Referendum gegen Alterszentrum-Kredit

60 Prozent der Stimmenden haben an der Gemeindeversammlung vom 7. Dezember einem Kredit von 250 000 Franken zugestimmt, damit die verweigerte Baubewilligung fürs Alterszentrum auf dem Rechtsweg doch noch erstritten werden kann. Nun ist gegen den Entscheid der Gemeindeversammlung das Referendum ergriffen worden. 

Entscheidet sich das Schicksal des Projekts Margerite schon bald an der Urne?

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Das Referendumskomitee möchte auf dem riskanten Rechtsweg nicht noch Zeit und Geld verlieren, sondern jetzt schon die Weichen stellen in Richtung einer neuen «baubaren Lösung». Von den Komiteemitgliedern haben vor allem zwei in jüngerer Zeit auf sich aufmerksam gemacht: Steven Schraner als Gemeinderatskandidat der SVP und Robert Blarer mit politischen Aktionen. Nur zwei Komiteemitglieder (Luzia und Roland Benguerel) gehörten zu den privaten Einwendern gegen das Projekt Margerite. Das Komitee muss nun bis 31. Dezember (notfalls bis 8. Januar 2023) rund 430 Unterschriften zusammenkriegen. Das ist in der Weihnachts- und Silvesterzeit nicht leicht, aber auch nicht unmöglich.

Die total verfuhrwerkte Situation ums Alterszentrum (Link zum vorangegangenen Artikel) gestaltet sich mit dem Referendum gewiss nicht einfacher.  Vor lauter Fristen, Instanzen und Verfahren kann man schon den Überblick verlieren. So musste die Alterszentrum Würenlos AG (AZ AG) die Ablehnung ihres Baugesuchs durch den  Gemeinderat beim Regierungsrat anfechten, bevor feststehen wird, ob sie das dafür benötigte Geld aus der Gemeindekasse erhalten wird. 

Die AZ AG wird das Beschwerdeverfahren vor Regierungsrat wie vorgesehen weiterführen können, wenn
– es dem dem Referendumskomitee nicht gelingt, die nötige Zahl an Unterschriften zu sammeln, oder
– das Referendum zwar zustande kommt, an der Urne aber dem 250’000 Franken-Kredit zugestimmt wird . 

Resultiert an der Urne aber ein Nein, so fehlt der AZ AG das nötige Geld, um den Rechtsweg zu beschreiten. Sie müsste die bereits eingereichte Beschwerde zurückziehen. «Margerite» wäre gestorben. Es käme einer Missachtung des Wählerwillens gleich, das Verfahren vor Regierungsgrat (Anwaltkosten usw.) anderweitig zu finanzieren, etwa durch Gewährung privater Kredite an die AG.

Wer das Referendum unterstützt, ermöglicht einen Entscheid für oder gegen das Projekt Margerite,  der demokratisch breiter abgestützt wäre als der mit 103 Ja gegen 69 Nein gefasste Kreditbeschluss der Gemeindeversammlung. Zudem ermöglicht das Referendum uns Stimmberechtigten, erstmals darüber abzustimmen, ob wir die (das Ortsbild stark beeinträchtigende) Platzierung des Alterszentrums auf dem Furtbach-seitigen Teil der Zentrumswiese richtig oder falsch finden. Denn anders als die Befürworter von Margerite gerne behaupten, wurden wir Stimmberechtigten dazu noch nie direkt befragt. Die Landkäufe auf der Zentrumswiese und die Gründung der Alterszentrum Würenlos AG haben wir bewilligt ohne zu ahnen, dass sich die AZ AG dereinst ausgerechnet für diesen heiklen Standort nahe beim Bach entscheiden würde.

Die Befürworter des Projektes Margerite und unter ihnen besonders die Hardliner nahmen bisher ganz selbstverständlich in Anspruch, für eine Mehrheit der Würenloserinnen und Würenloser zu sprechen und handeln. Es ist durchaus möglich, dass ihnen auch an der Urne eine Mehrheit den Rücken stärken wird. Ich gehe aber davon aus, dass das Abstimmungsergebnis knapper ausfallen wird als an der Gemeindeversammlung. Der Aufmarsch zu dieser war zwar höher als normal, aber weit entfernt von der Rekordbeteiligung an der legendären Versammlung 2013, als der gemeinderätliche Antrag für den Alterszentrum-Standort im Gebiet Wiemel bös abgeschmettert wurde.

Seither sind 10 Jahre ins Land gegangen. Die Bevölkerung ist stark gewachsen, ihre Bedürfnisse haben sich zum Teil stark gewandelt – so ist man mobiler geworden, auch beim Wohnen im Alter.  Und selbst viele schon länger hier Ansässige haben die Stürmerei und Zankerei ums Alterszentrum satt und reagieren darauf zunehmend mit Desinteresse an Lokalpolitik und mit Stimmabstinenz.

Die Referendumsabstimmung würde schon in wenigen Monaten stattfinden. Eine Ablehnung des 250’000-Franken-Kredits scheint nicht ganz ausgeschlossen zu sein. Gut, sich jetzt schon Gedanken zu machen, wie es weiter gehen soll, falls «Margerite» beerdigt werden müsste. Ein längerer Marschhalt wäre wohl unumgänglich. Es wäre zu verhindern, dass sich die AZ AG in womöglich unveränderter Besetzung des Verwaltungsrates sogleich ins nächste Planungsabenteuer stürzt

Zunächst müsste alles auf den Tisch. Unter dem Lead des Gemeinderates und unter Einbezug breitester Bevölkerungskreise. Zur Diskussion gestellt werden müsste alles, auch was bisher sakrosankt war. Braucht es in Zukunft wirklich ein Alterszentrum dieser Grösse? Wohin damit, wenn die Zentrumswiese dafür zu klein ist? Sind Pflegeheime in Baden, Wettingen oder Spreitenbach wirklich unzumutbar für bettlägerige Bewohner? Könnte ein Teil der betreuten Wohnungen woanders erstellt werden auf dem Gemeindegebiet (Standorte sind vorstellbar), damit sie rascher als ein ganzes Alterszentrum zur Verfügung stünden? 

Jetzt entscheidet der Regierungsrat

Die Alterszentrum Würenlos AG kann die ihr vom Gemeinderat wider Willen verweigerte Baubewilligung für das Projekt Margerite auf dem Rechtsweg erstreiten. Eine bis gegen Mitternacht dauernde Gemeindeversammlung hat am 7. Dezember das dafür nötige Geld bereitgestellt. Zudem hat die Versammlung das Budget 2023 mit einem Steuerfuss von 101 % (bisher 103%) genehmigt. 

Je näher Traktandum 7 rückte, desto spürbarer knisterte es vor Spannung bei den 207 anwesenden Stimmberechtigten, den Verwaltungsräten der Alterszentrum Würenlos AG (AZ AG) und den Gemeinderäten vorne am Tisch. Die AZ AG war, wie in diesem Blog mehrfach geschildert, letztes Jahr mangels Kostenkontrolle kurzzeitig illiquid. Für das Projekt Margerite sind bisher 1,737 Mio. Franken ausgegeben worden, doch erst 1,5 Mio. Franken waren bis anhin vom Souverän der AZ AG zur Verfügung gestellt worden. Nun stand Schadensbegrenzung auf dem Programm. 

Von einem 2016 bewilligten Verpflichtungskredit in der Höhe von 4 Mio. Franken gab die Versammlung nach langer, ausufernder Debatte zwei weitere Tranchen frei. Mit  104 bzw. 103 Ja gegen jeweils 69 Nein:

  1. 350’000 Franken für bereits angefallene Kosten des Baugesuchverfahrens. Mit dem Geld werden zwei Notdarlehen zurückbezahlt. Kreditgeberin war die Firma von Toni Möckel, Gemeindeammann  und Verwaltungsratspräsident der AZ AG in einer Person..
  1. 250’000 Franken für zukünftige Kosten des Baugesuchs- und Rechtsmittelverfahrens: davon 170’000 Franken für juristische Beratung und Verfahrenskosten, 80’000 Franken für den Betrieb der AZ AG (VR-Honorare etc.) bis 2024.

Lang und heiss wurde nochmals der ganze Planungsprozess beim Projekt Margerite diskutiert. Was alles hätte man besser machen müssen? – Nun, dass man die kantonale Denkmalpflege viel früher in die Planung hätte einbeziehen müssen, hatten Gemeinderat und Verwaltungsrat der AZ AG schon vorher eingeräumt. Und das Geld war ja schon ausgegeben, der Verpflichtungskredit noch lange nicht ausgeschöpft und die Darlehen sind irgendwann zurückzuzahlen. Den Nein-Stimmenden ging es wohl vor allem darum, ein Zeichen gegen Misswirtschaft und fehlende Transparenz zu setzen. 

Um die Wurst ging es bei der zweiten Tranche: Wäre sie verweigert worden, so wäre das Projekt Margerite wohl gestorben. Es sei denn, der offenbar gut betuchte Verein Alterszentrum Würenlos hätte die Anwalts- und Verfahrenskosten gesponsert. Schliesslich stellt er – ohne Aktionär zu sein – 2 Vertreter im Verwaltungsrat der AZ AG und die tragen Mitverantwortung.

Für die Gegner der Vorlage stellte sich die Frage, ob dem guten Geld noch schlechtes hinterher geworfen werden sollte. Denn das Risiko ist gross, dass das Schlussresultat lauten wird «ausser Spesen nix gewesen». Der VR der AZ AG selbst hat erklärt, die Erfolgschancen im Rechtsmittelverfahren seien «knapp 50 %»

Vor erster Instanz, dem Regierungsrat, heisst es Alterszentrum Würenlos AG versus Einwohnergemeinde Würenlos. Auf dem juristischen Prüfstand aber stehen die Argumente der kantonalen Denkmalpflege. Die lehnt das Projekt Margerite ab, weswegen die kantonale Abteilung für Baubewilligungen den Gemeinderat quasi gezwungen hat, die Baubewilligung zu verweigern. 

Die privaten Einwender sind vorläufige Gewinner im Baubewilligungsverfahren. Sie können ihre Kriegskasse schonen für den Fall, dass der Regierungsrat zugunsten Margerite entscheidet. Dann würden die Einwender mit hoher Wahrscheinlichkeit vor Verwaltungs- und nötigenfalls auch vor Bundesgericht ziehen. Dieses hat in den letzten Jahren mehrfach Beschwerden gegen Gemeindebeschlüsse in Sachen Denkmal- und Ortsbildschutz gutgeheissen. 

Dass sich nur 60 % der Stimmenden hinter den Gemeinderat und den von ihm gewählten Verwaltungsrat der AZ AG gestellt haben, hat viel mit verlorenem Vertrauen zu tun. Eine Planung – von schwer erklärlichen Kehrtwendungen geprägt – und als Tüpfchen aufs i die vernachlässigte Kostenkontrolle haben Zweifel aufkommen lassen, ob diese Gremien ihrer Rolle gewachsen sind.

Die AZ AG war seit ihrer Gründung 2017 eine Blackbox. Die Zahlen der AG im Alleineigentum der Gemeinde wurden nie publiziert. Ja, bei Problemen sei sogar die Finanzkommission nur zögerlich informiert worden, wurde aus deren Reihen scharf kritisiert. Und wir Steuerzahlenden? Wir erfuhren bis zum vergangenen November nie, wie es finanziell um unsere AG stand. Dafür verriet uns der jährliche Geschäftsbericht der Einwohnergemeinde auf die Kommastelle genau, wieviele Hühner und Geissen in Würenlos herumgackern bzw.-gumpen, 

Das soll sich ändern. Deutlich angenommen wurde ein Antrag aus der Versammlung, wonach Geschäftsbericht und Rechnung  der AZ AG alljährlich nach Verabschiedung durch die Generalversammlung (=Gemeinderat) der Gemeindeversammlung vorzulegen sind.

Mehr Vertrauen haben die Würenloserinnen und Würenloser in die gemeinderätliche Finanzpolitik. Das Budget mit dem Steuerfuss von neu 101 % wurde mit nur wenigen Gegenstimmen gutgeheissen.

Im Spätherbst hatte die SVP für Aufsehen gesorgt mit der Lancierung einer Spar- und Schuldenabbau-Initiative . Von der war nun nicht mehr die Rede. Mit dem Budget 2023, das trotz Steuersenkung einen Schuldenabbau um 833’000 Franken vorsieht, nahm der Gemeinderat der SVP wohl den Wind aus den Segeln. 

Warnende Worte zu hören gab es dennoch – von der Finanzkommission (FiKo). Der Vorsitzende Thomas Zollinger (auch SVP Präsident) und mehrere Mitglieder teilten sich in die Aufgabe, den Voranschlag zu kommentieren. Sie wiesen etwa auf die Eigentümlichkeit hin, dass Würenlos zu den 30 Gemeinden im Kanton mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung gehört, aber bezüglich Steuertrag pro Kopf zu den 30 stärksten Gemeinden gehört. Die Kommission sieht auf der Aufwandseite noch Sparpotenzial, Und bei einigen geplanten Investitionen könne man sich fragen, wie nötig sie wirklich seien.

Eine ganz andere Sicht vertrat das Mitte-Mitglied Franz Müller. Die Finanzlage sei weit besser sei als sie seit Jahren von Finanzvorstand Lukas Wopmann und der Finanzkommission dargestellt werde. Von Müllers Antrag, die Steuern gleich um 4 % zu senken, wollte die  Versammlung aber nichts wissen.

Kurzen Prozess machte die Versammlung zu später Stunde mit einem 1-Millionen-Kredit für eine neue Trafostation auf der Autobahn-Raststätte Süd. Auf Antrag von Markus Städler (FiKo-Mitglied) wurde der Kredit abgelehnt. Weshalb die Gemeinde eine Million investieren soll, damit weitere Zapfsäulen für E-Autos aufgestellt werden können, konnten sich zu viele Stimmberechtigte auch nicht recht erklären.

Alle anderen Traktanden wurden gemäss Antrag des Gemeinderates gutgeheissen