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Plan-los im «letzten Kampf um den Buechrai»?

Am 24. März hat der Aargauer Grosse Rat das Siedlungsgebiet im kantonalen Richtplan festgelegt. Zum dritten Mal nach 2002 und 2005 hat er es abgelehnt, den Würenloser Buechrai dem Siedlungsgebiet zuzuschlagen. Dafür kämpfen die Grundeigentümer am Buechrai seit Jahren. Und vor dem jetzigen Grossratsentscheid hat ihnen dabei auch der Gemeinderat unter die Arme gegriffen. Laut AZ Badener Tagblatt hat er mit einem Brief an alle Grossräte versucht, im Sinne der Grundeigentümer Einfluss aufs Kantonsparlament zu nehmen. Wieso aber der Entscheid des Grossen Rates sinnvoll ist, zeigt der folgende Beitrag.

Der Buechrai unterhalb des Waldrandes, vom Brunnenweg aus gesehen

Der Buechrai unterhalb des Waldrandes, vom Brunnenweg aus gesehen.

Ist der Gemeinderat Würenlos, wie im Leserbrief von Roger Wiederkehr in der AZ vom 18. März 2015 suggeriert, tatsächlich planungs- und respektlos, wenn es um die Zuweisung des Buechrai zum Siedlungsgebiet geht? Ich wäre eher geneigt zu sagen: beratungsresistent!

Tatsache ist, dass die seit der Genehmigung der aktuellen Bau- und Nutzungsordnung im Jahre 2002 hängige rechtskräftige Zonierung des Gebiets Buechrai nicht tragbar ist. Allerdings ist die Ausgangslage – entgegen des unkritischen Artikels von Dieter Minder in der Aargauer Zeitung vom 13. März 2015 – relativ klar: Der Grosse Rat hat die Zuweisung des Buechrai zum Baugebiet zweimal (2002 und 2005) abgelehnt. Die Gemeinde wurde aufgefordert, das Gebiet einer anderen, Nicht-Bauzone zuzuweisen. Seither wird versucht, das Gebiet doch noch in die Bauzone zu«murksen». Dass die Grundeigentümer dies versuchen, ist ihr gutes Recht. Dass sich der Gemeinderat vor deren Karren spannt und nun aus eigener Initiative die Grossräte beackert und Briefe zuschickt, wirft aber zumindest Fragezeichen auf. Dies umso mehr, als die 2010 durchgeführte Testplanung Würenlos ganz klar zum Schluss kam, dass der Buechrai nicht eingezont werden sollte.

Wem ist der Gemeinderat nun denn in erster Linie verpflichtet? Einer sinnvollen, gezielten Dorfentwicklung oder einzelnen Interessenvertretern? Allen Leuten recht getan… natürlich ist das schwierig. Der Umgang mit «unerwünschten» Planungsresultaten wie z.B. aus der Testplanung oder der Entwicklungsstudieb«im Grund» zeugt zumindest von einer massiven Skepsis gegenüber Planungsfachleuten.

Was aber spricht denn tatsächlich gegen eine Einzonung des Buechrai?

  • Das Gebot der Innenverdichtung, wie es im revidierten Raumplanungsgesetz verankert wurde. Dieses hat hier zwei Aspekte: Ersten sollten Neu-Einzonungen nur mit grosser Zurückhaltung erfolgen. Zum anderen sind Einzonungen dort sinnvoll, wo verdichtet gebaut und zahlreicher Wohnraum erstellt werden kann. Gebiete wie der Buechrai, die sich aufgrund ihrer Topographie nur für wenig dichte Zonen wie E2 oder allenfalls W2 eignen, sind nicht (mehr) einzuzonen.
  • Die (verkehrliche) Erschliessung ist, anders als im AZ-Artikel suggeriert, nicht gesichert. Die Zelglistrasse kann dazu nicht dienen, da eine Erschliessung über Landwirtschaftsland (beim «Obersten»-Bauernhof) nicht zulässig ist. Diese etwas legalistische Argumentation kann mit einer inhaltlichen ergänzt werden: Die Notwendigkeit eines Fahrverbots für den Durchgangsverkehr auf der Zelglistrasse, wie es kürzlich publiziert wurde, zeigt, dass kein zusätzlicher Verkehr verkraftet werden kann. Eine Erschliessung durch den Kempfhof muss aus den gleichen Gründen kritisch beurteilt werden.
  • Der Buechrai liegt falsch. Würenlos soll nicht am Dorfrand wachsen, da hier Zwangs-Automobilität generiert wird. Die öV-Erschliessung ist miserabel und ausser von ökologischen «Überzeugungstätern» wird von hier nicht zu Fuss oder mit dem Rad, sondern mit dem Auto eingekauft. Das ist nicht per se «des Teufels», aber aus Planungssicht sollte an zentraler, gut erschlossener Lage gebaut werden. Das ist z.B. hinter dem Steinhof der Fall. Aus den gleichen Überlegungen wurde eine Zuweisung der Bebauungslücke in der Bünte zum Siedlungsgebiet verworfen.
  • Kein Bedarf in Würenlos für weitere E2-/W2-Zonen. Das Argument, dass hier «gute» Steuerzahler einziehen werden, die die Würenloser Gemeindefinanzen zur Gesundung bringen, ist nicht realistisch und wird querbeet in den Agglomerationsgemeinden der Schweiz widerlegt (vergleiche dazu den „RGB-Simulator“ der Hochschule Luzern). Wer wirklich finanzkräftig ist, wünscht sich eine schönere Aussicht als aufs Furttal und die Bahnlinie. Zudem wünscht auch der Gemeinderat eine moderate Bevölkerungsentwicklung, was grosszügige Einzonungen kurzfristig ausschliessen sollte. Nur schon die Entwicklung in den verbleibenden rechtskräftigen Bauzonen (Gatterächer, Steinhof-Areal) wird zu einer Belastung für die Gemeindefinanzen werden. Es braucht keine zusätzlichen Bauzonen.
  • Aspekte wie Exposition (Ost bis Südost) und zwingende Lärmschutz-Architektur sind ein bisschen Geschmackssache, aber sprechen sicher nicht für eine bevorzugte Einzonung.

Mit dem Entscheid des Grossen Rates vom 24. März (vgl. Aargauer Zeitung) scheint «der letzte Kampf» um den Buechrai vorerst (Zeithorizont 2040) geschlagen zu sein, eine Zuweisung zum Siedlungsgebiet und damit zur Bauzone nicht möglich. Der Gemeinderat wäre jetzt gut beraten, nicht über die Hintertüre des kantonalen Kontingents für «örtlich nicht zugewiesenes Siedlungsgebiet» dennoch eine Einzonung anzustreben. Eine Weisheit der Dakota-Indianer besagt, dass man ein totes Pferd nicht weiter reiten, sondern von ihm absteigen solle. Lassen wir den Buechrai-Gaul nun ruhen!

 

Planen in der Agglo

Wegweiser2

Wohin führt uns der Weg? Direkt in die «Pampa», wie uns dieser seit Tagen leicht verdrehte Wegweiser am Kreisel in Oetwil weismachen will? Wir wollen’s nicht hoffen.

Doch wie sieht die Zukunft von Würenlos aus? Vieles wird vorgegeben durch künftige Entwicklungen und Ereignisse, die wir als Gemeinde kaum beeinflussen können: Die Wirtschaftslage, das Zinsniveau, eidgenössische und kantonale Gesetze,  die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen von morgen.  Doch nicht die ganze Entwicklung unserer Gemeinde ist fremdbestimmt, einen Teil können wir  Bürgerinnen und Bürger durch vorausschauende Planung beeinflussen.

Würenlos ist heute ein «Weder-Fisch-noch-Vogel-Ort». Ein ländliches Dorf sind wir nicht mehr, eine Stadt ebensowenig. Agglo eben. Zwar wähnt man sich – je nach Standort – mal in einem heimeligen, idyllischen Dorf, dann wieder eher wie in einer Kleinstadt. Meistens aber ist es ein Wedernoch: weder total hässlich, noch zum Verlieben schön oder gemütlich. Vieles wirkt zufällig, beliebig. Vieles auch austauschbar. Und damit meine ich nicht nur das Siedlungsbild. Auch die Menschen, die es bevölkern.

Wir Würenloser teilen dieses Schicksal mit fast der Hälfte aller Leute in diesem Land. 45 Prozent leben in Agglomerationen, in jenem Siedlungsbrei also, der sich rund um die Städte in die Landschaft ergossen hat. Die Agglomeration sei  «die Stadt des 21. Jahrhunderts», schreiben Matthias Daum und Paul Schneeberger in ihrem Buch mit dem Titel «Daheim. Eine Reise durch die Agglomeration» (Verlag NZZ 2013).

In der Agglo und somit auch in Würenlos leben, das ist oft ein Kompromiss zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Auch meine Familie ist hier vor 35 Jahren gelandet, weil es sich so ergeben hat. Meine Frau arbeitete in Zürich, ich in Baden, also suchten wir etwas in der Mitte. Immerhin konnten wir damals noch auslesen, zwischen Obersiggenthal etwa und Würenlos. Heute zieht man oft einfach dorthin, wo sich etwas zu einem zahlbaren Preis überhaupt noch finden lässt. Die Zimmerzahl, der Garagenplatz oder das Gärtchen, um Trampolin und Grill aufzustellen, sind wichtiger als der Wohnort und sein Ambiente. Was soll’s, wenn die Schule etwas gar weit weg ist, Mama kann ja Taxi spielen. Die traumhafte Aussicht aber, den See vor der Haustür oder das Leben in einer pittoresken Altstadt, das alles kann man sich eh nicht leisten. Um solches zu geniessen, gibt es ja Ferien.

Der zitierte Buchautor Matthias Daum war Teilnehmer eines vom Kulturkreis Würenlos organisierten Gesprächs unter dem Titel «Zusammenrücken» .  Es ging um das verdichtete Bauen, um das wir nicht herumkommen, wenn wir die Erhaltung der noch verbliebenen Grünzonen mit dem prognostizierten Bevölkerungswachstum in Einklang bringen wollen. Es gibt ja Prognosen, die gehen von einer Zunahme der Bevökerung im ganzen Limmattal um 100 000 Menschen in den nächsten Jahrzehnten aus. Werden wir uns da noch wohl fühlen können?

Die mehrheitlich in der Stadt wohnende Expertenrunde war sich einig in der Einschätzung, dass Dichte an sich nichts Negatives ist. Weil sie eben auch Vorteile bringe. Genügend Kundschaft etwa für eine Bäckerei in der Nähe, so Gesprächsleiterin Judit Solt, Chefredaktorin einer Bauzeitschrift und Architektin. Matthias Daum sagte, die Recherchen zu seinem Buch hätten ihn überzeugt, dass sich Glück überall finden lässt. Nicht, was Planer in ihren Köpfen vorschwebe, sei letztlich entscheidend, ob sich Menschen an einem Ort wohlfühlen oder nicht. Ausschlaggebend sei vielmehr, ob die Menschen an diesem Ort das einigermassen vorfänden, was ihnen wichtig ist. Da nehme man eben auch in Kauf, dass einem der Nachbar aus seiner drei Meter entfernten Küche in die Wohnung schaue.

Pragmatismus in Ehren. Aber macht er nicht vor allem jene glücklich, die ihr Heil im Rückzug ins rein Private finden? Jeder für sich und niemand, der sich fürs Ganze verantwortlich fühlt? Der Berner Politologe Markus Freitag konstatierte denn auch in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» einen «Drang zur Unverbindlichkeit». Und er konstatiert, dass die Städte den Gemeinsinn entdecken, während die Dörfer anonymer werden.

Es ist ja nicht so, dass wir in Würenlos einträchtig unser kleines Glück geniessen. Die Krux ist doch, dass jeder und jede darunter etwas anderes versteht. Und darum nicht wenige in erheblichem Mass frustriert sind. Ärgere ich mich über die viele hässliche Architektur, vermissen andere schmerzlich ein Alterszentrum, sehnen sich die einen nach mehr Ruhe, so klagen andere, dass  nichts laufe in diesem Kaff.  Die einen stören sich am rasanten Verschwinden alter dörlicher Bausubstanz, für andere mahlen die Mühlen der Baubürokratie viel zu langsam. Glücksselige Harmonie hört sich anders an.

Architekt Andreas Fischer hat unter anderem die von starkem Gemeinschaftssinn der Bewohnerschaft geprägte Überbauung Kalkbreite in Zürich geplant . Er sagte in der Gesprächsrunde, es gelinge, eine hochstehende Verdichtung zu erreichen, wenn Bewohner schon bei der Planung ihrer künftigen Wohnumgebung aktiv mitwirken könnten und schliesslich eine Art Community bildeten, mit ähnlichen Vorstellungen  der Lebensgestaltung. Allerdings hatten in Würenlos bis jetzt weniger solche Communities das Sagen in der baulichen Entwicklung, sondern gewisse, auf Profitmaximierung schielende Immobilienfimen.

Nachhaltige Planung ist nicht nur in Würenlos, sondern in  Agglomerationen generell ein schwieriges Unterfangen. Auch wenn es nicht wenige Gemeinden gibt, die das Aufgehen im Siedlungsteppich besser meisterten als Würenlos. Die Agglomerationen seien das Stiefkind der Planung, darin waren sich die Teilnehmer der Gesprächsrunde einig, Das fange ja schon damit an, dass das Vokalbular fehle, sagte Felix Günther vom Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung der ETH, der auch an einer Studie «Perspektive Raumentwicklung Limmattal» massgeblich mitbeteiligt war. Wir sprechen von Städteplanung, auch wenn es um die Agglomeration geht.

Wie   Würenlos  denn vorgehen solle, wenn sie in Quartieren mit lauter älteren Einfamilienhäuschen eine Verdichtung in die Wege leiten möchte, wollte Vizeammann Toni Möckel von den Experten wissen. Bei einer bevorstehenden Änderung der Bau- und Nutzungsordnung künne es sicher nicht einfach darum gehen, an einzelnen Werten wie der Ausnützungsziffer oder der maximalen Geschosszahl herumzuschräubeln, lautete die Antwort.  Nicht mehr, sondern weniger Normierung sei anzustreben. Wo es hinpasse, sollte doch auch ein fünf- statt ein dreistöckiges Gebäude aufgestellt werden dürfen.

Da kommt eine heikle Aufgabe auf die Behörden zu. Sie werden genauer als heute wissen müssen, was sie und was die Bevölkerung eigentlich wollen. Und schon bin ich  wieder da, wo würenblicker schon mehrfach eingehakt hat: Wir Bürger wollen genauer wissen, wohin unser Weg führt und welche Entwicklungsvorstellungen unser Gemeinderat hat. Ihm kommt hier eine entscheidende Führungsrolle zu. Denn niemand ausser ihm und seinen Chefbeamten hat einen so guten Überblick, was alles auf die Gemeinde in zukommt.  Niemand weiss aus Erfahrung besser, wo die Probleme liegen und was möglich oder gänzlich unmöglich ist. Darum habe ich in meiner Bilanz des ersten Amtsjahres des jetzigen Gemeinderates dafür plädiert, die Behörde möge  künftig mehr Zeit finden, sich auch mit der mittel- und langfristigen Entwicklung unserer Gemeinde zu befassen. Ein Leitbild  wären überaus nützlich. Es geht dabei nicht in erster Linie um grosse Visionen, wie sie Hans Arnold soeben hier vorgestellt hat. Es geht um ganz realistische Ziele. Wer andauernd Weichen stellt wie der Gemeinderat, muss doch einigermassen eine Vorstellung davon haben, wo die Fahrt hinführen soll.

Frühere Gemeinderäte um die Jahrtausendwende hatten sich der Aufgabe gestellt und sich ein Leitbild und darauf basierende Regierungsrichtlinien gegeben. Resultiert daraus haben – wir wissen es – keine Wunder. Aber der Wert von Leitbildern liegt nicht zuletzt in ihrem Entstehungsprozess: Entscheidungsträger werden gezwungen, ihren Blick über die laufenden Geschäfte hinaus zu richten, sich Fragen zu stellen und nach Antworten zu suchen: Was wollen wir und was will unsere Bevölkerung? Was wollen wir nicht? Wie können wir unsere Ziele am besten erreichen? Dieser ganze Entwicklungsprozess kann in einer direkten Demokratie nur gelingen, wenn er mit starkem Einbezug der Bevölkerung abläuft.  Maximale Transparenz im behördlichen Handeln, eine ernst gemeinte Gesprächsbereitschaft sowie eine offensive Informationspolitik sind Voraussetzungen dafür.

(Was der Gemeinderat so alles in ein Leitbild schreiben könnte, darüber mehr in einem späteren Beitrag.)

 

 

Vision Würenlos

Was meint der Titel dieses Beitrags? Im Gegensatz zu einem Leitbild, das häufig angewendet wird und das einem Gemeinwesen den Weg weist, wie es sich in der Zukunft weiterentwickeln soll, setzt die Vision ein Ziel, wohin der Weg gehen könnte. Dieses Ziel kann realistisch sein oder auch nur eine Hoffnung, dass man irgendeinmal dort ankommt. Eine Vision kann ein Blick in die nähere, aber auch in die fernere Zukunft sein.

Mit der Vision Würenlos versuche ich fünf visionäre Ziele zu formulieren und zu beschreiben, wie man diese Ziele erreichen könnte.

1. SBB-Linie Wettingen-Würenlos-Otelfingen: Diese Bahnlinie mit der S6 ist Teil unserer guten Erschliessung durch den öffentlichen Verkehr. Der Nachteil ist, dass das Dorf zerschnitten wird und grosse Teile davon unter zunehmender Lärmbelastung durch den Güterverkehr leiden. Die Barriere verursacht regelmässig Verkehrsstaus durch das ganze Dorf.

  • Vision: Ein Bahntunnel ab Kempfhof bis zum Bahnhof. Diese Idee ist nicht neu, sie wird immer wieder diskutiert.
  • Was ist zu tun? Diese Vision in die Leitlinien der Gemeinde aufnehmen, damit das Ziel immer präsent bleibt. Denn irgendwann in der Zukunft muss eine neue Lösung für die Kreuzung von Bahn und Strasse gefunden werden.
  • Was erreichen wir? Rund 15 000 Quadratmeter Grünfläche würden gewonnen, die auf unterschiedliche Art genutzt werden könnten. Keine Lärmbelastung durch den Güterverkehr und keine Verkehrsstaus wegen geschlossener Barriere und damit eine Verbesserung der Wohnqualität.

2. Beim Bauen mehr aufs Gesamtbild achten: Schaut man sich die Bebauung von Würenlos an, stellt man fest, dass sich die meisten Einzelobjekte oder Überbauungen weitgehend nach den Bedürfnissen der Bauwilligen richten. Es wird wenig Rücksicht auf ein harmonisches Gesamtbild genommen. Dadurch entstand ein Sammelsurium von unterschiedlichster und sich oft gegenseitig «beissender Architektur». Gebäude stehen 50 bis 100 Jahre und wenn sie falsch geplant sind, sind sie dann noch da, wenn der Bauherr schon lange gestorben ist.

  • Vision: Würenlos strebt eine Siedlungsstruktur von guter Architektur, hoher Wohn- Siedlungs- und Lebensqualität an. Bei der Verdichtung des bestehenden Baugebietes werden diese Kriterien besonders beachtet.
  • Was ist zu tun? In der Bau- und Zonenordnung wird eine Beratungspflicht eingeführt. Vor Planungsbeginn soll mit der Baubehörde geklärt werden, welches die Bedürfnisse der Allgemeinheit sind. Damit soll eine ganzheitliche Betrachtung von Aussenraum und Gebäude gewährleisten werden. Auch externe Fachleute wären beizuziehen. Beratungspflicht ist keine neue Idee: Die Gemeinde Bergell, die kürzlich den Wakkerpreis des Schweizer Heimatschutzes erhalten hat, kennt die Beratungspflicht.
  • Was erreichen wir? Die Qualität der Quartiere und des Dorfes wird langfristig aufgewertet. Davon profitieren nicht zuletzt auch die Bauwilligen selbst. 

3. Autonome Energieversorgung. Es ist kaum noch bestritten, dass die Umwelt durch den grossen Energieverbrauch immer stärker belastet wird. Anzeichen einer Klimaänderung sind unverkennbar.

  • Vision: Würenlos strebt eine autonome Energieversorgung bis im Jahre 2040 an.
  • Was erreichen wir? Wir leisten einen angemessenen Beitrag an den Klimaschutz. Längerfristig sparen wir Energiekosten und werden unabhängig von Marktpreisen.
  • Was ist zu tun? Das Minergiehaus soll in der Gemeinde Standard werden. Ziel ist das Nullenergiehaus. Auch bei Umbauten und Renovationen soll dieses Ziel angestrebt werden. Erzeugung der notwendigen Energie mit Solaranlagen, Erdwärme, Wärme-Kraftkopplung,  Holzschnitzelheizungen etc. Die Gemeinde fördert diese Entwicklung mit Beratung und Auflagen in  der Bauordnung. Sie geht mit dem guten Beispiel voran, indem sie ihre eigenen Gebäude nach diesem Standard baut und aufrüstet.

4. Wohn- statt Gewerbezone Grosszelg: Sie läge an bester Wohnlage (Bahnhofsnähe, ruhige, sonnige Lage in der Nähe der Erholungsräume Tägerhardwald und Gmeumeri.

  • Vision: Umwandlung der Gewerbezone Grosszelg in eine Wohnzone.  Als Kompensation Schaffung einer Unterniveau-Gewerbezone im Gebiet Tägerhard.     Diese Vision wurde im Testplanverfahren 2010 postuliert.
  • Was ist zu tun? In der Bauordnung vermerken, dass es das Ziel ist, dieses Gebiet langfristig in eine Wohnzone umzuwandeln. Dem bestehenden Gewerbe kann eine Bestandesgarantie von 30-50 Jahren gewährt werden. Gewerbeneubauten werden ab
    z.B. 5 Jahren nicht mehr zugelassen. Wohnbauten oder Umwandlung von Gewerbe in Wohnbauten wären möglich.  Als Kompensation für die wegfallende Gewerbezone würde eine Unterniveaugewerbezone in die Planung der Landschaftsspange   Wettingen- Würenlos eingebracht (siehe unten).
  • Was erreichen wir? Würenlos könnte auch in der Zukunft moderat wachsen, ohne neues Land einzuzonen. Die Gemeinde würde teilweise vom Gewerbeverkehr entlastet. Gewerbe könnte sich in der Nähe ansiedeln. Viele Gewerbebauten, Einkaufszentren und Lager benötigen wenig bis kein natürliches Licht, verstellen aber mit grossen Kuben unsere Landschaft.
Die Vision einer unterirdischen Gewerbezone im Bereich des Autobahnanschlusses Wettingen-Ost, mit Lichthöfen auf der Grünfläche links und rechts der Furttalstrasse.
Die Vision einer unterirdischen Gewerbezone im Bereich des Autobahnanschlusses Wettingen-Ost, mit Lichthöfen auf der Grünfläche links und rechts der Furttalstrasse.

5. Das unterirdische Gewerbegebiet Tägerhard: Beidseits der Autobahnausfahrt Wettingen-Ost/Würenlos wird eine 3-4-geschossige Unterniveau-Gewerbezone geplant, Nutzfläche ca. 650 000 Quadratmeter. Dies würde etwa einem dreigeschossigen Kubus von 20 Meter Breite und 1,2 Kilometer Länge entsprechen, der sonst oberirdisch die Landschaft verstellen würde. Das Gebiet ist sehr gut erschlossen und könnte noch besser erschlossen werden (Autobahn A1, S6, 2 Buslinien 1 und 8). Hier könnten sich Gewerbe, Lagerräume, Detailhandel etc. ansiedeln. Lichthöfe bringen natürliches Licht in Räume, die solches benötigen. Diese Vision würde die geplante Landschaftsspange kaum beeinträchtigen.

Wie könnten solche Vision gefördert werden? 

  • Sie finden das, liebe Leserin, lieber Leser, utopisch? Der Glaube kann Berge versetzen oder durchbohren. Haben Sie visionäre Ideen? Senden Sie uns diese, der würenblicker würde sich darüber freuen und sie gerne publizieren.
  • Der Gemeinderat sollte Leitlinien verfassen, die die Weiterentwicklung der Gemeinde aufzeigt.
  • Eine Gruppe von kreativen Leuten könnte einen Katalog von Visionen ausarbeiten, die in die weitere Zukunft weisen.

Sowohl dieser Visionen-Katalog wie die Leitlinien des Gemeinderates müssten an öffentlichen Veranstaltungen diskutiert werden.

Ein späterer Beitrag wird aufzeigen, wie sinnvoll es wäre, wenn sich der Gemeinderat bei seinem Handeln an einem aktuellen Leitbild und an Regierungsrichtlinien orientieren könnte. Ein letztes solches Papier stammt aus dem Jahre 2004. 

Alterszentrum (4): Die zweitbeste Lösung

Der Gemeinderat möchte das Alterszentrum von einem Investor bauen lassen und sich über die Erteilung des Baurechts hinaus nicht am Alterszentrum beteiligen. Ich erachte das als zweitbeste Lösung für die Gemeinde.

Würenlos sei noch nie so nahe an der Realisierung eines Alterszentrums gewesen wie jetzt, sagte mir Gemeindeammann Hans Ueli Reber. Angesichts der Tatsache, dass mit Falter und Ikarus schon zweimal fixfertige Projekte auf dem Tisch lagen, tönt diese Einschätzung sehr optimistisch. Umso besser, sollte sich der Optimismus als berechtigt erweisen.

Wenn ein Investor als privater Bauherr das Alterszentrum realisiert, so wird der Spatz in der Hand  der Taube auf dem Dach vorgezogen. Angesichts der Vorgeschichte ist das nicht völlig abwegig. Doch baut ein Investor das Alterszentrum, so ist das mit einem Verlust an Einflussnahme durch die Gemeinde und ihre Bevölkerung verbunden. Nicht zufällig wird auf würenblicker bereits darüber diskutiert, ab wann ein Investor in der Planung mitreden soll – von Anfang an oder erst, wenn der Gestaltungsplan steht? Die Angst, dass wer zahlt auch befiehlt, ist verständlich.

Als Aussenstehender gewinnt man den Eindruck, dass mit der Investorenlösung der bisherige Vertragspartner der Gemeinde, der Verein Alterszentrum Würenlos, kaltblütig abserviert und entmachtet wird. Daran ändert auch wenig, wenn in einem neuen Vertrag dem Verein Mitsprachemöglichkeiten, etwa bei der Auswahl des Investors und bei der Planung, eingeräumt und ihm bisherige Planungskosten rückerstattet werden.

Der Verein wollte eigentlich das Alterszentrum mit einer dafür zu schaffenden gemeinnützigen Aktiengesellschaft bauen. Doch einer solchen Lösung scheint der Gemeinderat  zu misstrauen – nicht völlig grundlos vielleicht: In ihrem Innersten glauben wohl viele Würenloserinnen und Würenloser nicht so recht daran, das Alterszentrum aus eigener Kraft stemmen zu können.

Die Finanzierung allein rechtfertigt keine Investorenlösung. Auch eine gemeinnützige AG hätte das Geld zu günstigen Bedingungen zusammen gekriegt. Vielmehr fehlte dem überalterten Verein Alterszentrum Würenlos und seinem – in jüngster Zeit gar noch geschrumpften – Vorstand unter Verena Zehnder der breite tatkräftige Support von  Gemeinderat, Parteien, Gewerbekreisen und Vereinen. Man sollte meinen, in unserer Gemeinde lebten genügend jüngere, dynamische Persönlichkeiten, die nach dem Motto «Das packen wir» mit ihrem beruflichen Know-how das Projekt Alterszentrum aus eigener Kraft sicher über die Runden bringen könnten. Letztlich ist es ein Armutszeugnis, dass unsere Dorfgemeinschaft es nicht wie ungezählte andere Gemeinden schafft, eine ureigene Institution für das Wohnen im Alter ins Leben zu rufen.

Ob das Alterszentrum ein Alterszentrum der Würenloser wird, hängt bei einer Investorenlösung ganz davon ab, welcher Investor gewählt wird, welche Vorgaben man ihm macht und wie geschickt mit ihm verhandelt wird. Verhandlungen auf höchstem Niveau werden das sein – es geht um viel, auch um sehr viel Geld. Wird dieser Gemeinderat die Interessen der Dorfgemeinschaft ausreichend durchsetzen können?

«Public Private Partnership», heisst auf Neu-Deutsch, was auf der Zentrumswiese vonstatten gehen soll. Ein enges Zusammengehen von Staat und Privaten. Die Gemeinde gibt das Land im Baurecht (vielleicht kann die Gemeindeversammlung bei den Bedingungen und dem Baurechtszins noch mitreden) und erstellt einen Gestaltungsplan, den Rest besorgt der Investor.

Frei von Risiko ist das nicht. Es gibt Beispiele funktionierender öffentlich-privater Partnerschaften, aber leider auch andere. Es hängt alles von den Verträgen ab, ob die Gemeinde am Schluss nicht doch zur Kasse gebeten wird. Es muss ja nicht gleich so schlimm kommen wie in Hamburg, wo das von der Stadt zusammen mit einem Baukonzern realisierte Skandalprojekt Elbphilharmonie die Stadt letztlich rund 790 statt der ursprünglich mit dem Investor vereinbarten 114 Millionen Franken kostet.

Mit einer gemeinnützigen AG hätten sich die 4 Millionen Franken im Altersheimfonds der Einwohnergemeinde ohne Weiteres gemäss Zweckbestimmung verwenden lassen. Die Gemeinde hätte sich damit an der AG beteiligen und sich so grossen Einfluss sichern können. Im Investorenmodell muss für die Millionen eine andere Verwendung gefunden werden. Dem Investor dürfen sie nicht einfach als milde Gabe in die Tasche gestopft werden.

Dem Gemeinderat schwebt vor, Einwohnern, die sich das sonst nicht leisten könnten, den Aufenthalt im Alterszentrum mit Mitteln aus dem Fonds zu verbilligen. Eine problematische Idee. Wurde der Altersheimfonds nicht geschaffen, um der ganzen Bevölkerung ein erschwingliches Wohnen im Alter zu ermöglichen? Und wo wäre die Abgrenzung zur Sozialhilfe? Sie ist eine gesetzliche Aufgabe der Gemeinde und aus Steuermitteln (und nicht aus einem Altersheimfonds) zu finanzieren.

Übrigens: Bei der Pensionskasse, die als Investor auf die Gemeinde zu gekommen ist, handelt es sich laut H. U. Reber um die Sammelstiftung Nest. Sie nennt sich selber «die ökologisch-ethische Pensionskasse». 25 Prozent ihres Vermögens von rund 1,6 Milliarden Franken (2013) sind in Immobilien angelegt. Auf der Liste der 2759 Betriebe, die ihr Personal bei Nest versicherten, stehen auch solche aus dem links-grünen Lager (Alternative Bank Schweiz, Alpeninitiative, WWF), aber auch der Blutspendedienst des Roten Kreuzes und Alters- und Pflegeheime. Nest verzichtet auf ökologisch oder ethisch fragwürdige Investitionen. Bei der Rendite macht die Sammelstiftung aber keine Geschenke. Sie rühmt sich auf ihrer Homepage, im Interesse der Versicherten auf ihrem Vermögen eine überdurchschnittlich hohe Rendite von 6,4 Prozent erzielt zu haben.