten geblieben. Die Wohnbevölkerung kennt sich, grüsst sich und freut sich an gemeinsamen Interessen. Würenlos funktioniert gut, denn es verfügt über eine wirksame Infrastruktur und gute öffentliche Dienste wie Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und Gemeindewerke. Das Dorf ist mit Bahn, Bus und Autobahn hervorragend erschlossen. Würenlos trägt zwar im Moment eine hohe Schuldenlast, aber die Bevölkerung profitiert in hohem Mass von den früheren Investitionen. Industrie und Gewerbe schaffen für die Einwohnerinnen und Einwohner vor Ort wichtige Arbeitsplätze – aktuell zirka 2000 an der Zahl. Würenlos verfügt über ein aktives Vereinsleben und bietet interessante und vielfältige kulturelle Angebote. Dass ich in einem Aargauer Rebbaudorf lebe, erfüllt mich mit einer besonderen Freude!

Zollinger: Würenlos ist eine attraktive Gemeinde mit guten Strukturen und hoher Lebensqualität.

4. Was stört Sie in Würenlos am meisten? 

Hugi: Stören im eigentlichen Sinn tut mich wenig! Natürlich leiden wir unter starkem Durchgangsverkehr, und es gibt leider ein paar neuralgische Punkte, wo die Verkehrsführung heute nicht optimal gelöst ist. Dass in Würenlos auch mal die Betroffenheitsdemokratie gelebt wird, ist das gute Recht der Bürgerinnen und Bürger. Hingegen bedaure ich ausserordentlich, dass die älteste Dorfgeneration selbst nach Jahrzehnte langen Bemühungen immer noch auf das dringend notwendige Alterszentrum warten muss. Ahja – da wäre noch etwas: Die überdimensionierte Bahnhofbeleuchtung, die während der ganzen Nacht das Flüe-Quartier unnötigerweise mit gleissendem Licht überflutet, ist für die Anwohner schon etwas nervig… Und natürlich missfällt mir die hohe Verschuldung – aber daran lässt sich ja in den kommenden Jahren arbeiten!

Zollinger: Die viel zu grossen Bauzonen und der Glaube daran, dass uns das aktuelle Wachstum etwas nützt. In Wahrheit zahlen wir, monetär wie mit abnehmender Lebensqualität.

Schon die obigen Antworten, für die keine Länge vorgegeben wurde, zeigen es: Da kandidieren zwei ziemlich unterschiedliche Persönlichkeiten.

Hugi, der Bedächtigere von beiden (kann seine bernische Herkunft nicht verleugnen), achtet als Naturwissenschaftler auf Exaktheit, wägt Für und Wider sorgfältig ab, lässt sich nicht unnötig auf die Äste hinaus. Sein Part im Gemeinderat wäre wohl die eines Brückenbauers – innerhalb des Kollegiums, aber auch im Umgang mit Bürgern und Interessengruppen. Er könnte so eine führende Rolle spielen, wenn es darum geht, Auswege zu finden aus verfahrenen Situationen (z.B. Alterszentrum oder diverse stockende Planungen). Wie zielorientiert er arbeiten kann, zeigte er als reformierter Kirchenpfleger. Er war wesentlich mitbeteiligt an der zügigen Realisierung der Doppellösung «neues Kirchgemeindehaus + Vermietung des Pfarrhauses für schulische Zwecke».

Im Vergleich wirkt der gebürtige Zürcher Zollinger weniger konsensorientiert. Er polarisiert. An sich ein freundlicher Mensch und alles andere als ein Polterer, vertritt er seine Meinung dezidiert und mit zuweilen schroff wirkender Direktheit. «Fadegrad» verfolgt er den Kurs, den er für richtig hält. Ein agiler Vollblutpolitiker, wie Würenlos schon lange keinen mehr gesehen hat. Davon zeugte auch sein Engagement für die radikale Ecopop-Initiative («Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen»), zu deren Vätern er gehörte. Auf Gemeindeebene profilierte er sich als kompromissloser Sparpolitiker und Hauptmotor von zwei erfolgreichen Referenden (gegen Kindergarten Buech und gegen Sportplatzprojektierung). Dass er auch einen guten Regierungsmann abgibt, müsste er erst noch beweisen. Bestimmt würde er aber mit Argusaugen darüber wachen, dass die Gemeinde finanzpolitisch auch künftig nicht vom Pfad der Tugend abweicht.

Das Wendelhaus

Das Wendelhaus, abgebrochen 1984, stand dort, wo heute die Buechzelglistrasse in den Kreisel Ländli (Raiffeisenbank) mündet.  Das Haus hatte seinen Namen von den letzten Eigentümern namens Wendel.  Es hatte ein typisches Mansardendach.

Das Wendelhaus (rechts) auf einem Kalenderblatt von 1982. Die Kreuzung unterhalb der heutigen Raiffeisenbank wich später dem Kreisel.
Das Wendelhaus (rechts) auf einem Kalenderblatt von 1982.
1984
1984
1984, von der Passarelle aus gesehen.
1984, von der Passarelle aus gesehen.
2015
2015

Mansardendächer wurden in der Zeit vom 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert gebaut. Der Name geht auf den französischen Architekten Francois Mansart zurück. Zur Verbreitung dieser Dachform führten auch steuerliche Gründe, als die Grundsteuer nach Anzahl der Vollgeschosse erhoben wurde. Mit einem Mansardendach konnten eines oder mehrere Wohngeschosse im Dach untergebracht werden, ohne dass diese Wohnungen merkliche Dachschrägen aufwiesen und steuerlich bemessen wurden. (Wikipedia)

Der Grund, dass diese Dachform auch in der Schweiz verbreitet angewendet wurde, kann damit zusammenhängen, dass die Gebäudehöhe in vielen Bauordnungen nach der Traufhöhe oder Kniestockhöhe bemessen wurde.

Die Einwohnergemeinde-Versammlung vom 26. Juni 1970 stimmte dem Erwerb der Liegenschaft Wendel zum Preis von Fr. 185’000.– zu. An der Gemeindeversammlung vom 7. Juni 1984 dann wurde über den Abbruch diskutiert.

  • Der Gemeinderat machte den schlechten Gebäudezustand geltend, zudem werde der Platz  für eine bessere Verkehrsführung benötigt.
  • Die Gegner setzten sich für den Erhalt des gut proportionierten Hauses ein, das sich schön in die Häuserzeile der Landstrasse einordne.

Mit 124 zu 72 Stimmen wurde der Abbruch beschlossen. Der Kreisel Ländli wurde 2002/03 gebaut.

Planen in der Agglo

Wegweiser2

Wohin führt uns der Weg? Direkt in die «Pampa», wie uns dieser seit Tagen leicht verdrehte Wegweiser am Kreisel in Oetwil weismachen will? Wir wollen’s nicht hoffen.

Doch wie sieht die Zukunft von Würenlos aus? Vieles wird vorgegeben durch künftige Entwicklungen und Ereignisse, die wir als Gemeinde kaum beeinflussen können: Die Wirtschaftslage, das Zinsniveau, eidgenössische und kantonale Gesetze,  die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen von morgen.  Doch nicht die ganze Entwicklung unserer Gemeinde ist fremdbestimmt, einen Teil können wir  Bürgerinnen und Bürger durch vorausschauende Planung beeinflussen.

Würenlos ist heute ein «Weder-Fisch-noch-Vogel-Ort». Ein ländliches Dorf sind wir nicht mehr, eine Stadt ebensowenig. Agglo eben. Zwar wähnt man sich – je nach Standort – mal in einem heimeligen, idyllischen Dorf, dann wieder eher wie in einer Kleinstadt. Meistens aber ist es ein Wedernoch: weder total hässlich, noch zum Verlieben schön oder gemütlich. Vieles wirkt zufällig, beliebig. Vieles auch austauschbar. Und damit meine ich nicht nur das Siedlungsbild. Auch die Menschen, die es bevölkern.

Wir Würenloser teilen dieses Schicksal mit fast der Hälfte aller Leute in diesem Land. 45 Prozent leben in Agglomerationen, in jenem Siedlungsbrei also, der sich rund um die Städte in die Landschaft ergossen hat. Die Agglomeration sei  «die Stadt des 21. Jahrhunderts», schreiben Matthias Daum und Paul Schneeberger in ihrem Buch mit dem Titel «Daheim. Eine Reise durch die Agglomeration» (Verlag NZZ 2013).

In der Agglo und somit auch in Würenlos leben, das ist oft ein Kompromiss zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Auch meine Familie ist hier vor 35 Jahren gelandet, weil es sich so ergeben hat. Meine Frau arbeitete in Zürich, ich in Baden, also suchten wir etwas in der Mitte. Immerhin konnten wir damals noch auslesen, zwischen Obersiggenthal etwa und Würenlos. Heute zieht man oft einfach dorthin, wo sich etwas zu einem zahlbaren Preis überhaupt noch finden lässt. Die Zimmerzahl, der Garagenplatz oder das Gärtchen, um Trampolin und Grill aufzustellen, sind wichtiger als der Wohnort und sein Ambiente. Was soll’s, wenn die Schule etwas gar weit weg ist, Mama kann ja Taxi spielen. Die traumhafte Aussicht aber, den See vor der Haustür oder das Leben in einer pittoresken Altstadt, das alles kann man sich eh nicht leisten. Um solches zu geniessen, gibt es ja Ferien.

Der zitierte Buchautor Matthias Daum war Teilnehmer eines vom Kulturkreis Würenlos organisierten Gesprächs unter dem Titel «Zusammenrücken» .  Es ging um das verdichtete Bauen, um das wir nicht herumkommen, wenn wir die Erhaltung der noch verbliebenen Grünzonen mit dem prognostizierten Bevölkerungswachstum in Einklang bringen wollen. Es gibt ja Prognosen, die gehen von einer Zunahme der Bevökerung im ganzen Limmattal um 100 000 Menschen in den nächsten Jahrzehnten aus. Werden wir uns da noch wohl fühlen können?

Die mehrheitlich in der Stadt wohnende Expertenrunde war sich einig in der Einschätzung, dass Dichte an sich nichts Negatives ist. Weil sie eben auch Vorteile bringe. Genügend Kundschaft etwa für eine Bäckerei in der Nähe, so Gesprächsleiterin Judit Solt, Chefredaktorin einer Bauzeitschrift und Architektin. Matthias Daum sagte, die Recherchen zu seinem Buch hätten ihn überzeugt, dass sich Glück überall finden lässt. Nicht, was Planer in ihren Köpfen vorschwebe, sei letztlich entscheidend, ob sich Menschen an einem Ort wohlfühlen oder nicht. Ausschlaggebend sei vielmehr, ob die Menschen an diesem Ort das einigermassen vorfänden, was ihnen wichtig ist. Da nehme man eben auch in Kauf, dass einem der Nachbar aus seiner drei Meter entfernten Küche in die Wohnung schaue.

Pragmatismus in Ehren. Aber macht er nicht vor allem jene glücklich, die ihr Heil im Rückzug ins rein Private finden? Jeder für sich und niemand, der sich fürs Ganze verantwortlich fühlt? Der Berner Politologe Markus Freitag konstatierte denn auch in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» einen «Drang zur Unverbindlichkeit». Und er konstatiert, dass die Städte den Gemeinsinn entdecken, während die Dörfer anonymer werden.

Es ist ja nicht so, dass wir in Würenlos einträchtig unser kleines Glück geniessen. Die Krux ist doch, dass jeder und jede darunter etwas anderes versteht. Und darum nicht wenige in erheblichem Mass frustriert sind. Ärgere ich mich über die viele hässliche Architektur, vermissen andere schmerzlich ein Alterszentrum, sehnen sich die einen nach mehr Ruhe, so klagen andere, dass  nichts laufe in diesem Kaff.  Die einen stören sich am rasanten Verschwinden alter dörlicher Bausubstanz, für andere mahlen die Mühlen der Baubürokratie viel zu langsam. Glücksselige Harmonie hört sich anders an.

Architekt Andreas Fischer hat unter anderem die von starkem Gemeinschaftssinn der Bewohnerschaft geprägte Überbauung Kalkbreite in Zürich geplant . Er sagte in der Gesprächsrunde, es gelinge, eine hochstehende Verdichtung zu erreichen, wenn Bewohner schon bei der Planung ihrer künftigen Wohnumgebung aktiv mitwirken könnten und schliesslich eine Art Community bildeten, mit ähnlichen Vorstellungen  der Lebensgestaltung. Allerdings hatten in Würenlos bis jetzt weniger solche Communities das Sagen in der baulichen Entwicklung, sondern gewisse, auf Profitmaximierung schielende Immobilienfimen.

Nachhaltige Planung ist nicht nur in Würenlos, sondern in  Agglomerationen generell ein schwieriges Unterfangen. Auch wenn es nicht wenige Gemeinden gibt, die das Aufgehen im Siedlungsteppich besser meisterten als Würenlos. Die Agglomerationen seien das Stiefkind der Planung, darin waren sich die Teilnehmer der Gesprächsrunde einig, Das fange ja schon damit an, dass das Vokalbular fehle, sagte Felix Günther vom Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung der ETH, der auch an einer Studie «Perspektive Raumentwicklung Limmattal» massgeblich mitbeteiligt war. Wir sprechen von Städteplanung, auch wenn es um die Agglomeration geht.

Wie   Würenlos  denn vorgehen solle, wenn sie in Quartieren mit lauter älteren Einfamilienhäuschen eine Verdichtung in die Wege leiten möchte, wollte Vizeammann Toni Möckel von den Experten wissen. Bei einer bevorstehenden Änderung der Bau- und Nutzungsordnung künne es sicher nicht einfach darum gehen, an einzelnen Werten wie der Ausnützungsziffer oder der maximalen Geschosszahl herumzuschräubeln, lautete die Antwort.  Nicht mehr, sondern weniger Normierung sei anzustreben. Wo es hinpasse, sollte doch auch ein fünf- statt ein dreistöckiges Gebäude aufgestellt werden dürfen.

Da kommt eine heikle Aufgabe auf die Behörden zu. Sie werden genauer als heute wissen müssen, was sie und was die Bevölkerung eigentlich wollen. Und schon bin ich  wieder da, wo würenblicker schon mehrfach eingehakt hat: Wir Bürger wollen genauer wissen, wohin unser Weg führt und welche Entwicklungsvorstellungen unser Gemeinderat hat. Ihm kommt hier eine entscheidende Führungsrolle zu. Denn niemand ausser ihm und seinen Chefbeamten hat einen so guten Überblick, was alles auf die Gemeinde in zukommt.  Niemand weiss aus Erfahrung besser, wo die Probleme liegen und was möglich oder gänzlich unmöglich ist. Darum habe ich in meiner Bilanz des ersten Amtsjahres des jetzigen Gemeinderates dafür plädiert, die Behörde möge  künftig mehr Zeit finden, sich auch mit der mittel- und langfristigen Entwicklung unserer Gemeinde zu befassen. Ein Leitbild  wären überaus nützlich. Es geht dabei nicht in erster Linie um grosse Visionen, wie sie Hans Arnold soeben hier vorgestellt hat. Es geht um ganz realistische Ziele. Wer andauernd Weichen stellt wie der Gemeinderat, muss doch einigermassen eine Vorstellung davon haben, wo die Fahrt hinführen soll.

Frühere Gemeinderäte um die Jahrtausendwende hatten sich der Aufgabe gestellt und sich ein Leitbild und darauf basierende Regierungsrichtlinien gegeben. Resultiert daraus haben – wir wissen es – keine Wunder. Aber der Wert von Leitbildern liegt nicht zuletzt in ihrem Entstehungsprozess: Entscheidungsträger werden gezwungen, ihren Blick über die laufenden Geschäfte hinaus zu richten, sich Fragen zu stellen und nach Antworten zu suchen: Was wollen wir und was will unsere Bevölkerung? Was wollen wir nicht? Wie können wir unsere Ziele am besten erreichen? Dieser ganze Entwicklungsprozess kann in einer direkten Demokratie nur gelingen, wenn er mit starkem Einbezug der Bevölkerung abläuft.  Maximale Transparenz im behördlichen Handeln, eine ernst gemeinte Gesprächsbereitschaft sowie eine offensive Informationspolitik sind Voraussetzungen dafür.

(Was der Gemeinderat so alles in ein Leitbild schreiben könnte, darüber mehr in einem späteren Beitrag.)

 

 

Vision Würenlos

Was meint der Titel dieses Beitrags? Im Gegensatz zu einem Leitbild, das häufig angewendet wird und das einem Gemeinwesen den Weg weist, wie es sich in der Zukunft weiterentwickeln soll, setzt die Vision ein Ziel, wohin der Weg gehen könnte. Dieses Ziel kann realistisch sein oder auch nur eine Hoffnung, dass man irgendeinmal dort ankommt. Eine Vision kann ein Blick in die nähere, aber auch in die fernere Zukunft sein.

Mit der Vision Würenlos versuche ich fünf visionäre Ziele zu formulieren und zu beschreiben, wie man diese Ziele erreichen könnte.

1. SBB-Linie Wettingen-Würenlos-Otelfingen: Diese Bahnlinie mit der S6 ist Teil unserer guten Erschliessung durch den öffentlichen Verkehr. Der Nachteil ist, dass das Dorf zerschnitten wird und grosse Teile davon unter zunehmender Lärmbelastung durch den Güterverkehr leiden. Die Barriere verursacht regelmässig Verkehrsstaus durch das ganze Dorf.

  • Vision: Ein Bahntunnel ab Kempfhof bis zum Bahnhof. Diese Idee ist nicht neu, sie wird immer wieder diskutiert.
  • Was ist zu tun? Diese Vision in die Leitlinien der Gemeinde aufnehmen, damit das Ziel immer präsent bleibt. Denn irgendwann in der Zukunft muss eine neue Lösung für die Kreuzung von Bahn und Strasse gefunden werden.
  • Was erreichen wir? Rund 15 000 Quadratmeter Grünfläche würden gewonnen, die auf unterschiedliche Art genutzt werden könnten. Keine Lärmbelastung durch den Güterverkehr und keine Verkehrsstaus wegen geschlossener Barriere und damit eine Verbesserung der Wohnqualität.

2. Beim Bauen mehr aufs Gesamtbild achten: Schaut man sich die Bebauung von Würenlos an, stellt man fest, dass sich die meisten Einzelobjekte oder Überbauungen weitgehend nach den Bedürfnissen der Bauwilligen richten. Es wird wenig Rücksicht auf ein harmonisches Gesamtbild genommen. Dadurch entstand ein Sammelsurium von unterschiedlichster und sich oft gegenseitig «beissender Architektur». Gebäude stehen 50 bis 100 Jahre und wenn sie falsch geplant sind, sind sie dann noch da, wenn der Bauherr schon lange gestorben ist.

  • Vision: Würenlos strebt eine Siedlungsstruktur von guter Architektur, hoher Wohn- Siedlungs- und Lebensqualität an. Bei der Verdichtung des bestehenden Baugebietes werden diese Kriterien besonders beachtet.
  • Was ist zu tun? In der Bau- und Zonenordnung wird eine Beratungspflicht eingeführt. Vor Planungsbeginn soll mit der Baubehörde geklärt werden, welches die Bedürfnisse der Allgemeinheit sind. Damit soll eine ganzheitliche Betrachtung von Aussenraum und Gebäude gewährleisten werden. Auch externe Fachleute wären beizuziehen. Beratungspflicht ist keine neue Idee: Die Gemeinde Bergell, die kürzlich den Wakkerpreis des Schweizer Heimatschutzes erhalten hat, kennt die Beratungspflicht.
  • Was erreichen wir? Die Qualität der Quartiere und des Dorfes wird langfristig aufgewertet. Davon profitieren nicht zuletzt auch die Bauwilligen selbst. 

3. Autonome Energieversorgung. Es ist kaum noch bestritten, dass die Umwelt durch den grossen Energieverbrauch immer stärker belastet wird. Anzeichen einer Klimaänderung sind unverkennbar.

  • Vision: Würenlos strebt eine autonome Energieversorgung bis im Jahre 2040 an.
  • Was erreichen wir? Wir leisten einen angemessenen Beitrag an den Klimaschutz. Längerfristig sparen wir Energiekosten und werden unabhängig von Marktpreisen.
  • Was ist zu tun? Das Minergiehaus soll in der Gemeinde Standard werden. Ziel ist das Nullenergiehaus. Auch bei Umbauten und Renovationen soll dieses Ziel angestrebt werden. Erzeugung der notwendigen Energie mit Solaranlagen, Erdwärme, Wärme-Kraftkopplung,  Holzschnitzelheizungen etc. Die Gemeinde fördert diese Entwicklung mit Beratung und Auflagen in  der Bauordnung. Sie geht mit dem guten Beispiel voran, indem sie ihre eigenen Gebäude nach diesem Standard baut und aufrüstet.

4. Wohn- statt Gewerbezone Grosszelg: Sie läge an bester Wohnlage (Bahnhofsnähe, ruhige, sonnige Lage in der Nähe der Erholungsräume Tägerhardwald und Gmeumeri.

  • Vision: Umwandlung der Gewerbezone Grosszelg in eine Wohnzone.  Als Kompensation Schaffung einer Unterniveau-Gewerbezone im Gebiet Tägerhard.     Diese Vision wurde im Testplanverfahren 2010 postuliert.
  • Was ist zu tun? In der Bauordnung vermerken, dass es das Ziel ist, dieses Gebiet langfristig in eine Wohnzone umzuwandeln. Dem bestehenden Gewerbe kann eine Bestandesgarantie von 30-50 Jahren gewährt werden. Gewerbeneubauten werden ab
    z.B. 5 Jahren nicht mehr zugelassen. Wohnbauten oder Umwandlung von Gewerbe in Wohnbauten wären möglich.  Als Kompensation für die wegfallende Gewerbezone würde eine Unterniveaugewerbezone in die Planung der Landschaftsspange   Wettingen- Würenlos eingebracht (siehe unten).
  • Was erreichen wir? Würenlos könnte auch in der Zukunft moderat wachsen, ohne neues Land einzuzonen. Die Gemeinde würde teilweise vom Gewerbeverkehr entlastet. Gewerbe könnte sich in der Nähe ansiedeln. Viele Gewerbebauten, Einkaufszentren und Lager benötigen wenig bis kein natürliches Licht, verstellen aber mit grossen Kuben unsere Landschaft.
Die Vision einer unterirdischen Gewerbezone im Bereich des Autobahnanschlusses Wettingen-Ost, mit Lichthöfen auf der Grünfläche links und rechts der Furttalstrasse.
Die Vision einer unterirdischen Gewerbezone im Bereich des Autobahnanschlusses Wettingen-Ost, mit Lichthöfen auf der Grünfläche links und rechts der Furttalstrasse.

5. Das unterirdische Gewerbegebiet Tägerhard: Beidseits der Autobahnausfahrt Wettingen-Ost/Würenlos wird eine 3-4-geschossige Unterniveau-Gewerbezone geplant, Nutzfläche ca. 650 000 Quadratmeter. Dies würde etwa einem dreigeschossigen Kubus von 20 Meter Breite und 1,2 Kilometer Länge entsprechen, der sonst oberirdisch die Landschaft verstellen würde. Das Gebiet ist sehr gut erschlossen und könnte noch besser erschlossen werden (Autobahn A1, S6, 2 Buslinien 1 und 8). Hier könnten sich Gewerbe, Lagerräume, Detailhandel etc. ansiedeln. Lichthöfe bringen natürliches Licht in Räume, die solches benötigen. Diese Vision würde die geplante Landschaftsspange kaum beeinträchtigen.

Wie könnten solche Vision gefördert werden? 

  • Sie finden das, liebe Leserin, lieber Leser, utopisch? Der Glaube kann Berge versetzen oder durchbohren. Haben Sie visionäre Ideen? Senden Sie uns diese, der würenblicker würde sich darüber freuen und sie gerne publizieren.
  • Der Gemeinderat sollte Leitlinien verfassen, die die Weiterentwicklung der Gemeinde aufzeigt.
  • Eine Gruppe von kreativen Leuten könnte einen Katalog von Visionen ausarbeiten, die in die weitere Zukunft weisen.

Sowohl dieser Visionen-Katalog wie die Leitlinien des Gemeinderates müssten an öffentlichen Veranstaltungen diskutiert werden.

Ein späterer Beitrag wird aufzeigen, wie sinnvoll es wäre, wenn sich der Gemeinderat bei seinem Handeln an einem aktuellen Leitbild und an Regierungsrichtlinien orientieren könnte. Ein letztes solches Papier stammt aus dem Jahre 2004.